Der Entwurf des Postulats von FDP-Kantonsrat Jim Wolanin, Neuenkirch, war von der Partei schon Mitte Februar samt einer Medienmitteilung publiziert worden (siehe BauernZeitung vom 14. Februar). Inzwischen wurde der Inhalt mit Bauern offenbar nochmals beraten und textlich angepasst. Letzte Woche wurde das Postulat nun definitiv eingereicht. Darin wird der Luzerner Regierungsrat ersucht, die ökologische Zielerreichung in den Seeeinzugsgebieten zu überprüfen. So wird vorgeschlagen, bei den Standardarbeitskräften (SAK) anzusetzen, indem beispielsweise die Gewerbegrenze in den Seegebieten von derzeit 1 auf 0,8 SAK gesenkt wird (siehe Kasten).
«Andere Kriterien sind entscheidender»
Christoph Beyeler glaubt nicht, dass der Gewerbestatus die Tierhaltung bestimmt.
Grosse Konsequenzen
Der Vorschlag sei zwar gut gemeint, greife aber zu kurz und hätte vielfältige, auch negative Auswirkungen, meinen mehrere von der BauernZeitung angefragte Fachleute.
So weist Rechtsberater Raphael Kottmann vom Luzerner Bäuerinnen- und Bauernverband darauf hin, dass landwirtschaftliche Gewerbe in verschiedenen Bereichen einen privilegierten Status geniessen. So im Bodenrecht, indem Gewerbe zum Vorzugspreis Ertragswert übernommen werden können. Im Ehe- und Scheidungsrecht könne ebenfalls vom Ertragswertprinzip profitiert werden.
Direktzahlungen sind nicht betroffen
Im Raumplanungsrecht sind Wohnbauten ausserhalb der Bauzone nur zonenkonform, wenn sie zu einem landwirtschaftlichen Gewerbe gehören. Und nichtlandwirtschaftliche Nebenbetriebe könnten nur bewilligt werden, wenn der Betrieb weiterhin ein Gewerbe sei. Auch im Pachtrecht gelten für Gewerbe tiefere Pachtzinse als bei Grundstückpachten.
Keine Auswirkungen habe ein Absenken der Gewerbegrenze hingegen auf die Direktzahlungen. Und auch Investitionshilfen könnten weiterhin nur gewährt werden, wenn die Betriebsgrösse mindestens 1 SAK ausmache, ergänzt Samuel Brunner, Geschäftsführer Landwirtschaftliche Kreditkasse. Brunner mahnt, dass es immer Betriebe gebe, die mit einer leichten Intensivierung die geforderte Limite zu erreichen versuchen, egal wie die Grenzen gesetzt würden.
«Das Potenzial für Konflikte würde erhöht.»
Raphael Kottmann warnt davor, für kleinere Betriebe den Ertragswert einzuführen.
Mehr Interessenskonflikte
Rechtsberater Kottmann meint ebenfalls, dass bei einer Senkung der Gewerbegrenze der Anreiz für kleinere Betriebe mit 0,5 bis 0,8 SAK erhöht werde, ihren Betrieb zu intensivieren, um die Limite zu erreichen. Und wenn Nebenerwerbsbetriebe zu privilegierten Konditionen, das heisst zum Ertragswert, übernommen werden können, schüre das das innerfamiliäre Konfliktpotenzial. Zudem würden tiefe Gewerbelimiten die Zersiedelung begünstigen und die Interessenskonflikte ausserhalb der Bauzone weiter zunehmen. Christoph Beyeler von Agro Treuhand Sursee setzt eben-falls Fragezeichen. Eine Senkung der SAK-Limite werde kaum zu tieferen Tierbeständen führen. Da seien andere Kriterien für oder gegen Tierhaltung viel entscheidender als der Gewerbestatus.
SAK und weniger Tiere
Die SAK-Werte dienen als Kriterium, ob ein Betrieb von staatlichen Massnahmen profitieren kann. Im Kanton Luzern gilt im Talgebiet die Gewerbegrenze von 1 SAK, vor wenigen Jahren wurde die Grenze im Berggebiet von 0,8 auf 0,6 gesenkt. Im Aargau liegt diese in allen Zonen bei 1 SAK, in Ob- und Nidwalden generell bei 0,8 SAK. Bei einer Mehrheit der Kantone liegt die Gewerbegrenze hingegen in allen Zonen bei 1 SAK. Wenn die SAK-Limite gesenkt werde, würden Betriebe, welche die Tierhaltung reduzieren, weiterhin als landwirtschaftliche Gewerbe gelten und so beispielsweise nicht das Recht auf Erstellung eines Ökonomiegebäudes verlieren, meint Postulant Jim Wolanin. Heute werde mit Tieren versucht, die SAK-Limite zu halten, um nicht raumplanungsrechtlich benachteiligt zu sein. Rund ein Drittel der Betriebe im Seegebiet würden knapp über 1 SAK verfügen, diesen sei es kaum möglich, den Tierbestand zugunsten eines Nebenerwerbs zu reduzieren.