Diesen Frühling läutete das Telefon beim Luzerner Bäuerinnen- und Bauernverband (LBV) in Sursee noch etwas häufiger als sonst. Auslöser war der Start zur Kontrollsaison 2025. Ein Schwerpunkt dabei war der bauliche Tierschutz in den Ställen. «Gegen 30 Rückmeldungen hatten wir von unseren Mitgliedern», sagt Marie-Louise Koller von der Interessensvertretung des LBV. Grundtenor: Man ist erstaunt darüber, dass nach bestem Wissen und Gewissen geplante und gebaute Ställe nicht der Norm entsprechen und dass es für die Behebung allfälliger Mängel keine Frist mit Nachkontrolle gibt, sondern gleich eine Sanktion, also eine Kürzung der Direktzahlungen, verfügt wird. Das sind in einigen Fällen mehrere Tausend Franken, bei einer Sanktion pro Kuhplatz von 100 Franken.

Liegeboxen bemängelt

Auffallend häufig bemängelt wurden Liegeboxen, vor allem Bugholz und Trennbügel (siehe Kasten). Einige kontrollierte Landwirte bemängelten auch die Sozialkompetenz bestimmter Kontrolleure. Der LBV ist diesbezüglich in Kontakt mit der Kontrollorganisation. Durch die Fusion der Berner KUL mit der Luzerner Qualinova zur Aniterra werden vermehrt Luzerner Betriebe von Berner Kontrolleuren besucht. Diese setzten eher das Messband ein im Stall, ist unter vorgehaltener Hand zu hören. Während aufgrund des Drucks rund um die Nährstoffe früher der Fokus in Luzern häufig auf der Bilanz lag und so vor allem der Taschenrechner gezückt wurde.

Bund wies Kontrollstellen an

Bugholz und Trennbügel

Folgende Mängel wurden im Kanton Luzern vermehrt festgestellt:

Liegeplätze: Anzahl Liegeplätze reichen nicht für alle Tiere; Liegefläche verkotet und durchnässt; zu wenig Einstreu auf Hochboxen.
Liegeboxen: Zu hohe Einstreuschicht, wodurch das Bugholz im Einstreubett vergraben ist und die Funktion nicht mehr wahrnehmen kann; Abstand zwischen Liegefläche und Trennbügel ist bei Kühen nicht 40 cm; Bughölzer ragen mehr als 10 cm über die Liegeflächenhöhe hinaus; Stützen vor dem Bugholz im Kopfschwungbereich angebracht; Liegeboxen ohne Bugholz oder zu weit nach vorne verschoben; Frontrohre zu tief angebracht.
Weiteres: Nicht zugelassene Viehtrainer-Netzgeräte; Öffnungen/Löcher in Böden; nicht abgedeckte Schubstangenentmistungen in Laufställen; Spaltenweite zu breit, insbesondere bei Mutterkuhhaltungen (30 mm gefordert), welche von der Milchviehhaltung (35 mm gefordert) auf Mutterkuhhaltung umgestellt haben.

Technische Weisung, die Tierschutzkontrollhandbücher und DZ-Verordnung bezüglich Anforderungen gibt es auf den Websites von BLV und BLW.

Der Luzerner Kantonstierarzt Martin Brügger bestätigt auf Anfrage den nationalen Schwerpunkt «baulicher Tierschutz». «Vonseiten Bund wurde den Kontrollstellen mitgeteilt, dass dieses Jahr ein besonderes Augenmerk auf die korrekte Einrichtung und Handhabung der Liegeboxen gelegt werden soll», so Brügger. Es handle sich aber nicht um neu eingeführte Bestimmungen, die geprüft werden müssten. Gemäss aktuellen Zahlen des Veterinärdienstes Luzern mussten im laufenden Jahr bei 172 von 668 kontrollierten Betrieben Mängel unterschiedlicher Art im Bereich Tierschutz Rindvieh beanstandet werden. Darin enthalten sind Mängel beim baulichen Tierschutz wie auch beim qualitativen Tierschutz. Bei 89 dieser 172 Betriebe wurden Mängel beim baulichen Tierschutz festgestellt, Liegeboxen-Fälle werden nicht separat erfasst.

Kein Spielraum

Eine allfällige Sanktionierung erfolge aufgrund des Kontrollberichts durch die zuständige Vollzugsbehörde, so Martin Brügger zum Ablauf. Dabei beurteile der kantonale Veterinärdienst, ob verwaltungsrechtliche Massnahmen angeordnet werden und allenfalls eine Strafanzeige gestellt werden muss. Die Dienststelle Landwirtschaft und Wald (Lawa) sei für die Direktzahlungskürzungen zuständig. Während bei der Anwendung der Tierschutzgesetzgebung die Möglichkeit besteht, dass bei geringfügigen Mängeln keine Verwaltungsmassnahmen angeordnet werden müssen – die Mängel also innert Frist behoben werden können und auf eine Strafanzeige verzichtet werden kann –, gäbe es bei der Anwendung der Direktzahlungsverordnung gemäss gesetzlichen Vorgaben keinen Spielraum, präzisiert Brügger. «Aus diesen Gründen kann aus verwaltungsrechtlicher Sicht bei geringfügigen Mängeln die Behebung des Mangels innert gesetzter Frist ohne weitere Schreiben genügen, während dem die Direktzahlungen für den entsprechenden Mangel durch das Lawa gekürzt werden müssen.»

Kein Spezialfall Luzern

Der Kanton Luzern führe überdies kein strengeres Regime, wenn es um Sanktionen gehe. «Die Abklärungen haben ergeben, dass die Kürzungen der Direktzahlungen in anderen Kantonen entsprechend vollzogen werden», so Brügger. Auch in Luzern erfolgt vonseiten Veterinärdienst bei geringfügigen, nicht wiederholten Mängeln nicht automatisch ein Verwaltungsverfahren, sondern die Tierhaltenden haben die Möglichkeit, die Mängel innert Frist zu beheben.

Luzerner Bauernverband wird politisch aktiv

Vergangene Woche fand die etablierte «Tierschutz-Bausitzung Zentralschweiz und Bern statt». Dabei wurde von Vertretern der Veterinärdienste, Kontrollstellen und Landwirtschaftsämtern am Erheben und Beheben der Mängel im Bereich Liegeboxen einstimmig festgehalten, bestätigt der Veterinärdienst Luzern. Ebenso war man einhellig der Meinung, dass erstmalig festgestellte, geringfügige bauliche Mängel, die nicht eine grosse Einwirkung auf das Tierwohl haben, innert drei Monaten sollen behoben werden können und bei fristgerechten Rückmeldungen auf Direktzahlungskürzungen verzichtet werden könnte.

Kantone wollen unterscheiden
Was aktuell aber der für den Vollzug der Direktzahlungskürzung im Kanton Luzern zuständigen Dienststelle (Lawa) nach den geltenden Vorgaben gemäss Direktzahlungsverordnung nicht möglich ist. Hingegen müssen Mängel, die auf das Tierwohl gravierende Auswirkungen haben, wie etwa unbehandelte kranke und verletzte Tiere, in jedem Fall sanktioniert werden.

Eine national angepasste Vorgehensweise im Bereich Direktzahlungskürzungen wäre gemäss dem Luzerner Kantonstierarzt dienlich. Dafür wäre eine Änderung der Direktzahlungsverordnung notwendig, was auf dem politischen Weg angegangen werden müsste.

LBV plant Vorstoss
Diese Vorgehensweise wird von Präsident Markus Kretz bereits seit Längerem über den Schweizer Bauernverband vom BLW gefordert. Das Anliegen sei bislang nicht auf fruchtbaren Boden gestossen. Der LBV ist aktuell an der Ausarbeitung eines nationalen Vorstosses, welcher den Kontrolleuren künftig ermöglichen soll, Beanstandungen nach «grobfahrlässig», «mutwillig» und «Bagatelle» einzuteilen. Eine Bagatelle soll innerhalb einer definierten Frist ohne Kürzung behoben werden können. «Mit dieser Gesetzesanpassung würden Kontrollen künftig viel sozialverträglicher», so Kretz.