Schönreden lässt sich die Situation am Schweinemarkt nicht. Das hatte Manfred Bötsch, Verwaltungsratspräsident der Identitas AG, ehemaliger Direktor des Bundesamts für Landwirtschaft sowie ehemaliger Direktor Nachhaltigkeit beim Migros-Genossenschafts-Bund und der Micarna, auch gar nicht im Sinn, als er an der Anicom-Tagung in Gossau referierte. Im Gegenteil, Bötsch machte allen die Hölle heiss.

Ein Minus von 200 Mio Fr.

«Man kann jetzt nicht drei weitere Jahre einfach hin und her lavieren, sondern zack, handeln wie beim Stricken: ‹inestäche, umeschlah, durezieh und abela›», sagte Manfred Bötsch. Er präsentierte an der Ostschweizer Anicom-Tagung seine persönliche Einschätzung, wie er den Schweinemarkt umkrempeln und auf Kurs bringen würde. Als Mitglied der Suisseporcs-Arbeitgruppe Schweinemarkt weiss Bötsch, wie es um die Branche steht. Die Krise im Winter und Frühjahr 2022/23 hätte die Branche um die 200 Mio Fr. gekostet. Das war verlustreich für die Züchter, aber auch für die Mäster.

Bugwelle muss weg

[IMG 2] «Wir schieben eine Bugwelle vor uns her. Und diese ist auch nicht eliminiert, wenn in den nächsten Jahren 2000 Zuchtplätze und 16 000 Mastplätze jährlich aus der Produktion genommen werden», sagte Manfred Bötsch. Die derzeitigen Schweinepreise seien bei Weitem nicht kostendeckend. «Aufgrund dieser Situation müsste es doch ‹räbblen› in der Branche. Warum passiert das nicht?», fragte sich Bötsch. «Werden überhaupt realistische Zahlen präsentiert?» Auch würden saisonale und temporäre Ansätze laut Bötsch nicht genügen, um die strukturellen Probleme und die permanente Unsicherheit zu lösen. Gleichwohl müsse man bei der Preisgestaltung unter Einbezug der Belegungen noch früher als heute reagieren und die Preisbänder flexibilisieren. Im Übrigen sei der Schlachtmorenzuschlag ein Eigentor – eingestallt würden dann erst recht junge und sehr fruchtbare Moren.

Über eine Stilllegungsprämie von Ställen diskutiere ja bereits die Suisseporcs (siehe Seite 9). Der Haken daran sei, dass der Fonds dafür erst noch eingerichtet und gefüllt werden muss. Bötsch sprach von 10 Mio Fr., welche die Branche dafür aufbringen müsse. «Vom Bund kommt sicher nichts», so Bötsch. Aber eine Stilllegungsprämie käme billiger als der «Notnagel» Export.

Agrarpolitik als Hebel nutzen

Bisher steht die Branche agrarpolitischen Massnahmen kritisch gegenüber. Manfred Bötsch jedoch sagte: «Nutzen Sie diese zur Marktsanierung.» Die Bereinigung von Nährstoffüberschüssen, CO2-Abgabe auf Futterkomponenten oder Nachhaltigkeits-bewertungen seien heutzutage politisch unvermeidbar und die Branche solle sie zu ihren Gunsten nutzen. Auch wenn es einzelne Betriebe und einzelne Regionen hart treffen würde.

Wenig zielgerichtet seien Absatzförderungsmassnahmen, so Bötsch. Marketing sei zwar wichtig, wirke aber langsam. Da der Pro-Kopf-Konsum von Frischfleisch rückläufig sei, würde die Werbung von Schweinefleisch nur zu Verdrängungen von übrigen Fleischarten führen.

Dann kam noch das Thema Selbstbeschränkung des Handels und der Verarbeiter auf. Das sei unrealistisch. «Firmen, die so etwas mitmachen, würden in Nullkommanix ihre Marktanteile verlieren – auch die Anicom wäre dann grad weg vom Fenster», sagte Bötsch. Immerhin gestand Bötsch dem Handel und den Verarbeitern zu, dass sie sich in der Arbeitsgruppe Markt engagieren – im Gegensatz zu den Futtermühlen, die ein Teil des Problems seien und sich nicht an Branchengesprächen beteiligen.

Vollintegration als Lösung

Er, Manfred Bötsch, würde das Feld von hinten aufrollen. Die Retailer, Migros, Coop, Aldi, Lidl sowie Bell, Micarna und Fenaco, müssten mit der Suisseporcs an einen Tisch sitzen und ihre Gesamtmenge bekannt geben – mehr liefern ginge dann nicht.

Als Bötsch seine Szenarien präsentierte nach dem Motto «Besser ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende», hätte es an der Anicom-Tagung auch bei den Schweineproduzenten im Saal «räbblen» müssen. Aber nach seinem Referat war es still. Niemand will der Erste sein, der freiwillig aussteigt, zumal laut Bötsch der Investitionsbedarf bei den Schweinehaltern gering sei. Viele würden mit leeren Händen dastehen. Bis die Stilllegungsprämie zum Laufen kommt, kann es schon noch dauern.

Akzeptanz für Tierhaltung

Cyrill Schildknecht, Verwaltungsrat Anicom, zeigte in der Begrüssung auf, in welchem Spannungsfeld sich die Tierhaltung befindet. «Es braucht mehr gesellschaftliche Akzeptanz für die Nutztierhaltung», sagte er und fügte an: «Wir stehen zu unserer Tierhaltung, die nachhaltig und für eine gute Ernährung wichtig ist.» Er habe denn auch hohe Erwartungen an das Parlament, das nach den Wahlen nun bäuerlicherseits besser aufgestellt sei.

Bleibt zu hoffen, dass dies gelingt, denn schweizweit ist der Konsum rückläufig. Auf der Verliererseite steht neben dem Schweinefleisch auch das Kalbfleisch. «Das ist teuer und aufgrund der Inflation greifen die Konsumenten weniger zu Kalbfleisch», sagte Julius Jordi, Anicom-Leiter Ostschweiz. Auch bei den Verarbeitungskühen läuft es nicht ganz rund. Jordi hofft, dass aufgrund des Bevölkerungswachstums der Fleischkonsum gehalten werden kann.

Ronni Vögeli ist seit diesem Jahr Präsident der Swiss Beef Region Ost. Er forderte die Rindermäster auf, der Vereinigung beizutreten. Rund 500 Mitglieder habe Swiss Beef, aber es könnten mehr sein. «Gemeinsam können wir mehr erreichen», sagte Vögeli. Der Verband stehe für eine attraktive und gesunde Munimast ein. Jeder, der mitmache, sei mit seinen Problemen nicht auf sich allein gestellt.