Viele Milchwirtschaftsbetriebe sind in der Rentabilitätsfalle – auch wenn jetzt der Milchpreis nicht so schlecht ist. Sie sind von der Anzahl Kühe her zu gross, als dass sie den Betrieb ohne Fremdarbeitskräfte führen können. Leisten können sie sich aber einen Angestellten wegen der Rendite nicht. So lastet die Arbeit auf der Familie und führt zu Überlastung. Vor diesem Dilemma stand auch Mathias Roth aus Herrenhof.
Expansion und Wendepunkt
[IMG 3] 2020 konnte Mathias Roth von seinem Onkel einen Betrieb mit 23 ha Land dazu pachten. Zu seiner Herde von 30 Kühen kamen 40 Kühe dazu. «Wir molken in zwei Ställen, einerseits beim Onkel mit einem Roboter, andererseits bei uns im Melkstand», erzählt er. Schon nach einigen Wochen war ihm klar, dass diese Lösung nicht für die Zukunft war. «Klar überprüften wir Alternativen. Aber eine Betriebsgemeinschaft ist nicht zustande gekommen und viehlos wollten wir nicht weitermachen», sagt Roth und weiter: «Anfang März 2020 entschlossen wir uns, einen Milchviehstall zu Bauen. Das passt zu unserem Betrieb und unseren Fähigkeiten am besten.»
Um der oben genannten Krux mit der Rentabilitätsgrenze zu entgehen, plante Roth nicht für 70 Kühe, sondern gleich für 120 Stallplätze mit zwei Robotern. Mit 70 Kühen könne man sich keinen Angestellten leisten. «Aber mit der Grösse, wie wir sie nun haben, kann ich einen qualifizierten Angestellten, der eine Stellvertreterfunktion wahrnimmt, anständig entlöhnen.» [IMG 2]
Ruckzuck zum neuen Stall
Mathias Roth holte sich im Frühjahr 2020 für seine Stallbauplanung einen erfahrenen Landwirt dazu. «Wir diskutierten einen Vormittag lang. Dabei haben wir das Betriebskonzept mit dem Neubau aus der Taufe gehoben», fasst Roth zusammen. Wenn man weiss, was man will, geht es meistens ruckzuck weiter – so auch auf dem Tannenhof. Im Mai 2020 begannen die Planungsarbeiten mit einem Stallbauplaner. Das Baugesuch reichte Roth im November 2020 ein. Die Baubewilligung erfolgte im Mai 2021. Baubeginn war im Juni 2021. Im Juli 2022 konnte der neue Stall bezogen werden. Nun ist der Stall seit knapp einem Jahr in Betrieb. Das Stallkonzept hat sich bis jetzt bewährt.
Breit statt lang
Es ist ein kompakter Stall, der mit einem sechsreihigen Liegeboxensystem breit statt lang ist. So sind die Wege der Kühe zum Melkroboter kurz. Die Liegeboxen bestehen aus Wabenmatten, die mit Sand gefüllt sind. Darüber kommt die Einstreuschicht mit Strohwürfeln. Fürs Einstreuen haben Roths einen sogenannten Strohliner installiert, der über eine Strohverteileranlage viermal pro Woche automatisch einstreut. «Wir brauchen etwas mehr Strohwürfel, als wir gerechnet haben, ca. 2 kg pro Kuh und Tag. Aber wir haben trockene Boxen und der Arbeitsaufwand ist klein.»
Die Fressachsen sind an der Aussenseite angebracht, mit sogenannten Feedboxen mit Trennbügeln, die mit 79 cm breiter sind als die klassischen Fressgitter. Die Fressstände sind erhöht, so dass die Kühe im Trockenenstehen. Auch stört der Mistsammelroboter die Kühe beim Fressen nicht. Die Tränketröge sind an den Seitenwänden der Liegeboxen positioniert. Sie bestehen aus einer Thermowanne, so dass sie nicht beheizt werden müssen.
Nutzwertanalyse für Roboter
[IMG 5] Kernelement des Stalls sind die beiden Gea-Roboter. «Ich habe mir viel Zeit genommen für die Wahl des Roboters und eine Nutzwertanalyse gemacht», sagt Mathias Roth. Überzeugt hat ihn vor allem die Kompetenz des Serviceverantwortlichen, der auch für die Installation verantwortlich war.
[IMG 6] Dazu kamen viele Details, die ihm zusagten, wie zum Beispiel, dass der Roboter bei jedem Viertel die Zellzahl misst. Dafür seien keine kostspieligen Reagenzien nötig. Auch könne man jedes Einzelviertelgemelk separat ableiten. «Das funktioniert wie ein Früherkennungssystem. Wir erkennen aufkommende Eutererkrankungen rasch und reagieren umgehend. Dadurch konnten wir den Antibiotikaeinsatz für Mastitisbehandlungen deutlich reduzieren», sagt Roth. Der Roboter verfügt über einen Plattenkühler für die Milch. Das erwärmte Wasser leitet Roth in die Tränketröge. Neben dem Milchtank steht ein etwas kleinerer Puffertank. So können die Kühe auch während der Milchabholung und der Tankreinigung gemolken werden.
Bewährt hat sich zudem das«Guided-Exit-Konzept». Dabei wird die Kuh, wenn sie den Roboter verlässt, durch ein Selektionstor erkannt und zurück zur Herde, in die Separationsbox oder in die Tiefstreufläche geleitet. Durch die breite Bauweise hat es im vorderen Stallteil genug Platz für zwei Separationsabteile und drei Tiefstrohflächen (Transit- und Kalberkühe, Krankenbucht), ein geräumiges Büro und für einen fix installierten Klauenstand. [IMG 7]
Schichtdienst beim Einstallen
«Unser Ziel war es, den Stall möglichst rasch zu füllen, damit wir von Anfang an einen guten Ertrag haben», sagt Mathias Roth. Es galt also die eigene Herde von 30 Tieren mit jenen 40 des Onkels zusammenzuführen und dann noch Kühe zu kaufen. «Ich hatte das Glück, dass ich von einem Milchproduzenten, der den Betrieb aufgab, eine ganze Herde mit 38 Kühen kaufen konnte», erzählt Roth. Als es ums Einmelken ging, richteten Roths grossflächig eine Weide ein, wo alle drei Herden (Brown Swiss, Holstein und Redholstein, Kreuzungstiere mit Simmentaler und Original Braunvieh) zusammengeführt wurden. Kollegen waren rund um die Weide platziert.
«Um 11 Uhr öffneten wir den Stall und alle Kühe stürmten herein – wir mussten keine einzige holen», erinnert sich der Landwirt. Um 12.30 Uhr liessen sie die ersten zwei Kühe an den Roboter. Abends um 19.30 Uhr waren alle Kühe im Roboter gemolken. Dann machten sie grad weiter. Morgens um 3.30 Uhr waren alle zweimal gemolken und nach 23 Stunden alle dreimal am Roboter. «Von Mittwoch bis Samstagmittag waren wir permanent zu dritt im Stall und machten Sechsstundenschichten», so Roth.
Mehrwertsteuer unterstellt
Die Schlussabrechnung für das Projekt liegt mittlerweile vor und Familie Roth konnte das Budget einhalten. Wesentlich dafür war, dass man sämtliche grösseren Aufträge mit Werkverträgen schriftlich vereinbarte – glücklicherweise vor dem grossen Teuerungsschub in der Baubranche. Der Betrieb hat sich freiwillig der Mehrwertsteuer unterstellt. So konnten sie die Mehrwertsteuer für die Investitionen zurückfordern. Im Gegenzug muss der Betrieb nun 20 Jahre Mehrwertsteuer abrechnen, was einerseits einen erhöhten administrativen Aufwand bedeutet und andererseits zur Folge hat, dass sie für verkaufte Produkte Mehrwertsteuer bezahlen müssen.
So spart man Geld
Trotz dem guten Ausbaustandard bewegen sich die Baukosten pro Kuhplatz in einem «vernünftigen» Bereich, meint Mathias Roth und zählt Einsparungen auf: Unter den Liegeboxen und dem Fütterungsbereich ist eine Festplatte betoniert, die an einem einzigen Tag einbetoniert wurde (keine Kanäle mit Spaltenboden). Für saubere Laufgänge sorgt der Mistroboter. Spaltenboden gibt es nur im Bereich vor den Robotern. In einen darunter liegenden Güllenkasten fliesst auch das Spül- und Waschwasser von den Robotern.
Dann baute er neben dem Stall ein Güllesilo, was ihn günstiger kam als der Bau eines Güllekastens unter den Liegeboxen. Dazu kommen noch vier Fahr- statt Hochsilos.
Verzicht auf RAUS
Da der Stall offen und lichtdurchflutet ist, verzichtete Roth auf einen Laufhof. Damit entgeht ihm der RAUS-Beitrag. Mit der Tierzahl und einer Totalmischration die Anforderungen für RAUS zu erfüllen, wäre für ihn eine grosse Herausforderung. «Wir sind überzeugt, dass den Kühen der grosszügige Platz im Stall mehr bringt als der Laufhof», sagt er. Sobald die Umgebungsfläche aber gut verwachsen sei, sollen die Kühe einen Zugang zu einer Bewegungs- und Gesundheitsweide haben.
Roths Milchabnehmer ist die Strähl Käse AG. «Zurzeit haben wir einen Stalldurchschnitt von 9500 kg, aber es hat noch Luft nach oben», sagt Roth. Wichtig ist ihm, gutes Grundfutter zu produzieren. «Aber aufgrund des schlechten Wetters gab es dieses Jahr keine Spitzenqualität mehr», bedauert der Landwirt.
Tannenhof
Betriebsleitung: Regula und Mathias Roth
Ort: Herrenhof TG
Tierhaltung: 130 Kühe, eigene Aufzucht im Aufzuchtvertrag
LN: 53 ha
Kulturen: Natur- und Kunstwiesen, Weiden und Ackerbau mit Zuckerrüben, Mais, Raps und Getreide
Spezialkulturen: 3 ha Tafelobst
Mitarbeiter: 1 Festangestellter, 1 Lernender, Vater und Onkel, Aushilfen während Arbeitsspitzen