«Es wird zusehends ungemütlich», warnt Patricia Scheer vom Amt für Veterinärwesen des Kantons Bern (AVET) an den Schweizerischen Tierärztetage in Basel. Die Rede ist von der zugespitzten Seuchenlage in Europa. Während Deutschland und Italien mit Ausbrüchen der Afrikanischen Schweinepest (ASP) bei Wildschweinen kämpfen, ist es in Ungarn und der Slowakei die Maul- und Klauenseuche (MKS). Beide Krankheiten gelten hierzulande als hochansteckende Seuchen. «Übertragbare Krankheiten mit dem Potenzial, sich massiv und schnell zu verbreiten – auch über die Landesgrenze hinaus», beschreibt das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) die Seuchenkategorie.

Sensibilität fehlt bei den Jungen

Seuchenausbrüche kennt die jüngere Generation nur noch aus Erzählungen oder von Bildern. Der letzte Ausbruch einer hochansteckenden Seuche auf einem landwirtschaftlichen Betrieb liegt in der Schweiz bereits über 20 Jahre zurück. Dadurch nehme die Sensibilität der Landwirt(innen) und Tierärzt(innen) gegenüber solchen Ereignissen ab, so Patricia Scheer.

Umso wichtiger sei aufgrund der aktuellen Seuchenlage in Europa, bei unklaren Symptomen an ein Seuchengeschehen zu denken und frühzeitig den Bestandestierarzt beizuziehen. Denn die Konsequenzen eines Ausbruchs sind verheerend. Am Beispiel der MKS zeigt die Tierärztin grob auf, wie einschneidend die getroffenen Massnahmen für den Betrieb, aber auch das ganze Land sein können:

  • Seuchenverdacht: Der Betrieb wird vom Kantonstierarzt gesperrt. Bis zum Vorliegen des Untersuchungsergebnisses findet kein Tier-, Waren- oder Personenverkehr statt.
  • Bestätigter Seuchenverdacht: Der gesamte Bestand an empfänglichen Tieren wird schnellstmöglich gekeult und über eine Tierkörperbeseitigungsanlage unschädlich entsorgt, denn sobald die Tiere tot sind, vermehrt sich das Virus nicht mehr. Parallel finden Abklärungen über die Einschleppung und Weiterverschleppung der Seuche statt. Blicke man ins Ausland, fehle dort aktuell die Kapazität, um die grossen Tierbestände so rasch zu töten wie gewollt. «Ob wir in der Schweiz tatsächlich schneller wären, bleibt dahingestellt. Unser Vorteil sind die relativ kleinen Betriebe», so Scheer.
  • Schutz- und Überwachungszonen: Zur Verhinderung einer weiteren Seuchenverschleppung werden Schutz- und Überwachungszonen eingerichtet, in denen Tier-, Waren- und Personenverkehr eingeschränkt sind. Die Schutzzone erfasst im Normalfall ein Gebiet im Umkreis von 3 km vom verseuchten Bestand. In dieser Zone produzierte Lebensmittel tierischer Herkunft dürfen diese nicht mehr verlassen. Die Überwachungszone weist einen Radius von 10 km auf.

Tierverkehr eingestellt

Nach der Keulung, Reinigung und Desinfektion, bleiben Einschränkungen im Personenverkehr auf dem Betrieb für mindestens 21 Tage weiter bestehen. Ein Echtfall-Szenario zeigt: Bereits bei Entdeckung eines MKS-Virus, mit der nach zwei bis drei Wochen gerechnet wird, wären 20 weitere Betriebe in verschiedenen Regionen der Schweiz betroffen. Vier bis fünf Wochen später würde der Peak der Epidemie mit über 100 Fällen erreicht.

Einen Tierverkehr gebe es dann nicht mehr, so Scheer. Erst ungefähr fünf bis sechs Monate später wären die Sperrmassnahmen in der Schweiz wieder aufgehoben. International daure es bis zur Aufhebung noch viel länger. «Es reichen drei Erreger, um eine Kuh zu infizieren», fügt die Expertin hinzu.

14,2 Mia. Franken Schaden

Das Beispiel zeigt, die Auswirkungen eines Seuchenausbruches reichen weit über jene für den betroffenen Betrieb hinaus. Der Ausbruch führe unter anderem zum Verlust des Konsumentenvertrauens, wodurch die Absatzkanäle für Fleisch- und Milchwaren abnehmen. Die Einschränkungen in den Schutz- und Überwachungszonen sowie der Rückgang der Absatzkanäle verursachen einen Rückstau in den Tierhaltungen und es komme zudem zu einem Zusammenbruch der nachgelagerten Stufen (Schlachthof, Milchverarbeitungsbetriebe).

Umgerechnet 14,2 Mia. Franken Schaden verursachte der MKS-Ausbruch 2001 in England. 10 048 Betriebe waren vom Virus betroffen. 7800 Landwirte standen ohne Arbeit da. Insgesamt 4,3 Mio. Tiere wurden gekeult, 1,2 Mio. Tiere aus MKS-Betrieben – die restlichen Tiere mussten aus Tierschutzgründen aufgrund des Rückstaus getötet werden. Daneben waren auch der Tourismus, das Image des Landes und die Landwirtschaft im Generellen von den Folgen betroffen. So machten die indirekten Verluste 7,2 Mia. Fr. von den Totalverlusten aus. Insgesamt 150 Suizide von Landwirten, aber auch Tierärzten wurden verzeichnet. «Eine solche Tierseuche hat fatale Folgen», so Scheer.

Tierverluste werden entschädigt

Entschädigt werden bei einem Seuchenfall laut Patricia Scheer nur die Tierverluste mit 90 Prozent ihres Schätzungswertes. Übernommen werden zusätzlich die Reinigungs- und Desinfektionskosten. «Eine Entschädigung des Ertragsausfalls vor, während oder nach dem Seuchenausbruch erfolgt nicht», erklärt die Fachfrau weiter.

In diesem Zusammenhang erinnert Scheer aber auch an die laut Tierseuchenverordnung geltende Pflicht des Tierhalters alle Massnahmen zur Gesunderhaltung der Tiere und zur Gewährleistung der Biosicherheit in seiner Tierhaltung zu treffen. «Nicken, aber nichts Umsetzen, reicht da nicht und kann auch einmal unverhoffte Folgen mit sich ziehen», so die Expertin abschliessend.