«80 bis 90 Prozent der laktierenden Kühe, die tierärztlich behandelt werden müssen, befinden sich in den ersten hundert Tagen der Laktation», erklärte Remo Wyss, Tierarzt der Vet-Team AG aus Willisau im Kanton Luzern, an der diesjährigen Farm-Academy-Fachtagung im aargauischen Lupfig. Organisiert wurde diese von Multiforsa.
Alles rund um einen optimalen Start in die Laktation
Die Fachtagung widmete sich heuer dem Thema rund um ein erfolgreiches Abkalben und einen optimalen Start in die Laktation.
Am Morgen erwartetet die Teilnehmenden einen theoretischen Input durch die drei Fachreferent(innen) Andrea Neuenschwander, Sibylle Baumann, regionale Verkaufsleiterinnen bei Multiforsa und Tierarzt Remo Wyss.
Am Nachmittag folgte dann ein praktischer Input in Form einer Betriebsbesichtigung auf einem nahegelegenen Milchviehbetrieb.
Ein entscheidender Moment
Für den Stoffwechsel der Milchkuh bedeutet die Umstellung von der Galtphase zur Laktation eine grosse Veränderung. Durch den Start der Milchproduktion steigt der Bedarf der Milchkuh an Nährstoffen und Energie bedeutend stark an.
Der Übergang von der Galtkuh zum laktierenden Tier stellt dabei einen sehr entscheidenden Moment für die ganze Laktation dar. Startet die Milchkuh nicht optimal in die neue Laktation, kann dies Folgen für den gesamten nachfolgenden Produktionszyklus haben.
Der Startschuss für einen guten Start in die Laktation
Neben weiteren Punkten wie einem hohen Trockensubstanzverzehr bildet in der sogenannten Transitphase, die zwei Wochen vor der Geburt beginnt, auch das Vorbereiten auf die Kalziumbereitstellung eine wichtige Voraussetzung für einen guten Start in die Laktation. «Sie bildet den Startschuss, der extrem entscheidend ist, ob eine Milchkuh gut in die Laktation startet oder nicht», so Tierarzt Remo Wyss.
30-60 % der Kühe leiden an subklinischem Milchfieber
Während ungefähr 5 bis 10 Prozent der Kühe an klinischem Milchfieber leiden und tatsächlich festliegen, erkranken deutlich mehr Tiere, 30 bis 60 Prozent, an einer sogenannten subklinischen Hypokalzämie. Hier sind anders als beim klinischen Milchfieber keine erkennbaren Symptome sichtbar.
Risiko für Mastitis oder Ketose Achtmal so hoch
Das Milchfieber gelte jedoch nur als Spitze des Eisberges, erklärte der Fachmann. Mehrere Untersuchungen zeigten, dass das Risiko für Folgeerkrankungen bei Kühen mit subklinischem Milchfieber deutlich steigt. So besteht ein achtfach höheres Risiko für Mastitis oder Ketose und ein dreimal so hohes Risiko für ein Nachgeburtsverhalten, wenn die Kuh an einem Kalziummangel leidet.
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Möglichst wenig Kalzium füttern
Mit dem Beginn der Laktation steigt der Kalziumbedarf der Milchkuh innert kürzester Zeit massiv an, da viel Kalzium über die Milch verloren geht. Um das Risiko eines Kalziummangels zu senken, ist es daher wichtig, die Kuh während der Transitphase darauf vorzubereiten, mehr Kalzium aus dem Futter zu absorbieren und aus den Knochen zu mobilisieren.
Obwohl ein sogenanntes Kalzium-Training, das den Kalziumbedarf der Galtkuh nicht oder nur knapp deckt, mit den in der Schweiz vorhandenen Futtermitteln kaum möglich ist, ist laut Remo Wyss dennoch darauf zu achten, den Kalziumgehalt in der Galtfütterung möglichst tief zu halten, um die Versorgung nicht unnötig zu erhöhen.
Zu wenig Magnesium als möglicher Grund für Festliegen im Herbst
Neben der Kalziumversorgung ist laut Remo Wyss zudem auf eine ausreichende Magnesiumversorgung der Tiere zu achten. Denn dies spiele eine wichtige Rolle bei der Mobilisation des Kalziums aus den Knochen. Interessant sei dabei, dass Wyss im Herbst vermehrt Kühe feststelle, die an einem Festliegen leiden.
Dabei handle es sich meist um Kühe, die während der Galtzeit auf der Weide gehalten werden. Hier sei der Hund jedoch bereits weiter vorne begraben. «Ihr kennt es vermutlich alle, dass im Herbst der Harnstoffwert in der Milch gerne einmal nach oben steigt», so Wyss.
Auch bei den Galtkühen, die auf der Weide gehalten werden, kann es durch das proteinreiche Herbstgras zu einer Steigerung des Ammoniakgehalts im Pansen kommen.
«50 Gramm Salz sind auch für die Galtkuh ein Muss»
Erklärte Tierarzt Remo Wyss an der von Multiforsa organisierten Fachtagung.
Dies führe dazu, dass Magnesium weniger gut absorbiert werden könne, was wiederum eine negative Auswirkung auf die Mobilisation des Kalziums aus den Knochen habe. Natürlich sei dies aber nur ein möglicher Grund für das Festliegen im Herbst.
50 g Salz sind ein Muss
Ein weiterer Punkt, der gemäss Remo Wyss auch in der Galtfütterung zu beachten ist, ist die Natriumversorgung. «50 g Salz pro Tag sind einfach ein Muss, auch bei der Galtkuh», sagte der Tierarzt. Dabei bevorzugt Wyss die direkte Mischung des Viehsalzes in die Ration. So sei man sicher, dass jede Kuh ausreichend versorgt ist.
Phosphor ist nicht mehr so entscheidend
Während es früher hingegen oft hiess, dass die Galtkühe Phosphor-stark gefüttert werden müssen, komme man heute von dieser Theorie weg. «Heute erachtet man Phosphor als nicht mehr so entscheidend, denn wenn die Kuh Kalzium aus den Knochen löst, wird automatisch auch Phosphor frei», erklärte Wyss.
Grösstenteils zu wenig Selen im Boden
Ein weiterer Punkt hingegen, der immer wichtiger werde, sei die Selenversorgung der Galtkühe. «Die Schweiz ist ein Hotspot für knappe Selenwerte im Boden», so Wyss. Dabei spiele unter anderem auch das Selen eine wichtige Rolle, damit die Versäuberung und der Hormonhaushalt nach der Kalbung gut funktionieren würden.

