Es ist eine schöne Tradition: Wenn die Kirchdorfer Bauern mit einem grossen Alpabzug ihre Rinder von den Weiden im Gantrischgebiet abzügeln, versammeln sich an den Strassenrändern viele Schaulustige. Mittendrin die Hirtenfamilie Staudenmann von der Warmen Seite bei Sangernboden. Letzten Samstag war es wieder so weit: Mit Treichel- und Glockengeläut ging es talwärts zu. Plötzlich ist die Herde da. Völlig überraschend, besonders für all jene, die neu zugezogen oder für jene, die mit dem Auto unterwegs sind. Eine Polizeibegleitung sorgt beim Alpabzug für die nötige Sicherheit.

Ein grosser Höhepunkt

«Meine Eltern und wir sind halt mit Herzblut Älpler. Es ist unsere Leidenschaft, der Alpabzug ist jeweils ein wunderschöner Tag», sagt die Hirtin und Bäuerin Brigitte Staudenmann von der Warmen Seite. Die legendäre Alpabfahrt – dieses Jahr, mit 185 Rindern – geht durch Mark und Bein. Von der Warmen Seite aus laufen die Rinder zurück nach Kirchdorf – ganze 34 Kilometer, ganze sieben Stunden dauert der Marsch. «Alles ist gut gegangen. Kurz vor 7 Uhr sind wir zu Hause gestartet, gegen 14 Uhr kamen wir unfallfrei in Kirchdorf an», sagt Staudenmann. Dank der Verwandtschaft, den Eltern, den vielen guten Helferinnen und Helfern und natürlich dem Älplerteam, der Familie Ueli und Brigitte Staudenmann mit ihren Buben Christian und Adrian, könne man überhaupt so was noch bewerkstelligen.

[IMG 1]

Um 2 Uhr Tagwache

Eine ganze Woche dauern jeweils die Vorbereitungen: Die Treicheln müssen geputzt, der Blumenschmuck parat gemacht und natürlich muss auch die Verpflegung organisiert werden. Am Tag vor dem Alpabzug werden allen Rindern noch die Schwänze geschoren und einem Teil der Rinder schon das kleinere Geläut angezogen. «In der Nacht auf den Samstag gibt es dann für uns um 2 Uhr morgens Tagwache», erzählt Brigitte Staudenmann den Tagesablauf. Zuerst melken sie ihre Kühe, dann werden zusammen mit dem Helferteam die restlichen 110 Rinder zusammengetrieben, um ihnen den Blumenschmuck und das Treichelgeläut anzuziehen. «Wir sind mittlerweile ein eingespieltes Team», sagt die Bäuerin lachend. Nach einem reichhaltigen Frühstück geht es dann los mit dem imposanten Alpabzug. Von der Warmen Seite aus führt der Weg zuerst zehn Kilometer durch den Wald bis nach Riffenmatt. Dann geht es weiter Richtung Rüschegg Gambach, Wislisau und hinauf nach Riggisberg. Weiter nach Kirchenthurnen und hinüber nach Kirchdorf.

[IMG 2]

Seit Generationen

Für Brigitte und Ueli Staudenmann ist es mittlerweile die 17. Alpabfahrt, die sie als Hirtenfamilie mitmachen. Im Jahr 2007 haben sie die Hirtschaft Warme Seite übernommen, die der Alpgenossenschaft Kirchdorf gehört. Vorher waren es Brigittes Eltern Hans und Olga Rolli. «Meine Eltern haben hier 1970 angefangen», weiss sie zu erzählen. Sie und ihr Mann Ueli seien jetzt die vierte Generation. Neben der warmen Seite gehört auch die Alp Alpiglen im Gantrischgebiet zur Alpgenossenschaft. «Wir sömmern hier rund 250 Rinder, es kommen noch unsere eigenen dazu, insgesamt gegen 300 Stück», erzählt die Bäuerin.

Könnte ein Buch schreiben

Rund die Hälfte zügelt dann Anfang Juni auf Alpiglen, und die andere Hälfte bleibt den Sommer hindurch auf der Warmen Seite/Hellstätt. «Mein Vater Hans Rolli mit seinen 82 Jahren schaut immer noch zu den 150 Rindern, die im Alpbiglen z Bärg gehen», sagt Brigitte Staudenmann anerkennend. Nicht nur ihre Familie habe grosse Freude an diesem Tag, sondern auch der Alpvogt, die Mitglieder der Alpgenossenschaft und auch die Gustihalter freuen sich jeweils auf den Alpabzug. «Ohne sie wäre es unmöglich, so etwas überhaupt durchführen zu können, und wir möchten hiermit allen noch einmal recht herzlich danken», sagt Brigitte Staudenmann.