Das Fleischrindersymposium ist ein wichtiger Branchentreffpunkt. Tierhaltende, Forschende, Abnehmer und Verbandsmitglieder begegnen sich hier auf Augenhöhe. «Als ich vor 22 Jahren begonnen habe, war ich ein grosser Skeptiker von Label-Natura-Beef. Heute sage ich aus Überzeugung: Es ist das beste Fleisch überhaupt und funktioniert immer.» Mit dieser Aussage hatte Stefan Seiler von Bell Schweiz AG die Aufmerksamkeit der rund 80 Besucher am Plantahof. In seinem Referat zeigte er, welches Fleisch verkauft werden kann oder eben nicht. Aus Rindfleisch produziert Bell hauptsächlich Steaks und Gehacktes in allen Varianten und Formen. Fleischstücke wie Geschnetzeltes, Braten oder Voressen werden kaum mehr gekauft. Eine grosse Herausforderung für Bell sind die Konsumschwankungen während des Jahres. Jetzt wird vor allem Gehacktes gekauft, im Sommer braucht es mehr Entrecôtes und Hohrücken. Doch was geschieht mit dem Rest der geschlachteten Tiere? «Dafür haben wir in Oensingen sehr viel Geld in ein neues Tiefkühllager mit einer Kapazität von 35'000 Palettenplätzen investiert», erklärt Stefan Seiler.
Die Krux der Taxierung
Der Leiter Organisationseinheit Frischfleisch begründete, weshalb für ihn in der Fleischzerlegung ein Natura-Beef T+ mit einem Schlachtgewicht von 240 Kilogramm die bessere Wertschöpfung bringt als ein Natura-Beef C2 mit knapp 300 Kilogramm Schlachtgewicht: «Zerschneidet die Entrecôtes dieser beiden Tiere zu 2-cm-Steaks. Was geschieht?» Den Anwesenden fiel es wie Schuppen von den Augen. Das Steak des leichteren Tieres wiegt 200 Gramm und wird in der Kühlvitrine von Coop im Wert von etwa 18 Franken gut verkauft. Das Fleischstück des C-Tieres ist etwa 340 Gramm schwer und liegt preislich bei 30 Franken.
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Der Experte muss nicht erklären, dass dieses qualitativ einwandfreie Steak von den Konsumierenden aus preislichen Gründen nicht gekauft wird. Stefan Seiler lobt die gute Zusammenarbeit mit Mutterkuh Schweiz und ermutigt die Produzenten: «Mit Natura-Beef produziert ihr ein edles und gleichzeitig massentaugliches Premiumprodukt, das gut gekauft wird.»
Pioniermentalität erhalten
Daniel Flückiger ist seit Beginn dieses Jahres der neue Geschäftsführer von Mutterkuh Schweiz. Das Fleischrindersymposium war einer seiner ersten grossen Anlässe. Sein Amt hat er mit Respekt und einer Prise Humor angetreten: «Mein Vorgänger Urs Vogt führte Mutterkuh Schweiz während 35 Jahren erfolgreich. Dass ich nicht nur sprichwörtlich in grosse Fussstapfen getreten bin, realisierte ich, als ich das Auto von Urs übernommen habe. Als Erstes musste ich den Sitz nach vorne stellen», so Daniel Flückiger.
Er möchte die Pioniermentalität von Mutterkuh Schweiz weitertragen, gut Bewährtes erhalten und Veränderungen als Chance betrachten. Gleichzeitig sieht er sich mit grossen Herausforderungen konfrontiert. So wünscht der Bund bis 2050 eine Steigerung der Arbeitsproduktivität in der Landwirtschaft um bis zu 50 %. Gleichzeitig wird ein Arbeitskräfterückgang prognostiziert, in Bergregionen wie Graubünden um bis zu 20 %. Daniel Flückiger will sich für die Bauernfamilien einsetzen: «Ich möchte der Politik und den Institutionen in Bern, Zürich und Zollikofen den Blick öffnen für die Menschen auf dem Feld.»
Während Trockenheit weiden
Wie Betriebsleitende mit angepasstem Weidemanagement auf trockenere Bedingungen und extreme Wetterverhältnisse reagieren können, veranschaulichte Michael Sutter von der Hochschule für Agrar-, Forst- und Lebensmittelwissenschaften (HAFL) in Zollikofen. Der Praktiker weiss aus eigenen Erfahrungen, dass es nicht eine Patentlösung gibt, sondern je nach Betrieb verschiedene Möglichkeiten.
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Sonnen- und Schattenseiten
Berechnungen und die Erfahrungen der letzten Jahre lassen darauf schliessen, dass die mittlere Jahrestemperatur bis Mitte des Jahrhunderts um zwei bis drei Grad ansteigen wird. Die Niederschläge im Sommer werden weiterhin abnehmen, dafür im Winter um bis zu 20 % ansteigen. Zunehmen werden Wetterextreme und lokale Unwetter. Die Sommertrockenheit wird das Mittelland und den Jura wohl stärker treffen als die Berggebiete. Doch die Klimaveränderungen bringen auch positive Aspekte mit sich. So beginnt die Vegetationsperiode im Frühling je nach Region bis zu sieben Tage früher und dauert im Herbst bis zu vier Tage länger an. Auch die Anzahl Frosttage wird sich reduzieren, was das Pflanzenwachstum positiv beeinflussen wird.
Winterfütterung im Sommer
«Während des Sommers werden wir zukünftig damit rechnen müssen, dass wir aufgrund der Trockenheit dazu gezwungen sind, für zwei bis drei Wochen auf die Winterfütterung umzustellen», erklärte Michael Sutter, der selbst einen Milchwirtschaftsbetrieb im Kanton Baselland führt. Der Futteranfall auf Wiesen und Weiden ist im Frühling am grössten, man spricht vom sogenannten Futterberg. Juni bis September wird es kritisch, da auf vielen Betrieben weniger Biomasse auf den Futterflächen vorhanden ist, als die Rinderherden benötigen. Im Herbst übersteigt der Ertrag den Bedarf wiederum. Wie also kann die kritische Sommerphase überbrückt werden? Michael Sutter empfiehlt, den Frühlingsfutterberg in den Sommer «mitzunehmen» und stehende Reserven zu bilden. Um seiner Milchviehherde ältere Bestände schmackhafter zu machen, mäht er die Parzelle und lässt sie einen halben Tag anwelken. Anschliessend beweidet er die Fläche, mit gutem Erfolg.
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Weidesystem anpassen
Intensiv genutzte Weidebestände sind anfälliger auf Trockenheit. Wird eine Pflanze abgefressen, braucht sie Energie aus ihren Wurzeln, um neu auszutreiben. Je stärker die Nutzung, desto geringer ist die Wurzelmasse und dementsprechend verfügt die Pflanze über weniger Reservestoffe. Auf seinem Betrieb hat Michael Sutter viel Zeit in das Weidemanagement investiert: «Wir mussten umdenken. Heute haben wir Umtriebsweiden mit mehreren Koppeln. Die Besatzzeit halten wir kurz, bei einer Pflanzenhöhe von 5 Zentimetern wird die Koppel gewechselt.»
Weniger trockenheitsanfällige Koppeln können intensiver beweidet werden. Ob im Tal oder auf der Alp, wenn möglich sollte den Weiden während der Sommermonate eine Ruhezeit von mindestens drei Wochen gegönnt werden.
Trockenheitstoleranter Mix
Bei der Wahl der Weidemischung empfiehlt es sich, auf verschiedene Mischungen zu setzen. Dadurch kann das Risiko eines Komplettausfalles vermindert werden. Dasselbe Prinzip bewährt sich auch im Futterbau. Luzerne ist die Futterpflanze mit der höchsten Trockenheitstoleranz, gefolgt von Rohrschwingel und Rotklee. Auch im Anbau von Zwischenfuttern sollte die Trockenheitstoleranz bei der Saatgutwahl berücksichtigt werden.
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Mit einem Zwischenfutter können zwar nicht die besten Nährwerte erreicht, jedoch das Futter gestreckt werden. C4-Pflanzen wie Sorghum oder Mais verfügen über einen speziellen Stoffwechsel, dadurch sind sie weniger trockenheitsanfällig. Während Sorghum in Zwischenfuttern eingesetzt wird, sollte Mais gezielt als Notvorrat angelegt werden. Bei Futterengpässen im Spätsommer kann der Mais grün verfüttert werden.
«Ich trete wortwörtlich in grosse Fussstapfen.»
Daniel Flückiger, neuer Geschäftsführer von Mutterkuh Schweiz.
«Der Verlust des Jahresertrages ist nach Trockenheit minim»
Trockenstress-Experimente von Agroscope haben ergeben, dass nach einem Monat Trockenheit noch nicht mit Ertragsverlusten in Wiesenbeständen zu rechnen ist. Nach zwei Monaten sieht die Situation anders aus, beispielsweise zeigte Englisches Raigras einen Ertragsrückgang von bis zu 80 % an. Rot- und Weissklee konnten sich deutlich besser behaupten, ihre Biomasse reduzierte sich um weniger als 40 %. Erstaunlicherweise ist der Verlust des Jahresertrages jedoch minim, da sich vor allem die Gräser sehr schnell erholen, sobald Niederschläge wieder einsetzen.
Mehr Masse, mehr Reserven
Je höher der Wurzelbiomassenanteil, desto mehr Reserven können die Pflanzen im Boden speichern. Dadurch verfügen die Gräser über mehr Energie, um wieder auszutreiben, sobald der Regen einsetzt. Da Leguminosen Stickstoff aus der Luft fixieren können, ist es für Kleearten bei trockenem Boden länger möglich, ihren Nährstoffhaushalt aufrechtzuerhalten. Aus den Versuchen lässt sich ableiten, dass Ertragsverluste durch Trockenheit im Sommer durch die Folgeaufwüchse im Herbst ganz oder zumindest teilweise kompensiert werden können und die Nährwerte (NEL-/NEV-Werte) nur gering verändert werden. Zudem zeigen Wiesen und Weiden ein grosses Regenerationspotenzial, wenn sie nicht zu intensiv genutzt werden.
Fleisch aus Gras?
Ob man sich für einen Mastbetrieb oder die Mutterkuhhaltung entscheidet, ist auch eine Frage der Betriebsphilosophie, der Gegebenheiten und der eigenen Leidenschaft. Doch auch wirtschaftliche Aspekte sind wichtig und müssen bei der Wahl für die eine oder andere Haltungsart mitberücksichtigt werden.
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Christian Gazzarin beschäftigte sich in der Forschungsarbeit von Agroscope mit der Wirtschaftlichkeit von Mutterkuh- und Rindermastbetrieben aus dem Berg- und Talgebiet. Vor allem im Berggebiet wird die Mutterkuhhaltung extensiv betrieben, was zur Folge hat, dass die Flächenproduktivität (kg SG pro ha HFF) geringer ausfällt. Pro Hektare Futterfläche wird weniger als 200 Kilogramm Schlachtgewicht produziert. Je weniger Fläche den Betrieben zur Verfügung steht, desto höher wird die Produktivität durch Futtereinkäufe. Umso intensiver wird die Haltung, was vor allem auf Talbetriebe zutrifft. Nach eingehender Analyse der Buchhaltungsdaten konnte Christian Gazzarin feststellen, dass aus wirtschaftlicher Sicht auf den extensiven Bergbetrieben der Ertrag aus den öffentlichen Leistungen stärker ins Gewicht fällt. Die Produktivität in der Fleischproduktion ist für diese Betriebe finanziell zweitrangig.
Mast: Gross vor Klein
Intensive, konventionelle Mastbetriebe generieren eine hohe Flächenproduktivität und können bis zu 1200 Kilogramm Schlachtgewicht pro Hektare Hauptfutterfläche erreichen. In der Regel sind dies Talbetriebe mit Maisanbau und hohen Kraftfuttereinsätzen. Ab einer Grösse von 100 Mastplätzen ist diese Haltungsform finanziell interessant und auch bei tieferen Marktpreisen und weniger Direktzahlungen kostendeckend, für kleinere Betriebe jedoch wirtschaftlich problematisch. Gleichzeitig betont Christian Gazzarin: «Die konventionelle Mast ist nicht nur eine ganz andere Haltungsform, es ist auch die Produktion eines anderen Lebensmittels. Natura-Veal und Natura-Beef sind ‹Fleisch aus Gras›-Produkte. Das trifft nicht auf konventionelle Mastbetriebe zu.» Welches Produkt schliesslich gekauft wird, entscheiden die Konsumierenden.
Berg: Extensiv vor Intensiv
Die Berggebiete sind prädestiniert für die extensive Fleischproduktion. Sie leisten einen nicht zu unterschätzenden Beitrag zur Erhaltung unseres Landschaftsbildes und die Biodiversität hat einen hohen Stellenwert. Durch Direktzahlungen werden diese Leistungen an der Allgemeinheit entschädigt. Gleichzeitig sind die Produktionskosten in der Mutterkuhhaltung infolge der tiefen Produktivität sehr hoch.
Eine intensivere Haltung würde jedoch wenig Sinn ergeben, da sie nur durch (Kraft-)Futterzukauf möglich wäre und dies wiederum negative Auswirkungen auf die finanzielle Situation hätte. Je besser die Futtergrundlage im Berggebiet, desto schwerer werden die Masttiere. Natura-Veal-Fleisch wird daher eher in der Bergzone III und IV produziert, in tieferen Lagen setzt man auf die Produktion von Natura-Beef.
Tal: Weidemast vor MuKu
Die Datenanalyse der Talbetriebe hat ergeben, dass mit einer spezialisierten Weidemast die besseren wirtschaftlichen Ergebnisse erzielt werden können als mit Natura-Beef aus Mutterkuhhaltung. Dies ist hauptsächlich auf die spezialisierten Systeme und die hohe Arbeitseffizienz der Mastbetriebe zurückzuführen. Es erstaunt nicht, dass ein direkter Zusammenhang zwischen besserer Arbeitseffizienz und höherem Stundenlohn besteht. Im Talgebiet mit guten Grundfuttervoraussetzungen sollte in der Mutterkuhhaltung die Produktivität im Vordergrund stehen und das Potenzial für intensive Natura-Veal-Produktion mit zwei Kälbern pro Jahr ausgeschöpft werden.