Ein Besuch bei zwei besonderen Nachbarn: Der dritte Ostschweizer Direktvermarkter-Stamm führte Ende August nach Stein im Kanton Appenzell Aus­serrhoden auf den Landwirtschaftsbetrieb von Sepp Dähler und nur ein paar Schritte weiter durchs regennasse Gras zum Grundstück seines Nachbars, Klaus Signer.

Beide haben gemeinsam, dass sie im Weiler Blindenau je eine Nische bewirtschaften und diese erfolgreich direkt vermarkten. Während Landwirt Dähler Bier einsetzt, um Fleisch von hoher Qualität zu produzieren, züchtet Signer einen Steinwurf entfernt in seinen Naturweihern Forellen und Edelkrebse.

Die Tier erhalten täglich eine Bier-Massage

Auf den Hof Blindenau kam das Bier vor 26 Jahren, nachdem Sepp Dähler zusammen mit seiner Frau den damaligen Milchviehbetrieb der Eltern übernommen hatte. Damals begann er auch, für die Brauerei Locher Getreide anzubauen. Eines Tages kam Brauereileiter Karl Locher mit der Anregung, den Kälbern nach dem Vorbild der japanischen Kobe-Rinder Bier zu verabreichen, um eine besonders gute Fleischqualität zu erhalten. Sepp Dähler griff die Idee auf und begann, das Rindvieh mit Brauereinebenprodukten wie Biertreber zu füttern, zweimal täglich mit Bierhefe zu massieren und mit Biervorlauf zu tränken. 

Die spezielle Behandlung behielt er fortan bei und nannte sie «Kabier», eine Wortschöpfung, die sich aus den Wörtern «Kalb» und «Bier» zusammensetzt. «Die Tiere mögen die bittere Futterration», so Dähler. Zwar ist sie leicht alkoholhaltig, doch laut dem Landwirt wird der Alkohol nachweislich im Pansen abgebaut, der Promillegehalt im Blut beträgt gleich null. Mit dieser Art der Fütterung, die unter anderem mit eigenem Heu ergänzt wird, werden die Tiere mit einer Vielzahl an Proteinen, Vitaminen und Mineralstoffen versorgt.

Die Massage fördert zudem das Wohlbefinden und schützt vor Parasiten. Alles Voraussetzungen für eine gute Fleischqualität. Zu jener trägt auch bei, dass hier seit 2020 Hofschlachtungen durchgeführt werden, was für die Tiere weniger stressig ist. 

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Die Premiere im 4-Sterne-Hotel

Milchvieh ist auf Sepp Dählers Hof nicht mehr zu finden. Dafür hält er auf dem heutigen Betrieb mit 12 Hektaren und einem Freilaufstall rund 30 Mastkälber und -rinder. Dabei handelt es sich um Kreuzungen zwischen jeweils einer Braunviehkuh und einem Stier einer Fleischrasse, etwa Angus, Limousin, Wagyu, Hereford oder Charolais. Weitere 20 Kabier-­Tiere lässt er von einem befreundeten Betrieb in der Gegend aufziehen. 

Erstmals lanciert wurde das Fleisch der Kabier-Rinder 1999 im 4-Sterne-Hotel Hof Weissbad im Kanton Appenzell Innerrhoden. So konnten Dählers von Anfang an auf Spitzengastronomen zählen. Zur Kundschaft gehören inzwischen Restaurants in der ganzen Schweiz, so etwa in St. Moritz, Arosa, Zermatt sowie in der Region Zürich, Basel und Genf. «Wir legen Wert auf persönlichen Kontakt», betont der Appenzeller. «So rufe ich die Kunden jeweils an, um sie darüber zu informieren, wenn demnächst frisches Kabier erhältlich ist.»

Nebst der Gastronomie beliefert er auch Privatkunden. Da ihm das Nose-to-Tail-Prinzip ein wichtiges Anliegen ist, verkauft er das Fleisch in Mischpaketen. Zudem stehen Würste im Angebot, die Innereien nimmt ein Restaurant ab und Fleischabfälle werden zu Hundenahrung verarbeitet. 

Sie waren einst klein gestartet

Auch die Felle werden verkauft, als Ganzes oder verarbeitet. «Damit zeigen wir, dass man aus dem ganzen Tier etwas machen kann», so Sepp Dähler. Zum Sortiment gehört auch das Fleisch der Freilandschweine, die ebenfalls auf dem Hof gehalten werden. Die Vermarktung sämtlicher Produkte läuft über Bestellungen. «Ein Hofladen etwa wäre keine Alternative, dazu sind wir zu abgelegen», stellte der Bauer fest.

Das heisst jedoch nicht, dass Besucher(innen) nicht willkommen wären: Auf dem Betrieb werden Führungen, Koch-Grill-Kurse und Themenanlässe durchgeführt. Einst kam auch ein japanischer Koch her, um Kabier nach seiner Kunst zuzube­reiten. 

«Es ist von Vorteil, dass wir langsam in eine Nische hineingewachsen sind», resümierte Dähler. «Wir konnten zunächst im kleinen Rahmen Neues ausprobieren.»

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Vom Kieswerk zum Naturweiher

Nachdem das Kieswerk von Klaus Signers Grossvater in Stein vor 40 Jahren geschlossen wurde, blieben mehrere Weiher übrig. Diese wurden zusammen mit den umliegenden Sumpfgebieten als Amphibienlaichgebiet von nationaler Bedeutung aufgelistet. Die Natur mit einer Vielfalt von Pflanzen- und Tierarten kehrte nach und nach zurück. 1998 hatte Klaus Signer die Idee, inmitten dieser Umgebung eine Fischzucht aufzuziehen. «Dem kam entgegen, dass die Weiher über eine natürliche Grundwasserquelle verfügen», erzählte der Appenzeller am Direktvermarkter-Stamm. 

Heute leben in den Weihern zigtausende Bachforellen und Zander. Diese ernähren sich zu einem Grossteil von kleineren Fischen wie Schleien, Rotfedern, Rotaugen und Weissfischen, die sich in den pflanzenreichen Naturweihern im Nu vermehren. Weitere Teichbewohner sind Schweizer Edelkrebse, die vom Aussterben bedroht sind. Einst wurden diese in grossen Mengen gefangen. «Die Krebse kommen hier natürlich vor», so Signer und präsentiert ein munteres, etwa 15 cm gros­ses Männchen, das er auf ein Alter von etwa 10 Jahren schätzt.

Wie viele Krebse in den Teichen leben, weiss Signer nicht, es sind wohl Tausende. Jedes Jahr gibt es eine Vielzahl von Jungen, die zum Teil auch den Forellen und Zandern zum Raub fallen. «Hat sich eine Bachforelle von Krebsen ernährt, ist dies an ihrem roten Fleisch zu erkennen», verrät der Fischzüchter.

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Vermarktung über privates Kundennetz

Für Klaus Signer, Inhaber einer Reinigungsfirma, ist die Fisch- und Krebszucht ein Hobby. Daran beteiligt sind auch seine Frau und die beiden erwachsenen Töchter. Sie pflegen die Weiherlandschaft mit der über die Jahrzehnte entwickelten Fauna und Flora. Dabei sind sie stolz auf das saubere Wasser, das man trinken kann. An manchen Samstagen werden die Netze ausgeworfen und Bachforellen gefangen.

Diese werden innerhalb von ein, zwei Stunden ausgenommen und anschliessend sofort schockgefroren. «Fisch schmeckt am besten, nachdem er vier Tage im Kühlschrank war oder tiefgefroren wurde», so Signer. Die Forellen – und manchmal auch Krebse – verkauft er an sein privates Kundennetz. Zudem bietet er auf seinem Grundstück Führungen und Apéros an. 

Weitere Informationen: www.kabier.ch | www.forelleundkrebs.ch