«Ich bin momentan zu Hause», erklärt Schafälpler Ale Ulrich am Telefon. Dass sich der erfahrene Älpler aktuell im Tal aufhält, ist ziemlich aussergewöhnlich. Die letzten 43 Sommer verbrachte der Muotathaler bisher immer auf der auf gut 2000 Meter über Meer gelegenen Erigsmatt, die im Besitz der Oberallmeindkorporation Schwyz (OAK) ist. Zusammen mit seiner Familie betreut Ale Ulrich auf dieser Hochebene neben der Glattalp in den Monaten Juli und August normalerweise jeweils rund 1200 Schafe von rund einem Dutzend Schafbauern. Vor der Alpzeit auf der Erigsmatt hütet er die Herde während rund vier Wochen auf der Vorweide Hobacher in Oberiberg.
Vermehrt hinkende Tiere
Doch dieses Jahr ist alles anders. Nach mehreren Moderhinke-Fällen auf der Vorweide musste Ale Ulrich in Absprache mit dem Veterinäramt der Urkantone (VdU) und der OAK alle Schafe wieder auf die Heimbetriebe zurückschicken. «Rund drei Wochen nach dem Auftrieb auf die Vorweide beobachtete ich vermehrt hinkende Tiere, welche die typischen Moderhinke-Symptome aufwiesen», erklärt der Schafälpler. Die Laboruntersuchungen bestätigten seinen Verdacht, mehrere Proben waren positiv, sprich die Tiere waren mit der schmerzhaften und ansteckenden Klauenerkrankung infiziert. Die betroffenen Tiere stammten gemäss Kantonstierarzt Marco Gut aus mehreren Beständen.[IMG 3]
Charetalp Herde auch betroffen
Nicht nur bei der Schafherde der Alp Erigsmatt gab es positive Proberesultate, auch unter den 950 Schafen, welche die nächsten rund acht Wochen auf der benachbarten Charetalp verbringen sollten, gab es Tiere, die positiv auf Moderhinke getestet wurden. Diese Schafe müssen jedoch nicht auf die Heimbetriebe zurückgehen, weil auf der Vorweide in der Altmatt in Rothenthurm die Möglichkeit besteht, die Sanierung der Schafe auf der vorhandenen Infrastruktur mit befestigtem Platz und Schafbad durchzuführen. Bereits am vergangenen Samstag wurden allen Schafen die Klauen geschnitten. Anschliessend verbrachten die Tiere mindestens zehn Minuten im Klauenbad. In der Altmatt hat es zudem auch noch ausreichend Weidefutter.
Proben ab Mitte Juli
Bei der Erigsmatt-Schafherde hingegen ist die Situation anders. Da auf der Vorweide im Hobacher kein Futter mehr vorhanden ist und die Sanierung mit einer so grossen Zahl von Tieren an diesem Standort eine enorme Herausforderung wäre, beschlossen der Älpler und die Verantwortlichen der OAK und des VdU, die Moderhinke-Sanierung auf den Heimbetrieben durchzuführen. Die betroffenen Talbetriebe sind nun bis zu einer erfolgreichen Sanierung gesperrt. Dies bedeutet, dass jeglicher Tierverkehr mit Schafen auf diesen Betrieben verboten ist. Gemäss Kantonstierarzt Marco Gut könnten die Bestände nach der Sanierung, also frühestens ab Mitte Juli, wieder amtlich beprobt werden.
Hoffen auf Auftrieb
Ale Ulrich und seine Familie haben intensive Tage hinter sich. Nur zu gerne würden sie auf die Erigsmatt auffahren. «Jetzt unterstütze ich die betroffenen Schafbauern bei der Sanierung der Schafherden und hoffe, dass wir gegen Ende Juli doch noch auf die Erigsmatt auffahren können», so Ale Ulrich. Die Landwirte hätten trotz des enormen Mehraufwandes grösstenteils Verständnis für diese Massnahme gehabt, obwohl die Schafhaltung im Tal in der aktuellen Hitzephase für Mensch und Tier anspruchsvoll sei.
Interview mit dem Kantonsarzt Marco Gut
Über 2000 Schafe der Alpen Charetalp und Erigsmatt müssen infolge der Moderhinke im Tal bleiben. Gibt es erste Erkenntnisse, wie es trotz der laufenden nationalen Moderhinke-Sanierung zur Infektion kam?
Marco Gut: Das Programm zur schweizweiten Bekämpfung der Moderhinke hat am 1. Oktober 2024 gestartet. Die Prävalenz konnte von 20 Prozent zu Beginn bereits auf 12 Prozent am Ende der ersten Untersuchungsperiode gesenkt werden. Dass es einige Reinfektionen gibt, kommt nicht unerwartet. Mit fortschreitender Reduktion der Prävalenz im Laufe des Programms sinkt jedoch das Risiko von Reinfektionen, da je länger, desto weniger Quellen des Erregers vorhanden sind. Aufgrund von zwei Verdachtsmeldungen wurden letzte Woche in den erwähnten Schafherden Proben genommen und auf Moderhinke untersucht. Das Bakterium konnte in den Proben nachgewiesen werden. Die betroffenen Schafherden müssen nun saniert und nochmals amtlich beprobt werden. Es handelt sich um Tiere aus verschiedenen Herkunftsbetrieben. Wie das Bakterium eingeschleppt wurde, wird kaum herauszufinden sein. Dies kann direkt über Tiere oder indirekt über Transportfahrzeuge, Kleidung, Werkzeuge oder Ähnliches erfolgt sein.[IMG 2]
Wurden die Tiere der betroffenen Schafalpen neben der Beprobung im Rahmen der laufenden nationalen Moderhinke-Sanierung vor dem Alpauftrieb noch zusätzlich beprobt?
Die Bestände durchliefen in der Untersuchungsperiode die vorgeschriebenen Untersuchungen. In einzelnen Fällen erfolgten noch zusätzliche Beprobungen.
Die Sanierung der Charetalp-Herde wird nicht auf den Heimbetrieben gemacht, sondern erfolgt auf der Vorweide in Rothenthurm. Was sind die Herausforderungen?
Die OAK und der Veterinärdienst arbeiten eng zusammen. Dass es sich um eine sehr grosse Anzahl Tiere handelt, ist für alle Beteiligten sehr herausfordernd. Da auf der Vorweide in Rothenthurm die notwendigen Einrichtungen vorhanden sind und dadurch die erforderliche Biosicherheit für eine erfolgversprechende Sanierung gewährleistet werden kann, wurde eine Sanierung an einem anderen Ort als dem Heimbetrieb in Betracht gezogen.
Wie sieht der Sanierungsplan aus? Wie realistisch ist es, dass heuer noch Schafe auf die beiden Alpen aufgetrieben werden können?
Die Bestände können nach einer Sanierung, jedoch frühestens ab Mitte Juli, wieder amtlich beprobt werden. Negativ getestete Herden können dann umgehend wieder in die Sömmerung.
Was sind die bisher wichtigsten Erkenntnisse aus der laufenden nationalen Moderhinke-Sanierung?
Damit eine Sanierung gelingt und die Herde anschliessend negativ bleibt, ist die Biosicherheit zentral. Der Erreger kann nicht nur direkt über Tiere, sondern auch indirekt übertragen werden. Der Erreger kann wochen- bis monatelang auf Material und Weiden überleben und die Tiere anschliessend wieder anstecken. Wichtige Massnahmen sind deshalb:
Bei der Sanierung nicht nur auf die Durchführung der Klauenbäder achten. Genauso wichtig sind der Klauenschnitt und die Biosicherheit. Also zum Beispiel das Verbringen der Tiere nach dem Bad auf eine befestigte Fläche zum Abtrocknen der Klauen und das darauf folgende Einstallen in saubere Ställe beziehungsweise auf Weiden, die mindestens vier Wochen nicht mit Schafen bestossen wurden. Sehr wichtige Punkte sind auch die Desinfektion von Werkzeugen und Stiefeln, das Reinigen der Kleider und Hände und die Entsorgung von Klauenhorn über den Hauskehricht.
Den Schafstall nur mit sauberen Kleidern, Stiefeln und Händen betreten. Unnötiges Betreten des Stalls durch Drittpersonen, wenn möglich, vermeiden. Nur gereinigtes und desinfiziertes Material beziehungsweise Transportfahrzeuge verwenden.
Tiere nur auf Weiden, Wegen und Plätzen verbringen, auf denen sich in den letzten Wochen keine möglicherweise mit Moderhinke infizierten Schafe befanden.
Interview Reto Betschart
Situation im Aargau und Luzern
Zwischen Oktober 2024 und März 2025 hätten Tierärztinnen und Tierärzte im Kanton Aargau gemäss Veterinärdienst 576 Schafherden negativ und 123 Herden positiv auf Moderinke getestet. Bisher hätten die Tierhalterinnen und Tierhalter 53 Herden erfolgreich saniert. Die restlichen Herden habe der kantonale Veterinärdienst für den Tierverkehr gesperrt. Im Kanton Luzern wurden seit dem Start der nationalen Moderhinke-Sanierung ca. 22 Prozent der Schafbetriebe positiv auf Moderhinke getestet, was in etwa den vor Bekämpfungsbeginn prognostizierten Zahlen entspreche, so Kantonstierarzt Martin Brügger, Leiter der Dienststelle Veterinärdienst. Mittlerweile seien im Kanton Luzern noch ca. vier Prozent der Betriebe positiv beziehungsweise noch nicht erfolgreich saniert. Bei diesen Betrieben sei der Tierverkehr nach wie vor gesperrt.