Welche Auswirkungen haben landwirtschaftliche Produktionsmethoden auf das Klima? Wie werden sie gemessen und welche Massnahmen lassen sich daraus ableiten? Diese Fragen bildeten einen Schwerpunkt am Nordwestschweizer Mutterkuhtag auf der Liebegg. Mathilde Hans-Moëvi, Leiterin Labelproduktion und Nachhaltigkeit, orientierte über das Projekt «Weidefleisch und Klima» von Mutterkuh Schweiz. «Wir wollen wissenschaftliche Erkenntnisse sammeln und die agrarpolitische Diskussion mitbestimmen», sagte sie. Dem Vorstand gehe es darum, die Leaderposition bezüglich Nachhaltigkeit in den Markenprogrammen zu festigen.
Das passende Tool finden
In einem zweiten Referat stellte Christjohannes Gilli das Projekt «Klimaneutrale Landwirtschaft Graubünden» vor. Hier wurden in einem ersten Schritt bei 52 Betrieben detailliert die negativen und die positiven Treibhausgaseffekte erfasst. Treibhausgasemissionen stehen im gesellschaftlichen Fokus. Das betrifft auch die Landwirtschaft. Aber: «Die Kuh ist kein Klimakiller», betonte Mathilde Hans-Moëvi. «Das Tier und damit auch die Emissionen sind Bestandteil eines natürlichen Kreislaufes.» Die Klimawirkung bilde zwar nur eine von mehreren Nachhaltigkeitssäulen bei Mutterkuh Schweiz. Trotzdem will der Vorstand dem Thema auf den Grund gehen, Betriebsdaten analysieren und Verbesserungspotenziale orten. Aktuell prüft man drei verschiedene Nachhaltigkeits- beziehungsweise Klima-Tools zur Erhebung der Treibhausgasemissionen. Im Aufbau befindet sich ein Tool von bio.inspecta. Um es weiterzuentwickeln, werden zusätzliche Mutterkuhbetriebe gesucht. Die Ergebnisse lassen zurzeit noch keine definitiven Aussagen zu. Bei den Bruttoemissionen zeichnet sich eine Tendenz ab: Bezogen auf ein Kilogramm Lebendfleisch fallen desto weniger Emissionen an, je mehr Fleisch produziert wird. Die Referentin macht sich allerdings dafür stark, bei der Klimabilanz die Nettoemissionen auszuweisen, also die CO2-Speicherungen in Böden und Pflanzen ebenfalls zu berücksichtigen. Ferner wies sie darauf hin, dass in der Mutterkuhhaltung die Klimawirkung bereits in den letzten Jahren um 3 bis 10 Prozent reduziert wurde. Dies dank längerer Nutzungsdauer und höherer Produktivität: So hat 2017 gegenüber 2012 eine Kuh durchschnittlich ein Kalb mehr geboren und das Schlachtgewicht nahm ohne höheren Input um rund 6 Kilogramm zu.[IMG 2]
Bündner Pilotprojekt zur klimaneutralen Produktion von Lebensmitteln
In Graubünden wurde im Jahr 2020 als dem ersten Kanton ein Projekt zur klimaneutralen Produktion von Lebensmitteln aufgegleist. Für die Pilotphase (bis 2025) hatten sich 135 Betriebe beworben, 52 wurden ausgewählt. In den darauffolgenden fünf Jahren ist angedacht, die ganze Bündner Landwirtschaft einzubeziehen. Der Kanton alimentiert die Pilotphase mit 6,4 Millionen Franken. Sie ist unterteilt in einen Förderbereich A (Pflicht) und B (freiwillige Massnahmen). Im Förderbereich A sind die Betriebe zur Bilanzierung verpflichtet. Er umfasst ausserdem Ausbildung, Arbeitskreise und Tagungen. Der Aufwand für die Arbeitszeit wird entschädigt. Rund zwei Drittel des Budgets entfallen auf den Förderbereich B. Hier konnten alle Beteiligten Einzelprojekte zur Reduktion von Treibhausgasen einreichen. Von über 70 Anträgen unterstützte die Projektleitung 57, verteilt auf zwölf verschiedene Massnahmen (wie Agroforst, Kompostierung, Humusaufbau usw.).
Lösung für Praxis aufzeigen
Christjohannes Gilli ist Landwirt, arbeitet in einem Teilpensum beim Maschinenring Graubünden und ist dort mitverantwortlich für das Projekt. «Wir wollen praxistaugliche Lösungen aufzeigen, wo und wie Betriebe die Treibhausgasemissionen senken und ihre Resilienz gegenüber dem Klimawandel stärken können», erklärte er. Grundlage dazu bildet die Bilanzierung. Das Modell berücksichtigt nicht nur die negativen Emissionen (aus Vorleistungen, Böden, Tierhaltung, Energieverbrauch), sondern auch die positiven (Kohlenstoffspeicherung). Um Vergleiche zwischen Betriebszweigen und Produkteinheiten zu ermöglichen, werden die Gesamtemissionen entsprechend aufgeschlüsselt. «Unser Hauptanliegen ist es, dass die Landwirte ihre Betriebe aus einem andern Blickwinkel, sozusagen durch die Klimabrille, betrachten.»
Schwierige Vergleiche
In der Bündner Klimabilanz schneidet Rindfleisch aus Mutterkuhhaltung schlechter ab als jenes aus Milchproduktion (siehe Tabelle). Für Gilli nicht weiter verwunderlich: «Beim Milchvieh ist Fleisch ein Koppelprodukt, die Emissionen verteilen sich auf Milch und Fleisch.» Ausserdem sei hier ausschliesslich die Klimawirkung berücksichtigt. Die Nachhaltigkeit insgesamt beinhalte indes zahlreiche weitere Faktoren, bei denen die Mutterkuhhalter punkten. Wie seine Vorrednerin plädierte auch Praktiker Gilli dafür, den Blick vermehrt aufs Ganze zu richten. «Nahrungsmittelproduktion ist nicht ohne Emissionen möglich. In einem vielfältigen System haben alle Betriebssysteme ihre Berechtigung.» Als zielführend dazu erachtet er insbesondere eine standortangepasste Landwirtschaft.
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Mehr Geld verdienen mit Mutterkühen
Was machen die besten Betriebe mit Mutterkühen besser? Darüber referierte Christian Gazzarin von Agroscope am Nordwestschweizer Mutterkuhtag. Und lieferte die Antworten aufgrund einer Stichprobe von 42 Betrieben, bei denen die Vollkosten analysiert und produktionstechnische Daten erhoben wurden. So erzielen die besten Betriebe höhere Markterlöse, bewirtschaften etwas mehr Fläche, bekommen so mehr Direktzahlungen, setzen weniger Kraftfutter ein, haben eine bessere Arbeitseffizienz und tiefere Maschinenkosten.
Unterschiede je Standort
Bei den Optimierungspotenzialen sei auf standortangepasste Mutterkuhhaltung zu achten. So lässt sich auf Bergbetrieben, welche auf extensive Natura-Veal-Produktion setzen, die Wirtschaftlichkeit verbessern durch eine angepasste Genetik (tiefere Lebendgewichte) und den Einsatz von Stieren mit guter Fettabdeckung. In Hügelregionen mit intensiver Natura-Veal-Produktion liege das Potenzial bei einer verbesserten Kuhproduktivität. So wenn beispielsweise bei konstanter Hauptfutterfläche mehr Kälber zugekauft werden. In Grünlandregionen im Talgebiet lassen sich die Einkommen durch bessere Kuhproduktivität ganz markant steigern. So wenn beispielsweise von Natura-Beef auf Natura-Veal intensiv mit leichteren, aber bei konstanter Hauptfutterfläche mehr Kühen gesetzt wird. In ackerfähigen Talregionen mit Ausmast-Beef liege ein Potenzial beim Zukauf von Weideremonten, sodass die Einkommen bei konstanter Hauptfutterfläche dank mehr Kälbern pro Kuh steigen.
Fett bringt Aroma
Gazzarin stellte ferner Versuchsresultate von Entrecôte-Fleischproben aus allen Produktionsprogrammen und Regionen vor. Beurteilt wurden Saftigkeit, Aroma und Zartheit. Dabei zeigten sich kaum Unterschiede je nach Schlachtalter, regionaler Herkunft (Berg, Hügel) der Beef und Natura-Veal. Hingegen schmeckte Premium-Beef signifikant intensiver als Natura-Beef. Und Fleisch mit einer höheren Fettabdeckung hat eine höhere Aromaintensität. js