«Je gesünder die Tiere, desto weniger Antibiotika wird eingesetzt, was sich grundsätzlich günstig auf die Entwicklung von Antibiotikaresistenzen auswirkt», sagt das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV). Deshalb seien Massnahmen zur Vorbeugung von Krankheiten zentral. Laut BLV gehören dazu: optimales Management wie gute Hygiene, bedarfsgerechte Fütterung und geeignete Haltungsbedingungen. Alternative Behandlungsmethoden werden vom Bund nicht explizit erwähnt, haben in den Ställen aber dennoch Einzug gehalten. Während Homöopathie bereits in viele Stallapotheken gehört, ist die Behandlung mit sogenannten Nosoden viel weniger bekannt. Beides sind Teilbereiche der homöopathischen Medizin. Sie unterscheiden sich aber in Anwendung und Grundlagen.

Grundprinzip der Homöopathie

Homöopathie basiert auf dem Prinzip «Ähnliches möge durch Ähnliches geheilt werden». Dahinter steht die Überzeugung, dass eine Substanz, die in grossen Mengen bestimmte Symptome verursachen kann, in stark verdünnter Form zur Behandlung dieser Symptome eingesetzt wird. Zum Beispiel wird Coffea, (aus den ungerösteten Kaffeebohnen der Kaffeepflanze gewonnen) verwendet, um Schlaflosigkeit zu behandeln, da Kaffee in unverdünnter Form Schlaflosigkeit verursachen kann.

Herstellung und Anwendung

Homöopathische Mittel werden durch Potenzierung von Ausgangssubstanzen wie Pflanzen, Mineralien oder Tieren hergestellt. Dabei werden diese wiederholt verdünnen und verschüttelt. Diese Mittel sind meist so stark verdünnt, dass oft keine Moleküle der ursprünglichen Substanz mehr nachweisbar sind. Das ist auch der Grund, warum sie, angewendet bei Nutztieren, nicht im Behandlungsjournal nicht eintragen müssen – sie sind nicht nachweisbar.

Homöopathische Mittel kommen bei der Behandlung einer Vielzahl von akuten oder chronischen Krankheiten zum Einsatz. Die Auswahl des Mittels basiert zum einen auf den spezifischen Symptomen, hängt aber immer auch vom Allgemeinzustand des Tieres ab.

Grundprinzip der Nosoden

Nosoden sind eine spezifische Art von homöopathischen Mitteln. Sie werden aus «krankheitsbezogenem» Material hergestellt. Das bedeutet, dass sie direkt aus Krankheitserregern, pathologischen Sekreten oder aus Gewebe gewonnen werden. Die Idee hinter Nosoden ist, dass dieses pathologische Material in verdünnter Form therapeutisch wirken kann.

Herstellung und Einsatz

Die Herstellung von Nosoden erfolgt, analog anderen homöopathischen Mitteln, durch Potenzierung des Ausgangsmaterials. Das Ausgangsmaterial wird jedoch speziell aus pathologischen Proben gewonnen, die möglicherweise Krankheitserreger oder deren Toxine enthalten. Beispiele sind Blut, Eiter oder Krankheitserreger wie Bakterien, Viren oder Pilze.

Nosoden werden gerne zur Prävention und Behandlung von spezifischen chronischen oder wiederkehrenden Infektionen eingesetzt. Daher wird auch gerne von Impfung gesprochen, obschon dieser Begriff hier nicht korrekt angewendet wird. Ein wichtiges Ziel in ihrer Anwendung ist aber, das Immunsystem zu stimulieren und damit eine spezifische Immunantwort auszulösen. Sie kommen aber auch bei akuten oder chronischen Infektionen zum Einsatz, wie zum Bei-spiel bei Mastitis-Infektionen (siehe Kasten unten).

Im Behörden-Dschungel

Nosoden werden in der Schweiz nicht mehr hergestellt. Das heisst nicht, dass sie nicht mehr erhältlich sind oder ihr Einsatz gar verboten wäre. Wer sich auf die Suche nach der Zulassung begibt, merkt alsbald, dass die Recherche für den täglichen Gebrauch im Stall einem Gang in den Dschungel gleicht.

Klar ist: Alle zugelassenen Tierarzneimittel sind auf der Internetsite von Swissmedic, dem Schweizerischen Heilmittelinstitut, gelistet. Dort kann auch differenziert werden, ob es sich z. B. um ein Tierarzneimittel mit einem synthetischen oder mit einem pflanzlichen Wirkstoff handelt. Einige Tierarzneimittel sind dort als «Komplementärarzneimittel ohne Indikation im Meldeverfahren» zugelassen. Alle in der Schweiz zugelassenen Tierarzneimittel (auch die im Meldeverfahren zugelassenen) sind mit dem Zusatz «ad us. vet.» gekennzeichnet. Dieser Zusatz ist Teil der Arzneimittelbezeichnung und muss auf der Verpackung der Tierarzneimittel und in der Tierarzneimittelinformation aufgeführt sein.

Wie Swissmedic auf Anfrage erklärt, dürfen verwendungsfertige Arzneimittel (unter diesem Begriff sind immer Human- und Tierarzneimittel zu verstehen) generell nur in Verkehr gebracht werden, wenn sie von Swissmedic zugelassen sind. Ausgenommen von dieser generellen Zulassungspflicht seien beispielsweise Arzneimittel, die auf Rezept in einer Apotheke für einen bestimmten (menschlichen oder tierischen) Patienten hergestellt werden (z. B. Magistralrezepturen).

Für die Herstellung von Arzneimitteln muss entweder eine Bewilligung von Swissmedic oder eine kantonale Herstellungsbewilligung vor-liegen. Wer Arzneimittel vertreibt, benötigt dafür ebenfalls eine Bewilligung von Swissmedic. Unter Vertrieb versteht man den Grosshandel, also beispielsweise den Verkauf von Arzneimitteln durch einen Grosshändler an Tierärztinnen und Tierärzte, welche die Arzneimittel dann an den Endkunden verkaufen oder abgeben (Detailhandel). Die Bewilligung für den Detailhandel liegt hingegen in kantonaler Zuständigkeit.

Rückstände beachten

Pflanzliche Arzneimittel sind laut Swissmedic nicht per se «unproblematisch». Auch bei diesen Arzneimitteln müssten beispielsweise die Vorgaben der Verordnung des EDI über die Höchstgehalte für Rückstände von pharmakologisch wirksamen Stoffen und von Futtermittelzusatzstoffen in Lebensmitteln tierischer Herkunft und falls notwendig Wartezeiten eingehalten werden. Und auch bei diesen Arzneimitteln sei eine einwandfreie Qualität Voraussetzung, insbesondere, wenn es sich um Präparate zur Injektion oder zur intramammären oder intrauterinen Verabreichung handelt.

Swissmedic erinnert zudem daran, dass Halterinnen und Halter von Nutztieren prinzipiell eine Eigenverantwortung im Sinne des Landwirtschafts- und des Lebensmittelrechts haben. «Sie sind dafür verantwortlich, dass Lebensmittel tierischer Herkunft die menschliche Gesundheit nicht gefährden», so Alex Josty, Mediensprecher bei Swissmedic. Dies bedeutet auch, dass z. B. pflanzliche Produkte, die von den Tierhaltenden selbst hergestellt und den Tieren verabreicht werden, nicht zu unzulässigen Rückständen in Lebensmitteln führen dürfen.

Nicht ganz ohne

Bei zugelassenen Arzneimitteln wird die Sicherheit des Präparates, zu der auch Rückstände und Wartezeiten gehören, im Rahmen des Zulassungsverfahrens geprüft. Bei den erwähnten Magistralrezepturen fehlt ein solches Zulassungsverfahren, weshalb es Einschränkung in der Anwendung solcher Arzneimittel bei Nutztieren gibt. «Damit ist klar, dass sich Nutztierhaltende mit der Herstellung ‹eigener Produkte für die eigene Anwendung› automatisch in einer Grauzone befinden», erklärt Alex Josty.

Ein sicherer Weg sei daher, Arzneimittel über die Tierärzte zu beziehen oder sich solche von diesen verschreiben und in einer Apotheke in entsprechender Qualität herstellen zu lassen.

Im Kampf gegen Uberis-Infektionen

Er hat sich zum Eutererreger Nummer eins entwickelt: Streptococcus uberis. In der Stallgasse wird der Keim einfach als «Uberis» bezeichnet; er gehört zu den Umweltkeimen, die sich auf der ganzen Welt verbreitet haben. Die Bakterien kommen überall in der Umgebung von Rinderherden vor und leben auf den Weiden oder in den Ställen. Erkrankt eine Kuh an Streptococcus uberis, kann das Eutergewebe geschädigt werden. Dadurch wird das betroffene Euterviertel oft anfälliger für Neuerkrankungen. Die häufigste Behandlungsform ist Antibiotika, zudem ist seit einigen Jahren eine Impfung im Einsatz.

Gleiches mit Gleichem

Homöopathen arbeiten bei Infektionen mit Streptokokken gerne mit Streptococcinum. Dabei handelt es sich um ein homöopathisches Mittel, das aus mikrobiellen Reinkulturen eines Streptococcus-Bakteriums gewonnen wird. In der Nosoden-Apotheke sind meist mehrere Mittel auf der Basis von Streptokokken zu finden – so auch Streptococcinum uberis. Hier wird Gleiches mit Gleichem therapiert, mit der Idee, den Organismus dazu zu bringen, die eigenen Abwehrmechanismen zu mobilisieren.

Immer zehn Tage lang

Wie Birgit Gnadl, eine deutsche Tierheilpraktikerin betont, müssen Nosoden bei Euterinfektionen immer genau zehn Tage lang eingesetzt werden. Es sei zudem sinnvoll, neben der Nosode auch noch ein anderes «passendes» homöopathisches Mittel einzusetzen und auch das Euter mit einem homöopathiever-träglichen Mittel einzureiben. Gnadl empfielt Qusan. Dabei handelt es sich um ein natürliches Produkt, das dem enzymatischen Speichel des saugenden Kalbes nachempfunden ist. Qusan soll das Wachstum von Staphylococcus aureus, E. coli und Streptokokken hemmen. In der Schweiz ist das Mittel erst vereinzelt erhältlich.

Eiter ist ein Zeiger
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Der grosse Vorteil an Nosoden ist, dass sie gemischt werden können. Homöopathen raten vom Mischen bei klassischen homöopathischen Mitteln ab, bei Nosoden wird eine Mischung hingegen sogar empfohlen. Zum einen können mehrere Nosoden gemischt werden, zum anderen können sie mit klassischen homöopathischen Mitteln gemixt werden. Praktiziert wird das am einfachsten in flüssiger Form. In einer Spray-flasche können die Globuli in Wasser aufgelöst werden. Die Beigabe von etwas hochprozentigem Alkohol (Schnaps) macht das Gemisch zudem länger haltbar.

Eitrige Prozesse werden homöopathisch gerne mit dem Mittel Hepar sulfuris behandelt. Hepar – eingedeutscht Kalk-Schwefelleber – eignet sich bei unterschiedlichen Arten von Entzündungen mit Eiter-bildung wie Augen-, Hals- oder Mittelohrentzündungen. Oft sind an diesen Entzündungsprozessen wiederum Streptokokken beteiligt. Also kann auch hier unterstützend die Nosode Streptococcinum verabreicht werden.

Ein typisches Behandlungsgebiet ist eitriger Augenausfluss, der nicht selten durch Fliegen verursacht wird, oder auch eitriger Nasenausfluss bei Kälbern, der gerne in den ersten Lebensmonaten auftritt.