Das Jahr 2023 sei anspruchsvoll gewesen, schreibt Stefan Müller, Geschäftsführer von Suisseporcs, im aktuellen Jahresbericht.
Anspruchsvoll sei dabei vor allem die einmalige Marktentlastungsmassnahme mit dem Export von Schlachtschweine-Hälften nach Deutschland gewesen. Wie die BauernZeitung berichtete, wurde wegen der Überproduktion beim Schweinefleisch ein befristeter Fonds geschaffen, der den Export in das Ausland verbilligte. Finanziert wurde der Fonds zum Teil von den Produzenten und zum Teil vom Handel. Der Informationsbedarf der Schweinehaltenden durch die Geschäftsstelle sei gerade in dieser Zeitspanne riesig gewesen. Nun sei die Krise überstanden, es herrsche wieder Normalität in den Ställen. Wie geht es bei Suisseporcs jetzt weiter? Die BauernZeitung hat Stefan Müller zum Anlass der Delegiertenversammlung vom 8. Mai einige Fragen zu aktuellen Entwicklungen und zukünftigen Themen dazu gestellt.
Herr Müller, die Frage nach einer Fondslösung für zukünftige Marktinterventionen stand bis zur Delegiertenversammlung offen im Raum. Die Produzenten im Westen begrüssten damals die Schaffung eines solchen Marktfonds, die Produzenten im Osten hingegen lehnten ihn ab. Wie ist der aktuelle Stand?
Stefan Müller: Die Delegierten haben sich mit einer grossen Mehrheit dafür ausgesprochen, dass Zentralvorstand und Geschäftsstelle ein Notfallkonzept erarbeiten, welches spätestens in einem Jahr wiederum den Delegierten vorgelegt werden wird. Dieses soll zum Einsatz kommen, falls sich eine erneute Marktkrise mit Überproduktion abzeichnet. Diese könnte ausgelöst werden durch einen unerwartet starken Konsumrückgang, durch einen massiven Produktionsanstieg oder durch unvorhersehbare Ereignisse wie z. B. eine Seuche. Wir begrüssen, dass mit diesem Beschluss eine grosse Mehrheit der Produzenten signalisiert, dass wir keine Krise wie 2022/2023 mehr wollen und schon jetzt – in «guten Zeiten» – eine tragfähige Lösung suchen.[IMG 2]
Wie sieht die aktuelle Entwicklung bezüglich elektronischer Ohrmarke (ETI) aus? Wir haben gehört, dass sich einzelne Sektionen stark gegen die elektronische Ohrmarke eingesetzt haben und man deswegen darauf verzichtet. Ist nicht anzunehmen, dass im Zuge der Digitalisierung die elektronische Ohrmarke so oder so kommt? Hat man hier nicht eine Chance verpasst, es selbstbestimmt zu lösen?
Aufgrund grosser Widerstände aus der Basis hat der Zentralvorstand entschieden, dass sich Suisseporcs nicht an einem Pilotprojekt beteiligen wird und in der Konsequenz aus den beiden Arbeitsgruppen austritt. Der Zentralvorstand hat im Vorfeld versucht, Vor- und Nachteile dieses Beschlusses abzuwägen. Damit wurde das erste Projekt der Branche (BLW, Identitas, Abnehmer, Vermarkter, Suisseporcs usw.) vom BLW vorderhand beendet. Der Bund ist der Meinung, dass eine ETI ohne das Einverständnis der Schweinehaltenden nicht umgesetzt werden kann. Zurzeit ist offen, inwiefern sich Organisationen privatrechtlich um eine Lösung für die ETI Schwein einsetzen.
Ich betrachte es als die Aufgabe der Geschäftsstelle, die allgemeine Lage diesbezüglich zu beobachten und eine neue Situation vom Zentralvorstand nötigenfalls erneut beurteilen zu lassen.
Die Schweiz ist bisher von Krankheiten wie der Afrikanischen Schweinepest (ASP) verschont geblieben. Die Krankheit tauchte aber letzten Herbst in Norditalien auf. Seitdem werden die Sauen-halter darauf sensibilisiert, ihre Massnahmen (Mitarbeiter, doppelte Zäune im Freiland usw.) zu verstärken. Wie sieht da die aktuelle Lage aus?
Es kommt uns vor wie «die Ruhe vor dem Sturm». Natürlich hoffen wir alle, dass ASP nicht in die Schweiz kommt. Aber die Wahrscheinlichkeit, dass die Seuche primär durch den Menschen, aber auch durch Wildschweine in unser Land hineingetragen wird, ist sehr hoch. Das Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) und Kantone haben Einsatzpläne in Bereitschaft; je nach Eintrittsort sind dies unterschiedliche Konzepte. Aus diesem Grund ist es unmöglich, einen allgemeingültigen Vorgehensplan zu veröffentlichen. Trifft ASP Hausschweinebestände, bleibt nur die Tilgung der betroffenen Tierhaltungen. BLV, die Tierärzte, die Gesundheitsdienste und wir als Verband können aktuell vor allem die Präventionsbereitschaft der Schweineproduzenten erhöhen (Risikoampel Suisag, Biosicherheit, Umzäunung usw.). Die Bevölkerung muss bezüglich des Risikos von Fleischabfällen aus dem Ausland sensibilisiert werden.
Welche Entwicklungen gibt es bei Suisseporcs zum Thema Digiflux?
Der Antrag der Sektion Ostschweiz zu Digiflux wurde von der Delegiertenversammlung grossmehrheitlich angenommen. Das bedeutet, dass sich Suisseporcs für eine produzentenfreundliche Umsetzung der gesetzlichen Anforderungen einsetzt. Wir wollen keine Erfassung zusätzlicher Daten im Vergleich bis anhin, Impex und Suisse-Bilanz müssen genügen. Es dürfen kein Mehraufwand und keine Mehrkosten entstehen. Der Datenschutz muss eingehalten werden. Es sollen nur Minimalsysteme gebaut werden, um die Anforderungen aus dem Landwirtschaftsgesetz und der Futtermittelverordnung zu erfüllen.
Was erwarten Sie vom Jahr 2024? Haben Sie Wünsche?
Wir hoffen, dass sich die Produktion auf dem aktuellen Niveau hält und wir die Zielmenge von durchschnittlich 45 000 Schlachtschweinen pro Woche halten können. Damit hätten wir auch kostendeckende Ferkel- und Schlachtschweinepreise. Wir wünschen, dass unser Basismarketing Früchte trägt und das Vertrauen der Konsumenten in unser Schweizer Schweinefleisch zunimmt. Selbstverständlich heisst das nicht, dass der Konsum steigen muss – wir respektieren die gesellschaftlichen Veränderungen der Ernährungsgewohnheiten. Wir möchten ein zweckmässiges «Notfallkonzept Markt» auf die Beine stellen. Es wäre toll, wenn die Schweizerinnen und Schweizer die Landwirtschaft als Ernährungsgrundlage anerkennen könnten und die Bauern und insbesondere die Nutztierhalter nicht ständig den Kopf für sämtliche Umweltprobleme hinhalten müssten.
Aktuelle Entwicklungen bei den Bioschweinen
«Wenn das so kommt, dann steigen viele aus.» So und ähnlich hiess es im März, als die BauernZeitung sich bei den Bioschweine-Haltern erkundigte. Grund war die geplante Flächenanpassung aufgrund der Gleichwertigkeit der Bioprodukte auf Gesetzesstandard mit der EU.
EU-Richtlinie fordert mehr Platz
Die EU-Richtlinien schreiben den Bioschweinen nämlich mehr Platz vor als in der Schweiz und das wollte man, sprich das BLW, entsprechend mit einem Zeithorizont von fünf Jahren anpassen. Für einige Mäster wären die Folgen «knallhart». Je nach Schweinegattung wären die Flächen unterschiedlich stark betroffen. Abgesetzte Ferkel bräuchten zum Beispiel 25 % mehr Fläche, Remonten und Mastschweine unter 60 kg 27 % und über 60 kg 15 % mehr Fläche.
Die Interessengemeinschaft der Bioschweine Schweiz (IGBSS) war darum entsprechend alarmiert und suchte zusammen mit Bio Suisse nach alternativen Möglichkeiten, wie sie der Verordnung entgegenkommen konnte. Mitte April wurde in zwei Runden die Fachmeinungen der Betroffenen eingeholt.
Medien nehmen den Ball auf
Diese wurden Anfang Mai beim BLW eingereicht. Die Reaktionen der «weissen» Medien folgten prompt, «Schweizer Biobauern sträuben sich gegen mehr Tierwohl», meldete unter anderem am Mittwoch der «Blick».
Mit welchen Argumenten und Ersatzmassnahmen versucht die Bio-Branche das BLW von seiner Sichtweise zu überzeugen? Die BauernZeitung hat sich bei der Medienabteilung von Bio Suisse erkundigt. Auskunft gab uns Lukas Inderfurth, Bereichsleiter Kommunikation.
Die Antwort von Bio Suisse
Im Rahmen des Verordnungspakets 2024 habe sich Bio Suisse per 30. April kritisch geäussert zu den geänderten Stallmassen bei Bioschweinen aufgrund der EU-Bio-verordnung. Gemäss Lukas Inderfurth ist man der Meinung, dass die Schweizer Bio-Richtlinien schon heute für ein hohes Tierwohl sorgen. In der Schweiz gälten zum Beispiel die Anforderungen von BTS / RAUS, wonach die Tiere besonders tierfreundlich gehalten werden und jeden Tag ins Freie können. Gemäss Inderfurth fordert man vom Bund, dass diese Massnahmen in die Betrachtung miteinbezogen werden.
Auch wenn es paradox klingen mag, sei Platz nur einer von mehreren Faktoren, die das Tierwohl positiv beeinflussen würden. Bei der Bio-Knospe sind laut Lukas Inderfurth, im Unterschied zur EU, Scheuermöglichkeiten, beschattete Aussenflächen und Duschen oder Suhlen vorgeschrieben. Zudem sei der Einsatz von Stroh und Einstreu zur Beschäftigung der Knospe-Schweine Vorschrift.
Bio Suisse will gemäss Lukas Inderfurth im Rahmen des Projekts «Strategie Bioschwein» die Grund-lagen schaffen für eine Weiterentwicklung der Bioschweine-Haltung und dazu brauche sie den Rückhalt der gesamten Branche. Die Arbeit an der Strategie soll im Laufe dieses Jahres starten.