«Zu wenig Bewegung ist zunehmend ein Thema», sagte Michael Weishaupt vom Universitären Tierspital Zürich am traditionellen Strickhof-Pensionspferdetag, der am 20. März 2024 in Wülflingen stattfand. Nicht nur Überbelastungen können laut dem Fachtierarzt zu gesundheitlichen Problemen führen, sondern auch körperliche und mentale Unterforderung.
Sprinter oder Distanzpferd?
Der Grund dafür liegt in der Evolution: Das Pferd hat sich an seine Umgebung angepasst, indem es etwa athletische Fähigkeiten entwickelte, um vor Fressfeinden schnell fliehen zu können. So erlaubt es seine Physiologie und Anatomie etwa, in kurzer Zeit eine hohe Geschwindigkeit zu erlangen. Dabei helfen ihm unter anderem seine verhältnismässig grosse Lunge sowie die leichten Gliedmassen.
Die Unterschiede zwischen den Pferderassen zeigen, dass auch die selektive Zucht Spezialisierungen hervorgebracht hat. Das Quarter Horse als Sprinter beispielsweise verfügt über sehr schnell kontrahierende Muskelfasern. Distanzpferderassen wie Araber dagegen verfügen praktisch nur über Muskelfasern, welche die nötige Energie mithilfe von Sauerstoff produzieren.
Die Haltung spielt auch eine Rolle
«Dieser Hintergrund erklärt, warum dem angeborenen Bewegungsbedürfnis des Pferdes gerecht zu werden ist», so Michael Weishaupt. Dabei gehe es nicht darum, das Tier zu Extremleistungen zu bringen, sondern es gesund zu erhalten. Und dazu sei Bewegung notwendig. «Steht ein Pferd nur herum, fehlen ihm die physischen und mentalen Stimuli. Gewöhnt es sich daran, verliert es an Widerstandsfähigkeit.»
Dabei spielen auch die Haltungsbedingungen eine grosse Rolle: Pferde zum Beispiel, welche nur im Stall gehalten werden und kaum auf die Weide dürfen, sind dauernd dem Heustaub ausgesetzt und können Equines Asthma entwickeln. Dazu kommt der Einfluss der Fütterung: So weist etwa eine Mehrheit der Rennpferde Entzündungen der Magenschleimhäute auf. Grund dafür ist unter anderem die Fütterung mit einem hohen Kraftfutteranteil. Auch bei übergewichtigen Pferden, die zahlreich sind, kommt ein unpassendes Haltungs- und Fütterungsmanagement zum Ausdruck. Daher wandte Weishaupt sich an der Tagung auch an die Pensionsstallbetreibenden: Diese seien ebenfalls gefordert und könnten ihrerseits zu den gesundheitlichen Rahmenbedingungen beitragen.
Zu wenig Reize sind schädlich
Michael Weishaupt trifft jedoch immer öfters auf Pferdebesitzer(innen), die ihr Tier unterfordern. Die es vielleicht gut meinen, indem sie ihm eine Trainingspause auf der Weide gönnen, etwa über den Winter. «Gesunde Pferde brauchen zwar Erholungspausen, aber keine Auszeiten», betonte der Tierarzt. Vielmehr würden sie Beschäftigung benötigen. Diese könne nebst regelmässiger Bewegung auch in Form von Bodenarbeit sinnvoll sein. Der Effekt des Trainings zeige sich auch auf mentaler Ebene: Beschäftigte Pferde seien ausgeglichener als gelangweilte, was nicht zuletzt auch die Verletzungsgefahr in der Herde verringere.
Nebst der richtigen Dosis kommt es gemäss Weishaupt auch auf die Qualität der Bewegung an. Dabei sind eine Vielzahl von Faktoren zu berücksichtigen. Eine Auswahl:
- Rasse: Welche Art von Nutzung passt zur jeweiligen Rasse?
- Reitgelände: Welches Training bietet sich an? Gibt es einen Reitplatz?
- Hufschutz: Passt dieser zum Gelände? Lässt er z. B. längere Ausritte zu?
- Reiterliches Können: Was bringt der Reiter mit? Entspricht der Ausbildungsstand des Pferdes den Fähigkeiten des Reiters?
- Ausrüstung: Passen Sattel, Zaum und Trense?
- Begleitung: Ist das Pferd gerne alleine mit dem Reiter unterwegs oder läuft es lieber mit einem Kumpel?
Das Zusammenspiel der verschiedenen Aspekte zeigt, dass Pferdetraining immer individuell anzupassen ist. Dabei fliessen sowohl die Situation des Pferdes wie auch diejenige des Reiters mit ein. Laut Michael Weishaupt sollte das Training abwechslungsreich gestaltet werden. Dies trägt zur Motivation des Pferdes bei. Wichtig ist auch, die Übungen biomechanisch, das heisst, in der richtigen Körperhaltung und -spannung korrekt auszuführen, damit der Effekt tatsächlich auch gesundheitsfördernd ist. Nicht zu unterschätzen ist zudem, dass man als Reiter und Pferdebesitzer oftmals Geduld aufbringen muss. Es sei normal, dass auf einen Fortschritt auch wieder ein (vermeintlicher) Rückschritt folgt, so Weishaupt. Gutes Training entwickle sich über Jahre.
