Im vergangenen Jahr wurde am Strickhof ein mehrtägiger Kurs zur Anwendung von pflanzlichen Arzneimitteln im Stall durchgeführt. Daraus ist ein Arbeitskreis entstanden, in dessen Rahmen praktische Erfahrungen zum Thema ausgetauscht werden.
Versuche liefern beachtliches Ergebnis
Das erste Treffen fand Anfang Mai 2002 am Strickhof in Winterthur Wülflingen statt. Dabei berichteten die rund zehn Teilnehmerinnen und Teilnehmer, was sie seither daheim auf dem Betrieb ausprobiert hatten, wie folgende Beispiel zeigen: «Die Wunden zweier Rinder behandelten wir nach einer herkömmlichen Erstversorgung regelmässig mit einer selbst gemachten Ringelblumentinktur», erzählte ein Teilnehmer. «Das Ergebnis ist beachtlich, die betroffenen Stellen waren nach ein paar Wochen schön verheilt.» Dabei hätten die Tiere die Prozedur gelassen über sich ergehen lassen.
Ein anderer Landwirt behandelte den Schnupfen der Kälber erfolgreich mit einer Kapuzinerkressetinktur, die er selbst zubereitet hat.
Altes Wissen wird zurückgeholt
Atemwegserkrankungen, Durchfall sowie kleinere Wunden sind Ereignisse, die auf einem Viehbetrieb zum Alltag gehören. Die Liste lässt sich erweitern: Nicht selten kommen auch der Befall durch Parasiten, Warzen sowie Klauen- und Fruchtbarkeitsprobleme vor. Muss dabei jedes Mal der Tierarzt gerufen werden, geht es schnell ins Geld.
Der Arbeitskreis wird sich zwei- bis dreimal jährlich auf verschiedenen Betrieben treffen. Der nächste Austausch ist auf den 15. September im Zürcher Oberland zum Thema «Parasiten» geplant. Interessierte können sich bei Roger Bolt melden. E-Mail: roger.bolt(at)strickhof.ch
Die Landwirt(innen), die sich dem Arbeitskreis angeschlossen haben, versuchen stattdessen, ihre Tiere so weit wie möglich mit pflanzlichen Mitteln zu behandeln. «Früher kannten die Bauern viele Hausmittel. Mir geht es auch darum, dieses Wissen zurückzuholen», erörterte ein Anwesender seine Motivation. Ein weiterer Grund für das Engagement liegt in der Absicht, den Einsatz von Antibiotika zu reduzieren. Die geteilten Erfahrungen an der ersten Sitzung des neu gegründeten Arbeitskreises sind bereits sehr zahlreich. «Dies zeigt, dass es bei der pflanzlichen Arzneimittelanwendung viele Wege und Mittel gibt», sagte Moderator Roger Bolt.
Tinkturen selbst herstellen
Wie beim Erfahrungsaustausch herauszuhören war, kann auch der Einsatz pflanzlicher Arzneien teuer werden, besonders wenn sie als fertige Produkte gekauft werden. Dies ist mit ein Grund, weshalb unter den Viehhalter(innen) ein grosses Interesse besteht, Arzneimittel selbst herzustellen. Pflanzen, welche dazu verwendet werden, sind zum Beispiel Kapuzinerkresse, Ringelblume, Kamille oder Salbei, die allesamt in Bauerngärten häufig anzutreffen sind.
Andere wie etwa Löwenzahn, Schafgarbe oder Tannennadeln werden wild gesammelt. Daraus lassen sich beispielsweise Tinkturen machen, indem ganze Pflanzen oder Teile davon in Alkohol eingelegt werden. «Eine Tinktur hat gegenüber der Frischpflanze den Vorteil, dass sie während des ganzen Jahres eingesetzt werden kann», stellte Bolt fest. Dies gilt auch für Salben, wofür Hilfsstoffe wie etwa Essig, Honig oder Tonerde benötigt werden.
Mit Honig versüsste «Pralinen»
Ein Thema war zudem die Verabreichung von Arzneimitteln. Diese gestaltet sich nicht immer einfach: Vor allem bei Mitteln, die viel Bitterstoffe enthalten, rümpfen nicht nur Menschen, sondern auch Tiere die Nase. Dabei kann es helfen, so wurde berichtet, wenn man die Arznei etwa mit Honig versüsst und direkt ins Maul spritzt. Auch kann es von Nutzen sein, das Mittel in Form eines Bolus zu verabreichen. Dabei handelt es sich um eine «Praline», die je nach Verwendungszweck zum Beispiel aus Hustenkräutern und Honig geformt ist.[IMG 2]
Manche Mittel, etwa homöopathische, lassen sich mit Wasser verdünnt auf die Nase sprayen. Bei der Verabreichung spielt auch die Betriebsart eine Rolle: «Besonders herausfordernd ist es, Kälber von Mutterkühen zu behandeln», so Flavio Ferrari, Leiter des Strickhof-Mutterkuhbetriebs in Wülflingen. «Sie sind weniger zugänglich als Kälber, die separat gehalten werden.»
Der Tierarztbesuch lässt sich mit dem Einsatz von Pflanzenarzneien nicht immer umgehen. Doch wird frühzeitig eingegriffen, lasse sich oftmals Schlimmeres vermeiden, betonte eine Arbeitskreis-Teilnehmerin. Dies setze jedoch voraus, so war man sich einig, dass man die Tiere gut kennt und rund um die Uhr beobachten kann.
Pflanzenarzneien im Stall:
Atemwege: Tannennadeln oder Thymian zur freien Verfügung, Kapuzinerkressetinktur
Durchfall: Eichenrinde, Tormentil, Walnussblätter, Pflanzenkohle
Wunden: Ringelblumentinktur, Propolissalbe
Würmer: Kamalapulver