Wer ihn kennt, nennt ihn «Baumgartner Hänsu» und wer ihn noch besser kennt, weiss, dass der Hans ein wandelndes Lexikon ist. Besonders die Holsteinzucht und deren Genetik haben es ihm angetan. Dabei kommt dem gescheiten Mann auch sein fotografisches Gedächtnis zu Gute. «Dafür war ich in den Sprachen schlecht», meint der Viehzuchtbegeisterte bescheiden. So kennt der fitte 67-Jährige fast jede Holstein-Abstammung, von Elevation über Triple bis hin zu Pawnee Farm Arlinda und wie sie alle heissen, auswendig. Hans Baumgartner ist der geborene Genetiker, sein Wissen über die Holsteinzucht reicht schier ins Unermessliche. Wenn man mit ihm telefoniert oder ihn trifft, spielt Zeit keine Rolle, denn seine Geschichten berühren, sind spannend und zum Teil ein halbes Jahrhundert alt. Solche Geschichten gehen verloren, dass Wissen verschwindet.

Dempsey hat gepasst

«Komm, wir gehen gleich in den Stall», sagt Hans Baumgartner mit einem Lächeln im Gesicht. Baumgartner ist im emmentalischen Fankhaus BE zu Hause und die hügelige Landschaft mit ihren Einzelhöfen ist typisch für die Region. «Es sind nicht meine Kühe, sie gehören meinem Bruder Walter und ich bin hier auch nicht der Zuchtberater», stellt der 67-Jährige klar, während er die Abstammungsausweise der Kühe sortiert. Der Betrieb, mit 15 Holsteinkühen, wird nach den Richtlinien des Biolandbaus bewirtschaftet und im Sommer geht der gesamte Viehbestand auf die Alp Hochänzi im Napfgebiet. «Fangen wir doch gleich bei der hintersten Kuh an», meint er. «Chum stang uf», sagt er zu einer kapitalen Struik-Tochter mit wunderbarem Euter. «Ich liebe diese Kuh», sagt Baumgartner nickend, während er gleichzeitig der Kuhdame auf den Hintern tätschelt. «Ich liebe schöne Kühe aber sie müssen auch Milch geben», hält er fest. Vor allem der Stier Dempsey habe auf dem Biobetrieb sehr gut funktioniert. Da dieser Goldwyn-Sohn kein ET-Stier ist, habe man ihn sehr häufig eingesetzt. «Bei Bio darf man halt keine Stiere aus Embryotransfer gebrauchen», meint Baumgartner trocken. Eine Nachfrage erübrigt sich, man kann nur ahnen, was er von dieser Einschränkung hält. «Viele unserer Dempsey-Töchter stammen von Goldwyn-Kühen ab. Wie bitte? «Ja ich weiss: Dempsey ist auch ein Goldwyn-Sohn, aber die Inzucht hat auf dem Betrieb bestens funktioniert», stellt der die Zuchtstrategie vor.

Nach einer Amerikareise

Umgestellt von Rot auf Schwarz habe sein Bruder die Herde vor 30 Jahren. Der Hauptgrund war, dass Hans Baumgartner 1990 zusammen mit Simon Brügger, Willi Hartmann und Hans Bärtschi (selig), nach Amerika reiste. «Wir besuchten damals auch die bekannten Farmen wie Hanover-Hill oder Roybrook. Oh, was sahen wir für schöne Kühe», schwärmt Baumgartner heute noch. Vor allem die Töchter des Elevation-Sohnes Majesty haben es ihm besonders angetan. «Das waren milchreiche und wunderschöne Erstlingskühe», sagt er. Sowieso ist Baumgartner ein grosser Fan von Majestys Vater, dem Ausnahmekönner Round Oak Rag Apple Elevation.

 

Ein Leben für die Zucht

Hans Baumgartner wurde 1953 auf einem Bauernbetrieb in Fankhaus BE geboren. Schon früh galt seine Leidenschaft der Holsteinzucht. Der gelernte Landwirt mit Meisterprüfung arbeitete unter anderem bei der KB-Aufzuchtstation Langnau bei Reiden LU und war auch Einkäufer für Grossvieh.

 

«Dieser Stier hat der Holsteinzucht extrem viel gebracht, sei es über seine Töchter oder über seine Söhne», hält er anerkennend fest. Baumgartner hat in Amerika aber auch Kühe gesehen mit viel Fett auf den Rippen. «Die Züchter sagten uns schon damals, diese Kühe geben einfach zuwenig Milch». So gebe es heute noch viele Kühe, die das Futter lieber an den Arsch hängen, statt davon Milch zu geben, wie es Baumgartner salopp formuliert. «Du darfst sicher Freude an schönen Kühen haben, aber die Rechnungen kannst du damit nicht bezahlen», sagt er.

Gute Linien kommen wieder

Nicht nur von Elevation, sondern auch von den Stieren Arlinda Chief, Enhancer oder Triple hält Hans Baumgartner sehr viel. Enhancer und Triple seien sehr eng miteinander verwandt und dies zeige einmal mehr, dass starke Linien immer wieder zum Vorschein kommen. «Manchmal dauert es zwei, drei Generationen, bis diese plötzlich wieder durchschlagen. Das kommt aber nicht nur bei den guten Stieren vor, sondern auch bei den schlechten», warnt er. Auch die Bell-Linie habe der Holsteinzucht viel gebracht, vor allem viel Milch. Hingegen brachten diese Stiere auch die schlechten Fundamente. Und was hält Baumgartner von den Ausnahmestieren Goldwyn und Shottle? «Goldwyn-Töchter waren oft schmale und zu grosse Kühe. Hingegen hat Shottle der Rasse wieder mehr Breite uns Substanz gebracht». Aber: «Shottle hat halt auch über seinen Vater M Toto die schlechte Melkbarkeit vererbt», zählt Baumgartner die verschiedenen Kriterien auf. Das sehe man übrigens auch bei Doorman, welcher diese schlechte Eigenschaft über seine Shottle-Mutter mitbekommen habe.

Auch im Schwingsport

Obwohl Hans Baumgartner nie einen Betrieb führte, trägt er das Züchtervirus in sich. Es ist, wie ein Schwinger, der mit 22 Jahren mit dem Sport aufhören musste, weil er verletzt und zu mager war. 50 Jahre später gibt er sein Wissen über den Schwingsport immer noch weiter. Natürlich ist auch hier die Rede von Hans Baumgartner. Sein Wissen über die Viehzucht und das Schwingen sind heiss begehrt.

Hans, schau mal auf die Uhr, weisst du eigentlich, wie spät es ist?