Auf einen Zuruf schart sich die ganze Herde braunköpfiger Fleischschafe um Angela Oesch. «Einen Hund brauchen wir nicht», erklärt Ruedi Brunner, während seine Partnerin in die Hocke geht um im wolligen Meer beinahe verschwindet. Der Vierbeiner würde die Schafe nur unruhig machen, ist Brunner überzeugt.
[IMG 2]
Rassentiere und Gebrauchskreuzungen
Dafür, dass seine Tiere auch beim Besuch von Fremden oder an Ausstellungen und der BEA in Bern ruhig bleiben, hat Ruedi Brunner ein eigenes Rezept: Zu den «Arbeitszeiten» läuft im Schafstall im aargauischen Hallwil das Radio. «So gewöhnen sie sich an verschiedene Stimmen und Geräusche», erklärt der Züchter. Neben einer Gruppe reinrassiger Braunköpfiger Fleischschafe (BFS) gehören zu seiner und Angela Oeschs Herde Texel, Spiegel- und Engadiner Schafe sowie Gebrauchskreuzungen. «Bei den BFS gefallen mir der schwarze Kopf, die weisse Wolle und die schwarzen Beine», so Brunner. Beim Spiegelschaf schätzt er die guten Muttereigenschaften, «und es sind ruhige Tiere». Wobei das Verhalten seiner Meinung primär davon abhängt, wie mit den Schafen umgegangen wird.
[IMG 3]
[IMG 4]
[IMG 8]
[IMG 9]
Im Umgang mit Schafen hat Ruedi Brunner viel Erfahrung. «Wir hatten immer in paar Schafe, die ersten hat mein Vater für mich und meine Schwester gekauft», erinnert er sich. Der Aargauer war aber begeisterter Viehzüchter und widmete sich bis 1999 der Milchwirtschaft auf dem elterlichen Betrieb. Dann fiel der Entscheid, die Kühe aufzugeben und auf Schafe zu setzen. Seitdem ist Brunners Herde stetig gewachsen und er konnte etwas ausserhalb von Hallwil eine grosse Scheune mit Stall bauen. Ein bisschen trauert der Landwirt den Kühen aber schon nach. «Ich habe gern gemolken», meint er,
«aber mitten im Dorf oben ging es nicht mehr.»
Ruedi Brunner über seinen Entscheid, die Milchwirtschaft aufzugeben.
[IMG 12]
Am meisten wird im Sommer verkauft
Heute ist der Verkauf von Lämmern die Haupteinnahmequelle für Ruedi Brunners Hof. Zusammen mit Angela Oesch hält er 200 Schafe, die im Sommer auf zwei Alpen verteilt werden. Die Herdebuchtiere bekommen in dieser Zeit Gesellschaft von einem Bock, während die restlichen Schafe gezielt für Gebrauchskreuzungen eingesetzt werden. Daher tritt die Herde in Hallwil als bunte Mischung auf, hier weisen hängende Ohren auf Engadiner Schafe in der Verwandtschaft hin, dort geflecktes Fell auf Spiegelschafe oder der massige Körperbau eines Texel setzt sich durch.
Am meisten Lämmer verkauft Ruedi Brunner im Sommer. «Das Osterlamm ist schon lange nicht mehr gefragt», beobachtet er. Ab Ende Mai lande Lammfleisch auf dem Grill, speziell auch bei Personen mit Migrationshintergrund. Auch ausländische Feiertage seien am Markt spürbar. Pro Jahr werden so 200 bis 400 Lämmer vermarktet, «Tendenz steigend», wie der Schafzüchter ergänzt. Teilweise bekomme er nämlich auch Tiere von Hobbyhaltern zur Ausmast.
[IMG 10]
Auch auf Nachbars Ökowiese gern gesehen
Die Futtergrundlage für seine Schafe schafft Brunner auf seien 16,6 ha LN selbst, mit Kunst- und Naturwiesen, Futtermais und Getreide. In der Krippe landet eine Gras-Mais-Silage, die gelammten Tiere erhalten zusätzliches Kraftfutter in Form von Getreidepellets und die Lämmer ein zugekauftes Spezialfutter. Im Herbst lassen benachbarte Landwirte Brunners und Oeschs Schafe ihre Ökoweiden und Kunstwiesen überweiden, wenn diese wegen Nässe nicht mehr anders genutzt werden können. «Das ist eine Win-Win-Situation, denn durch die neuen Weiden sinkt der Wurmdruck und gleichzeitig tut die Nutzung der Grasnarbe gut, ohne dass Trittschäden entstehen». Auf seinen eigenen Weiden hält er die Würmer mit einer Schnittnutzung nach sechs Wochen in Schach.
Guttes Futter für Leistung und Gesundheit
«So eine saftige Mähwiese, das ist optimal, im Gegensatz zu einer Kuh kann ein Schaf aber z. B. wegen angegrauter Silage umkommen», hält Ruedi Brunner fest. Zwar sind die Tiere grundsätzlich genügsam, aber heikel und mit gutem Futter lasse sich neben besserer Leistung auch die Gesundheit fördern. «Wir setzen viel Homöopathie ein», ergänzt Angela Oesch. Sie ist ganztags bei den Schafen, während ihr Partner in einem 50-Prozent-Pensum im nahen Werkhof arbeitet. Da kommt ihm seine Zweitausbildung als Landschaftsgärtner zugute und gleichzeitig ist er flexibel, wenn es z. B. ums Scheren geht.
[IMG 6]
Denn 200 Schafe zu scheren ist kein Pappenstiel. Der Aufwand ist dabei das eine, die Kosten das andere. Die grosse Menge und fehlende Reinheit der Wolle machen die Vermarktung schwierig, wie Ruedi Brunner erklärt. In seinem Fall gibt es Dämmstoff daraus, aber er möchte sich nach einer Möglichkeit umsehen, die Wolle zu Pellets zu pressen. «Das ist Top-Dünger, auch für Balkonkistli», ist er überzeugt. Im Moment bekommt er für ein Kilo Wolle 35 Rappen, pro Schaf sind das Fr. 1.50. Das Scheren schlägt mit Fr. 6.- pro Tier zu Buche.
Betriebsspiegel
LN: 16,6 ha
Kulturen: Kunst- und Naturwiesen, Futtermais, Getreide
Tierbestand: 200 Schafe, 4 Esel, 2 Ponys, 11 Zwergziegen, 2 Hofkatzen, 2 Hunde
Arbeitskräfte: Angela Oesch, Ruedi Brunner (50 Prozent)
Die «wichtigen» Schafe kennt man
Die Freude an den Schafen haben Ruedi Brunner und Angela Oesch an ihre Gottenkinder weitergegeben. Sie sind oft im Stall anzutreffen und übernehmen z. B. als Jungzüchter Verantwortung. Kinder könnten so viel lernen, findet Oesch. «Wir sagen aber auch immer klar, wenn ein Tier für den Metzger bestimmt ist.» Die Kinder bekommen Geburten und Abgänge mit, «das ist Natur», meint die Züchterin. Die Familie esse selbstverständlich auch das Fleisch der eigenen Tiere. Unter 200 Schafen kennt man nicht jedes, «die wichtigen aber schon», bemerkt Ruedi Brunner. Besondere Charaktere, Ausbrecherkönige oder liebgewonnene Zuchttiere gehören dazu und bleiben auch mal, wenn ihre Leistung zurückgeht. Im Schnitt sind Brunners Metzgschafe 8-10 Jahre alt.
[IMG 7]
Neben der Zucht von Herdebuchtieren kümmern sich die beiden Schafzüchter auch selbst um die Nachzucht und kaufen kaum ein Tier zu. Immer wieder kommt es vor, dass Angela Oesch ein «Schoppenlamm» betreut, z. B. bei Drillingsgeburten. Einmal von der Mutter getrennt, nehme sie das Lamm nicht mehr an, wenn man es in besserem Zustand quasi zurückgeben möchte. «Jedes Tier, das lebt, hat auch ein Recht darauf», erklärt Ruedi Brunner seine Philosophie. Zwar ist das Milchpulver für die Schoppenlämmer nicht gratis zu haben, ein kümmerliches Jungtier totzuschlagen käme für ihn aber nicht in Frage.
[IMG 5]
Bisher keine Wölfe
«Mit Wölfen hatten wir bisher keine Probleme – Houz alänge», meint Ruedi Brunner und umfasst mit beiden Händen symbolisch die hölzerne Tischplatte. Sollte das Raubtier doch auftauchen, müsste man sich eine Behirtung überlegen, aber Brunner hält die beiden mit seinen Tieren bestossenen Alpen für nicht schützbar. «Solange es geht, geht es.» Ohne Sömmerung müsste er entweder seine Herde verkleinern oder mehr Futter zukaufen.
Schafzucht sei wie Viehzucht, nur gehe es schneller, meint der Aargauer, der auch als Experte Schafe punktiert. Ruedi Brunner hat mit den Kleinwiederkäuern eine neue Leidenschaft und auch seine Partnerin Angela Oesch gefunden «Ich bin ganz zufrieden», sagt er.
[IMG 11]