Nach Philippe Bertholet und Ruedi von Niederhäusern verlässt nun auch Samuel Schaer das Schweizer Nationalgestüt in Avenches VD. Wir haben bei der zuständigen Bundesstelle nachgefragt, was die Gründe dafür sind. «Samuel Schaer wird die Stelle als Teamleiter des Teams Haltung Pferde, Unterhalt und Ateliers per Ende November 2023 abgeben und Agroscope im guten gegenseitigen Einvernehmen verlassen», schreibt der Mediendienst von Agroscope auf Anfrage. Zu diesem Schritt hätten unterschiedliche Auffassungen in Bezug auf die Art der Zusammenarbeit am Standort Avenches geführt.

Normale Veränderungen

Da es nach den Herren Bertholet und von Niederhäusern nun der dritte Mann ist, der das Gestüt nach der Umstrukturierung verlässt, hat die BauernZeitung nach der Strategie gefragt, die mit einem solchen Vorgehen verfolgt wird. «Grundsätzlich ist festzuhalten, dass die Umstrukturierung vor drei Jahren umgesetzt wurde – heutige personelle Veränderungen immer noch direkt damit in Verbindung zu bringen, ist falsch», so die Medienstelle. Personelle Veränderungen aus verschiedensten Gründen seien Teil jeder Organisation.

Zudem arbeite Agroscope im Auftrag des Bundes, gemäss Verordnung. Dazu gehöre auch, die Leistungen effizient und effektiv zu erbringen – angepasst an die sich verändernden Rahmenbedingungen.

Die Stelle werde nun gemäss dem üblichen Selektionsprozess wieder besetzt. Gefragt nach den Kosten, welche eine solche Trennung von drei Angestellten in diesem Alter und diesen Positionen verursache, schreibt die Medienstelle: «Einzelne Personalgeschäfte sind organisationsinterner Natur und vertraulich.»

Hengste in Deutschland

Etwas weniger vertraulich wirkt hingegen die Aktion, zwei Hengste im Besitz des Schweizer Nationalgestüts nach Deutschland in die Weiterbildung zu entsenden. Volvik de Jasman und Claire de Lune de la Pommeraie sind bei Anja Beran in Bidingen im Allgäu. Die renommierte Ausbildnerin für Pferd und Reiter betreibt dort das internationale Ausbildungs- und Seminarzentrum Gut Rosenhof. Das Gestüt informierte dazu gar auf den sozialen Medien, während der Abgang des Teamleiters keine Mitteilung wert schien.

«Wir werden zu Rest-Hengst-Empfängern.»

Roland Rothenbühler, Zuchtkommissionspräsident Oberemmental

Verloren gegangenes Können

Gefragt nach der Motivation, weshalb zwei Gestütshengste nach Deutschland geschickt wurden, erklärt die Medienstelle: «Die Zusammenarbeit mit Anja Beran hat zum Ziel, dass früher vorhandene Kompetenzen im Bereich der klassischen Dressur, welche über die Jahre verloren gingen, wieder aufgebaut werden können.» Die Ausbildung von Hengsten auf höchstem Dressurniveau (geritten und an der Hand) führe einerseits dazu, dass die Gestütsmitarbeitenden und -lernenden von den auf hohem Niveau ausgebildeten Pferden profitieren könnten.

Andererseits ermöglichten diese Tiere ein Schaubild für die Rasse Freiberger mit grossem Wirkungspotenzial. So sollen die Hengste an Vorführungen teilnehmen, was zur Steigerung des Bekanntheitsgrades der Rasse Freiberger national und international führen werde. Die Dauer des Aufenthaltes sei abhängig vom individuellen Fortschritt der Hengste.

Hengste stehen für die künstliche Besamung zur Verfügung

Die beiden Hengste wurden bereits abgesamt und stehen den Züchtern für die künstliche Besamung ihrer Stuten zur Verfügung. Im Natursprung sind sie allerdings bis auf Weiteres weg. Die Pferdezuchtgenossenschaft Oberemmental zeigte noch diesen Frühling am Fuchs Volvik gewisses Interesse. Er stand heuer als möglicher Ersatz für den Hengst Elfique zur Diskussion, von dem gerade einmal die Hälfte der belegten Stuten trächtig ist. «In so einen Hengst haben die Züchter in einer kommenden Saison wenig Vertrauen», sagt Genossenschafts-Präsident Fritz Bürki auf Anfrage und verweist für weitere Auskünfte zu Volvik an seinen Zuchtkommissionspräsidenten Roland Rothenbühler.

Dieser ist bei der Anfrage der BauernZeitung unterwegs im Jura – auf der Suche nach geeigneten Deckhengsten für ihre grosse Station Gohl, die (noch) von einem Gestütsmitarbeiter betreut wird. Er bestätigt, dass das Interesse der Berner an Volvik eigentlich noch intakt gewesen wäre. Das züchterisch für ihn extrem fragwürdige Umplatzieren dieses Hengsts nach Deutschland habe aber zur Folge, dass man den Hengst abschreiben müsse. «Wir wollen Hengste im Natursprung anbieten. So wird es bei Freibergern nach wie vor in der ganz grossen Mehrheit gehandhabt», sagt er. Die künstliche Besamung nutze nach wie vor eine Minderheit.

Das Geschäft mit den Hengsten habe sich verändert. Statt auf die Bedürfnisse der Züchter zu achten, die bereits möglichst zeitig vor der Stationierung wissen möchten, welche Gestütshengste in ihrer Nähe zum Einsatz kommen, mache man solche Aktionen, wie Hengste nach Deutschland zu geben. «Wir werden so zu richtigen Rest-Hengst-Empfängern», bemängelt Rothenbühler, der die Zusammenarbeit mit dem Nationalgestüt als zunehmend schwierig empfindet.

Er ist nicht der einzige. Mehrere Pferdehalter monieren im Gespräch mit der BauernZeitung, dass ein entsprechendes Angebot doch auch in der Schweiz hätte gefunden werden können. Konfrontiert damit heisst es bei Agroscope: «Wir haben Anja Beran im Rahmen einer Forschungszusammenarbeit kennen und schätzen gelernt. Im Verlaufe dieser Kollaboration erkannten wir, dass wir auch in weiteren Bereichen gewinnbringend zusammenarbeiten können.»

Steigende Popularität

Das Schweizer Nationalgestüt sei Mitglied bei der Organisation der Europäischen Staatsgestüte (Essa), so wie das Haupt- und Landgestüt Marbach auch. Das Gestüt in Marbach habe bereits vor einiger Zeit Araberhengste in den Beritt von Anja Beran gegeben, und diese Zusammenarbeit zeige eindrücklich, wie die Popularität der ausgewählten Hengste gestiegen sei. «Von einer solchen Opportunität möchten wir im Sinne der Zukunft des FM-Pferdes ebenfalls profitieren», so die Medienstelle. Über die genauen Kosten für diese Aktion schweigt sich Agroscope aus. «Die Ausbildung der Hengste erfolgt zu den in der Schweiz marktüblichen Preisen», heisst es.