Die Schweiz soll eine eigenständige Tierzucht haben. So will es der Bund und unterstützt die Züchterinnen und Züchter «in ihrem Bestreben nach einer wirtschaftlichen, qualitativ hochstehenden und umweltgerechten Produktion.» Bislang wurden Beiträge an Herdebuchführung, Leistungsprüfungen und Zuchtwertschätzungen sowie für Projekte im Zusammenhang mit der Erhaltung der einheimischen Rassenvielfalt ausgerichtet.

Seit geraumer Zeit missfällt anscheinend grossen Teilen der Gesellschaft der Begriff Leistung. Das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) reagiert: Alles, was bislang bei Nutztieren mit Leistung zu tun hatte, muss zumindest begrifflich überarbeitet werden. Leistung ist ein Tabu. In einem nächsten Schritt dürfte der Begriff Nutztier eine Zensur erfahren. Der Grund dafür ist, dass es immer schwieriger wird, einer der Landwirtschaft entfremdeten Bevölkerung, die notabene eine grosse Mehrheit darstellt, zu erklären, dass man einem Tier eine Leistung abverlangt und daraus einen Nutzen zieht.

Hochleistungskühe unter Druck

Was hingegen wohl noch lange unangetastet bleiben wird, ist die Tatsache, dass Rassen gefördert werden sollen. Vermehrt wird man sich in der Schweiz aber den ursprünglichen Rassen zuwenden. Im Gegenzug werden Rassen, deren Leistung in den letzten Jahrzehnten gezielt durch Zucht gesteigert wurde, unter Druck geraten. Gelingt das nicht auf direktem Weg, wird dieser Druck indirekt durch Förderprogramme, wie beispielsweise vermehrte Weidehaltung aufgebaut. «Man will einfach keine Hochleistungskühe mehr in der Schweiz», sagte ein BLW-Mitarbeiter an einem Workshop zur verlängerten Nutzungsdauer von Milchkühen letzten Herbst. Man will einfach keine. Aber wer genau ist «man»?

Tiergenetische Ressourcen haben laut BLW eine grosse Bedeutung für Ernährung und Landwirtschaft. Um künftig auf neue Rahmenbedingungen wie Änderungen des Klimas, neue Krankheiten, andere Erwartungen der Gesellschaft oder sich ändernde Anforderungen an spezielle Produkte reagieren zu können, sollen alte Rassen wieder vermehrt an Bedeutung gewinnen. Das BLW unterstützt deshalb verschiedenste Massnahmen zur Erhaltung und Förderung gefährdeter Nutztierrassen mit Schweizer Ursprung.

Das soll beispielsweise mit einem Beitrag geschehen, über den der Bundesrat Anfang Mai bestimmt. Kommt es so, wie vom BLW vorgeschlagen, verliert nicht nur die älteste, sondern auch die einzige Schweizer Pferderasse – der Freiberger – rund die Hälfte der bisherigen Förderung durch den Bund. Das dürfte für die eh schon rückläufige und nicht kostendeckende Zucht fatale Folgen haben. Man will eine eigenständige Tierzucht fördern, qualitativ hochstehend und umweltgerecht und setzt der einzigen Pferderasse, die all das erfüllt, das Messer anden Hals.

Fremdblut wird abgestraft

Der Grund für eine mögliche Halbierung der Fördermittel ist, dass man den Fremdblutanteil als neuen Massstab setzt. Fremdblut, das dieses Pferd weitgehend marktgängig gemacht hat, soll abgestraft werden. Fremdblut, das der Bund selbst in die Rasse einführen liess, scheint heute unerwünscht. Der Bund wirft der Freibergerzucht etwas vor, was 30 Jahre und länger zurückliegt und von ihm selbst bis dato am Schweizer Nationalgestüt, unter anderem durch die Haltung von Hengsten mit 50 Prozent Fremdblut, gefördert wird.

Aber auch in der Viehzucht sieht es nicht wirklich besser aus. Hier ist das Beispiel jüngeren Datums, greift aber, kennt man die Schweizer Viehzucht, auch weit ins letzte Jahrtausend zurück – das Swiss Fleckvieh. Die junge Rasse kämpft mit der Einkreuzung durch Red Holstein und Simmentaler. Weit mehr als ein Drittel der SF-Tiere im Herdebuch von Swissherdbook sind nicht mehr «rein». Auch wenn die Rasse aus ebendiesen beiden Rassen entstanden ist – heute sind dies rassenfremde Tiere, und diese dürfen nicht mehr eingesetzt werden, will man nicht ein Kreuzungstier riskieren, das irgendwann keine Beiträge an Leistung und Herdebuchführung erhält. Genau diese SF-Kuh wäre aber im Grunde jene Kuh, die der Bund mit seiner Politik anstrebt. Dass es Zeit braucht, bis sich die Züchterschaft der Herausforderung der Rassenreinheit bewusst ist, scheint dem Bund egal zu sein. «Man» will keine Hochleistungskühe, aber «man» will auch keine SF-Kreuzungen. Aber «man» will eine wirtschaftliche und umweltgerechte Produktion. Und genau diese beiden Schweizer Rassen, Freiberger und SF, die sich durch Kreuzungen entwickelt haben, sollen abgestraft werden. Ob «man» hier noch mal über die Bücher sollte?