In Langnau im Emmental werden keine Tiere mehr geschlachtet. Die Fenaco als Besitzerin der Ernst Sutter AG hat die Schlachtungen per sofort eingestellt. «Zum letzten Mal bringe ich heute Tiere nach Langnau», war einem vorweihnachtlichen Whatsapp-Status eines Berner Viehhändlers zu entnehmen. Der Umstand, dass der grösste Agrarkanton der Schweiz es nicht schafft, einen eigenen grossen Schlachthof zu betreiben, gibt ihm zu denken.
Nicht mehr zu ändern
Damit ist er nicht der Einzige. «Es ist bedauerlich, dass ein Partner wie die Fenaco so einen Betrieb schliesst», sagt der höchste Berner Bauer Hans Jörg Rüegsegger. Es sei nicht mehr rückgängig zu machen, meint er; aber die Sache werfe Fragen auf, die noch nicht beantwortet seien. So würden die Transportwege unweigerlich länger und weiter. Mit der CO2-Kompensation werde es daher kaum einfacher. Zudem gehe Wertschöpfung und der «Brand Emmental» verloren. Die Ernst Sutter AG versichert zwar: «Das Label Emmentaler Bauernkalb bleibt bestehen und die Produzenten erhalten weiterhin ihre entsprechende Prämie. Der Berner Bauernverbandspräsident stellt aber die Frage: «Ist das noch Emmentaler Bauernkalb, wenn es in Oensingen geschlachtet wird?»
Der Grossbetrieb in Oensingen SO im Besitz der Bell Schweiz AG scheint in der Tat der Ort der Zukunft zu sein, was das Schlachten angeht. In der Branche wird gemunkelt, die Fenaco habe sich dort mit zehn Millionen Franken eingekauft. Das wird aber dementiert, wie die Ernst Sutter AG auf Anfrage bekannt gibt: «Fenaco hat keine Investitionen am Standort Bell in Oensingen getätigt.»
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Schliessungen kompensieren
In Oensingen wird aber auch ohne Zustupf der Fenaco kräftig gebaut. Die Fragen zum Umbau, welche die BauernZeitung der Bell AG zustellte, konnte der Grosskonzern allerdings vor Redaktionsschluss nicht mehr beantworten.
Die Kapazitäten, die in Langnau aufgegeben werden (es waren 2021 über 55'000 Schlachteinheiten) müssen andernorts kompensiert werden. Die Berner Bauern bringen ihre Tiere nach Oensingen, und die Fenaco bringt sie dann zurück in den Verarbeitungsbetrieb nach Langnau. Nicht nur. «Die Ernst Sutter AG bezieht die Schlachttiere weiterhin aus der Region Mittelland, Zentral- und Westschweiz», wird auf Anfrage erklärt. Aber eben tot. Rechnet sich das? «Es wird teurer», sagen die Händler. In erster Linie für sie, und wie soll es anders sein: auch für die Bauern. Billiger wird es für die Verarbeiter. Denn eines ist sicher: Grossbetriebe schlachten günstiger.
Während der Emmentaler Heinz Riesen heute schon einen grossen Teil nach Oensingen bringt, war der Berner Oberländer Toni Teuscher wöchentlich meist mehrfach mit Schlachtvieh unterwegs nach Langnau. Das ändert sich jetzt. Auf die Frage, wie er diese Änderung einschätzt, sagt Teuscher. «Das ist jetzt einfach so. Wir können es nicht ändern, wir müssen es annehmen und das Beste daraus machen.» Er habe schon zahlreiche Schliessungen miterlebt, «es ging immer weiter, wir sind dafür da, das zu lösen.»
Zürich wird schliessen
Das dürfte auch in Zürich der Fall sein, wo 2030 die Tore des städtischen Schlachthofs für immer schliessen sollen. Die Schlachtbetrieb Zürich AG (SBZ AG) gehört zu den sechs grössten Schlachtbetrieben in der Schweiz und ist mit zwei Schlachtlinien polyvalent ausgerüstet. Schweine, Kälber, Lämmer, Rinder bis zum schweren Muni werden hier geschlachtet.
«Wir wollen die Schlachtkapazität aufrechterhalten. Uns Zürcher Metzgern ist die Regionalität sehr wichtig», sagt Ronny Hornecker, Verwaltungsratspräsident der SBZ AG. Immer wieder stelle der Schlachthof seine Kapazitäten auch anderen Schlachtbetrieben zur Verfügung. Zu den Grosskunden gehört auch jetzt schon ein Berner, und zwar die Bigler AG in Büren an der Aare.
In den nächsten sieben Jahren ändert sich trotz bevorstehender Schliessung erst mal gar nichts, der Betrieb werde aufrechterhalten, versichert Ronny Hornecker. Hinter den Kulissen aber wird der Verwaltungsrat der SBZ AG schon im Februar zusammensitzen und nach Lösungen suchen. «Jeder sagt, was er braucht, ob er sich beteiligt und was für Möglichkeiten es gibt. Die grösste Herausforderung ist nicht die Kapitalbeschaffung, sondern die Standortsuche», sagt Hornecker und wiederholt, dass es sowohl für die Metzgerschaft wie auch für die Bauern wichtig sei, die Schlachtkapazität im Kanton Zürich zu erhalten. Dafür lohnt es sich, zu kämpfen.
Projekte brauchen Hilfe
Der Kampf geht derweil auch im Bernbiet weiter. Denn mit der Schliessung von Langnau stellen sich laut Ansicht des Berner Bauernverbandspräsidenten mehrere Fragen. «Notschlachtungen sind ungelöst», erinnert er. «Da brauchen wir rasch und dem Tierschutzgesetz entsprechend Lösungen», weiss Hans Jörg Rüegsegger. Die Schliessung des Grossschlachthofs sei eine Baustelle, eine weitere aber die stockenden regionalen Bauprojekte. So mühen sich diverse kleine Metzgereien mit den kantonalen Behörden ab. «Hier sind wir noch nicht fertig mit diskutieren. Wir werfen dem Kanton vor, dass er solchen unternehmerisch handelnden Betrieben nicht rascher zu Lösungen verhilft. Wir brauchen diese Schlachtbetriebe», so Rüegsegger.
An einer Hand abzählbar
Die Anzahl der grossen Schlachtbetriebe kann auch in der Zentralschweiz an einer Hand abgezählt werden. Der mit Abstand bedeutendste Schlachthof ist die FF Frischfleisch AG in Sursee LU. Dieser gehört zu den fünf grössten Fleischverarbeitungsbetrieben der Schweiz. Gemäss Website wurden im Jahr 2021 rund 250'000 Schweine, 12'000 Stück Grossvieh und fast gleich viele Kälber geschlachtet.
Der zweitgrösste Zentralschweizer Betrieb ist die Reichmuth Fleischwaren AG in Schwyz, wo jährlich rund 40'000 Schweine und je rund 5000 Stück Grossvieh und Kälber geschlachtet werden. Bedeutende Schlachtzahlen weisen auch die Vonwyl Fleisch GmbH in Ettiswil LU und die Metzgerei Gabriel AG in Wolfenschiessen NW aus. Bis vor wenigen Jahren schlachtete auch die Hans Felder AG noch im eigenen Betrieb mitten im Dorf Schwyz eine schöne Zahl an Tieren. Das Unternehmen plante ausserhalb des Dorfes einen neuen Schlachtbetrieb, welcher aber infolge Einsprachen nicht realisierte werden konnte.
Ausserhalb geschlachtet
So wird also viel Schlachtvieh aus der Zentralschweiz ausserhalb der Region geschlachtet. Viele Tiere gehen an den Zentralschlachthof Hinwil AG im zürcherischen Hinwil und an den Schlachtbetrieb Zürich AG. Diese beiden Schlachthöfe liegen für Zentralschweizer Tierlieferanten geografisch teils sogar günstiger als Sursee. Auch von der Markthalle Rothenthurm aus, wo die Schwyzer Viehvermarktungs AG an ihren öffentlichen Märkten jährlich gegen 3000 Stück Schlachtvieh vermarktet, ist der Anfahrtsweg nach Hinwil kürzer als nach Sursee.