Die aktuellen Temperaturen lassen nicht nur uns ins Schwitzen kommen, auch das Nutzvieh leidet extrem darunter, wenn keine Vorkehrungen getroffen werden. In der Geflügelhaltung sind es vor allem Masttiere, die durch ihre mastbedingte Körpermasse und den erhöhten Stoffwechsel viel Wärme produzieren – besonders in der Endmastproduktion. Geflügeltiere können diese Wärme nicht so wie wir durch Schwitzen abgeben, denn ihnen fehlen die Schweissdrüsen.
Besonders kritisch sind schwülwarme Temperaturen
Sobald die Aussentemperatur auf über 27°C steigt (Hitzestress), beginnen sie zu hecheln, spreizen ihre Flügel ab und sind bewegungsträge, dies, um Wärme abzugeben und so wenig wie möglich zusätzliche Energie zu produzieren.
[IMG 4] Besonders kritisch sind schwülwarmes Wetter sowie hohe Temperaturen auch in der Nacht. «Legeleistungseinbrüche und Gewichtsabnahmen können die Folge sein. Im schlimmsten Fall tritt der Tod ein», warnt Kristian Düngelhoef. Er ist Fachtierarzt für Geflügel in Deutschland und hat an einem Webinar des Netzwerks «Fokus Tierwohl» zum Thema Hitzestress bei Geflügel referiert. Dabei ging er auf das Erkennen von Hitzestress bei den Tieren sowie auf zu treffende Massnahmen ein. Welche gemäss Schweizer Tierschutzgesetz auch hierzulande erlaubt sind, werden nachfolgend genannt.
Gefahren von Hitzestress
Dehydratation, Kreislaufversagen und Proteindenaturierung sind Folgen eines Hitzestress bei Geflügel (Langzeitfolgen siehe Kasten). «Durch vermehrte Hitze sind die Tiere geschwächt und nehmen weniger Wasser auf. Sie trocknen quasi aus, was schlussendlich zum Kreislaufversagen führt. Überschreitet die Körpertemperatur einen bestimmten Wert, denaturiert das Protein im Körper des Geflügels – was beim Kochen auch passiert», erklärt Kristian Düngelhoef. Eine solche Überhitzung auf 43–44°C führe zum Tod (normale Körpertemperatur zirka 41°C).
[IMG 1]
Langzeitfolgen von Hitzestress
Geflügel reagiert bei Hitzestress mitunter mit Hecheln. Das dadurch bereits geschwächte Tier kann leichter Erreger aufnehmen und ist anfälliger auf Krankheiten, die im Stall vorkommen. Des Weiteren kann Hitzestress folgende Auswirkungen haben.
Folgen bei Legehennen
- reduzierte Futteraufnahme – bei Puten bis zu 30 % weniger
- reduzierte Eigrössen
- reduzierte Legeleistung
- reduziere Schalenqualität (durch Hecheln/Hyperventilation gestörter Säure-Basenhaushalt)
- Halsmauser (stress-induzierte Mauser)
- Federpicken und Kannibalismus, v. a. bei Jung- und Legehennen – folgend mit einer E.-coli-Infektion
Folgen bei Mastgeflügel
- reduzierte Mastleistung
- Atemwegsinfektionen (z. B. Coli, ORT, infektiöse Bronchitis).
Feiner Nebel bewirkt Abkühlung
Was können Produzenten tun, um Hitzestress entgegenzuwirken? Die effizientesten Massnahmen sind die Kühlung mittels hoher Luftgeschwindigkeit und mittels Verdunstung von Wasser. Letzteres entzieht der Luft Energie und hat deshalb einen kühlenden Effekt. «Viele arbeiten mit einer Sprühkühlung. Diese kann aber Fluch und Segen sein», weiss Kristian Düngelhoef. In gewissen Situationen würden damit Atemwegsinfektionen gefördert werden. Durch die Kombination aus Feuchtigkeit und Kühle könnten die Tiere zudem keine Verdunstungskälte mehr erzeugen und kippen um.
«Eine Sprühkühlung kann Fluch und Segen für das Geflügel sein.»
In gewissen Situationen würden auch Atemwegsinfektionen damit gefördert werden, sagt Fachtierarzt Kristian Düngelhoef.
Um keine tropischen Verhältnisse zu bewirken, sollte auf eine Befeuchtung der Luft bei hoher relativer Luftfeuchte (> 80 %) verzichtet werden – «daher vorab klären, wie feucht es an dem Tag ist und ob ein Gewitter aufzieht», so Düngelhoef. Die Luftfeuchtigkeit steigt vor allem gegen Abend an, wenn die Temperatur sinkt. Zudem ist bei der Wasservernebelung im Stall auf eine Vernässung der Einstreu zu achten. Idealerweise sollte mit einem feinen Sprühnebel gearbeitet werden, der in einem bewegten Luftstrom nicht absinkt.
Das Schweizer Aviforum empfiehlt folgende Vorkehrungen:
- Fest installierte Hochdruck-Vernebelungsdüsen über gesamte Stalllänge.
- Umluftventilatoren im Stall mit einem Düsenkranz zur Wasservernebelung.
- Cool-Pads (wasserberieselte Waben) oder wasserberieselte Netze, Jutesäcke oder Vlies vor den Zuluft-Öffnungen.
- Vorplätze/Stallseiten, wo die Frischluft eintritt bzw. wo ein Grossraumlüfter steht, mit Wasser berieseln (z. B. mit Rasensprinkler).
- Schlecht isolierte und/oder sonnenexponierte Stall- und Wintergartendächer mit Wasser berieseln.
Für hohe Luftgeschwindigkeit sorgen
Einen kühlenden Effekt kann auch eine ausreichend hohe Luftgeschwindigkeit erzeugen. Der Luftstrom sollte dabei direkt auf Tierhöhe ausgerichtet sein, um die von den Tieren produzierte Wärme abzutransportieren. Eine hohe Luftgeschwindigkeit wird erzeugt, indem man die maximale Leistung der Ventilatoren ausnutzt. Auch Grossraum- oder Umluftventilatoren im Stallvorraum bzw. beim Stalleingang sorgen für eine höhere Luftgeschwindigkeit. Diese sollten aber so platziert werden, dass sie die Luft von der kühleren Seite des Stalls ansaugen – ein Standortwechsel im Laufe des Tages ist wegen wechselnder Besonnung angebracht.
Bei grösseren Schwankungen zwischen den Tag- und Nachttemperaturen im Sommer sollte der Regelbereich der Lüftung angepasst werden, empfiehlt Kristian Düngelhoef. Denn bei schnellem Temperaturabfall am Abend, muss auch die Lüftung zeitnah angepasst werden, um nicht über längere Zeit kalte Luft dem Stall zuzuführen. Krankheiten wie E.-coli-Infektionen können die Folge sein. Tote Ecken sollten mit einem Zusatzlüfter ausgerüstet werden, da sich dort am häufigsten Tiere ansammeln, die später der Hitze erliegen.
Seitliche Klappen und Türen öffnen
Werden bei Hitze die Stalltore geöffnet (auch in Kombination mit einem Grossraumlüfter) verhindert ein Drahtgitterrahmen in der Toröffnung das Eindringen von Haus- und Wildtieren.
Mit Seitenklappen kann teilweise ein Temperaturunterschied von 7–8°C gegenüber dem Aussenbereich erreicht werden, «was eine deutliche Entspannung bei den Tieren veranlasst», so Kristian Düngelhoef. Das vordere Element der Seitenklappen sollte dafür nur wenig geöffnet (Zuluft), das mittlere Element ganz geschlossen und das hintere Element weit geöffnet werden (Abluft) – siehe Grafik. Die Firstlüftung ist ganz zu schliessen.
[IMG 3]
Das Aviforum rät zudem, sonnenexponierte Stallfenster und Lichtplatten im Wintergartendach zu beschatten, z. B. mit einem weissen Vlies. Auch Windschutznetze im Wintergarten reduzieren die Sonneneinstrahlung.
Mehrfache Kontrollgänge durchführen
Mehrfache, vorsichtige Kontrollgänge während des Tages sind ebenfalls ein Muss. «Die ruhenden Tiere sollten, ohne Stress zu erzeugen, aufgetrieben werden. Denn unter der schweren Brust staut sich die Wärme, wenn sie abliegen. Auch werden sie durch das Auftreiben animiert, zur Tränke zu gehen und Wasser aufzunehmen», sagt der Experte.
Besonderheit Mobilställe
In Mobilställen besteht die Gefahr der Bildung von Stauungswärme. Man besitzt keine Sprühkühlung oder ausreichende Ventilation, das Tränkwasser kann sich in Tanks deutlich erhitzen und die Hennen gehen teilweise nicht mehr in den Stall, um zu trinken, weil dieser zu warm ist. Hier ist vom Produzenten Vorausschau gefordert. «Mobilställe sollten an einen Schattenplatz versetzt werden», so Kristian Düngelhoef. Zudem müssen die Tränkwassertanks täglich mit kühlem Wasser befüllt werden. Gegebenenfalls sollten im Scharrbereich unter dem Stall Wasserschalen aufgestellt werden (ohne Wildvögel anzulocken: Gefahr Geflügelpest).
[IMG 5]
Portable Zusatzlüfter können im Mobilstall für einen Kühlungseffekt sorgen, aber auch eine Befeuchtung des Stalldachs durch Sprinkleranlagen oder manuelle Bewässerung mit einem Schlauch kann die Innentemperatur senken. Werden zwei gegenüberliegende Stallfenster oder Luken geöffnet, muss Zugluft auf Höhe der Tiere vermieden werden.
Ergänzungsmittel dem Tränkwasser zufügen
Kristian Düngelhoef empfiehlt zudem, in Absprache mit dem Tierarzt Zusatzstoffe wie Vitamin C (mind. 24 Stunden vor Verladebeginn) und Mineralsalze über die Tränke zuzuführen (Achtung Biofilmbildung – Tränkeleitungen nach Hitzeperiode reinigen): Durch das Hecheln der Tiere wird vermehrt CO2 abgegeben. Dies kann zu einer respiratorischen Alkalose mit Störung des Elektrolythaushaltes führen. Die Zugabe von Elektrolyten kann Abhilfe schaffen.
Vitamine C unterstützt den Stoffwechsel und stabilisiert den Kreislauf der Tiere. Die Verlagerung der Futtergaben in die kühleren Morgen- oder Abendstunden kann den Kreislauf und den Stoffwechsel entlasten.
Nur nachts transportieren
Hitzestress kann auch ein Problem beim Verladen werden. Auch hier hilft eine Vitamin-C-Gabe im Vorfeld, um den Stress zu reduzieren. Mobile Lüfter neben den Transportfahrzeugen erzeugen Luftbewegung beim Verladen. Der Transport selber sollte über Nacht stattfinden, wo die Temperaturspitzen nicht vorhanden sind.
Werden all diese Massnahmen beachtet, sind Hitzetote heutzutage sehr selten anzutreffen. Leistungsdefizite können zudem minimiert werden, verspricht der Fachmann.