«Für mich hat sich eine neue Welt aufgetan», sagte Ursula Küchler vom Panoramahof in Meggen. Sie habe vorher nur wenig über Schweine gewusst, dank intensivem Kontakt in den letzten Monaten nun aber feststellen könne, wie aktiv und intelligent diese Tiere seien. Auf dem Panoramahof werden seit Anfang 2023 und noch bis Ende Jahr einige Muttersauen und Ferkel auf freiem Feld und im Wald gehalten, im Rahmen eines Projektes der Albert-Koechlin-Stiftung (AKS). Dieses wird begleitet vom Forschungsinstitut für biologischen Landbau (FiBL). Damit soll das natürliche Verhalten von Schweinen in natürlicher Umgebung untersucht und der Öffentlichkeit das Tier Schwein wieder näher gebracht werden. Zumal ja im Kanton Luzern rund 400 000 Schweine leben, von denen aber nur wenige zu sehen seien, wie Patrick Ambord von AKS bemerkte.

Tierwohl fördern

Er wies darauf hin, dass sich die private Stiftung im Bereich Landwirtschaft auch für das Tierwohl einsetze und deshalb Programme führt, welche Bauernfamilien finanziell unterstützen, welche ihren Betrieb besonders tierfreundlich ausrichten.

Erkenntnisse des Projekts

Untersucht wurden im Projekt Verhaltensweisen wie Nestbau und Sau-Ferkel-Beziehung, Verhalten von unkastrierten Jungebern, Futtersuch- und Suhlverhalten. So konnte festgestellt werden, dass das Nestbauverhalten je Sau unterschiedlich ausgeprägt war und die Ferkel mit 14 bis 15 Wochen natürlich abgesetzt wurden. In der herkömmlichen Schweinehaltung werden die Ferkel mit vier Wochen, im Biolandbau mit sechs Wochen getrennt.

Die unkastrierten Jungeber hätten sich untereinander teils recht aggressiv verhalten, mit Kämpfen, Beissen und Kopfschlagen. In der herkömmlichen Haltung werden Eber zur Vermeidung des Ebergeruchs kastriert. Ausgeprägt war das Futtersuchverhalten wie Wühlen und Grasen, und zwar unabhängig von der zugefütterten Futtermenge. Dies erfolge offensichtlich intrinisch, aus einem inneren Antrieb. In der klassischen Schweineproduktion könne das Such- und Wühlverhalten kaum ausgelebt werden.

Ein Suhlverhalten wurde bei älteren Schweinen deutlich mehr beobachtet als bei jüngeren Tieren. Die Ferkel hätten mit rund sieben Wochen angefangen, die Suhle zu nutzen. Nicht gerne hatten die Schweine hingegen Regen, schätzen aber Nässe zum Abkühlen. Weil Schweine nicht schwitzen können, sei in der Haltung gesetzlich vorgeschrieben, dass Abkühlungsmöglichkeiten nötig seien. Suhlen oder Pools gebe es in der Praxis bisher aber nur wenige.

Das Projekt «Schwein-Erleben» wurde anlässlich des 25-Jahr-Jubiläums der Stiftung lanciert, als Forschungsangebot, Bildungsmöglichkeit für Schulklassen sowie für die breite Bevölkerung. Für die Haltung im Wald mit den entsprechenden Einrichtungen wie Umzäunung und weitere bauliche Anlagen habe es eine Sonderbewilligung des Kantons gebraucht, Ende Jahr werde aber wieder alles abgeräumt.

Speziell wurde dank einer doppelten Umzäunung darauf geachtet, dass kein Kontakt zu allfällig durchziehenden Wildschweinen möglich ist, um Risiken der Übertragung der Afrikanischen Schweinepest zu verhindern. Und Schäden im Wald sind nicht zu erkennen, zumal ja in den grosszügigen Gehegen nur wenige Schweine leben, wie an einer Begehung festgestellt werden konnte. Zur Bodenschonung wurden alternierend je Jahr mehrere Wald- und Weideparzellen genutzt. Für die Beobachtung der Schweine sind im Waldgehege 20 Kameras installiert.

So würden Schweine leben

Mitte Juni wurden die Medien über die Zwischenerkenntnisse aus dem dreijährigen Projekt informiert, Ende Juni fand eine Begehung für Fachleute und gleichentags bei Sommerhitze ein Tag der offenen Tür für die breite Bevölkerung statt, wo die drei Sauen mit ihren Ferkeln und der Eber im kühlen Wald beobachtet werden konnten. Auf grosses Interesse stiess die Präsentation bei Fachleuten, mit rund 40 Teilnehmern aus der Forschung, Beratung und auch von Stallbauplanern, während an der öffentlichen Begehung nur knapp zwei Dutzend Leute auszumachen waren.

Für Barbara Früh vom FiBL konnten mit dem Projekt wertvolle Erkenntnisse bestätigt oder gewonnen werden – und zwar zum Verhalten von in der Praxis verbreiteten, auf Intensität gezüchteten Edelschweinen, die hier nun in ungewohnt natürlicher Umgebung gehalten werden konnten. «Wir wissen oft gar nicht mehr, was die Schweine eigentlich gerne tun würden, wenn sie die Möglichkeiten hätten.»

Konsumenten entscheiden

Es sei langfristiges Ziel, dass die Erkenntnisse zu Veränderungen in der Lehre und bei den Haltungssystemen führen, und anderseits solle auch die Konsumentenschaft sensibilisiert werden, beim Kauf von Fleisch mehr auf das Tierwohl zu achten.

Sie wies weiter darauf hin, dass viele Faktoren für Haltungssysteme und den Stallbau zu beachten seien. So neben den tierartspezifischen Ansprüchen auch gesetzliche Auflagen, die Bedürfnisse der Produzenten, Boden und Topografie, landwirtschaftliche Traditionen, Klima, Umweltschutz und Biosicherheit.[IMG 2]

Sensibilisiert wurden auch junge Konsumentinnen und Konsumenten. Bisher seien über 80 Schulklassen zu Besuch gekommen und hätten an Workshops teilgenommen. Dies in Zusammenarbeit mit dem Naturmuseum Luzern; dort sei übrigens noch bis Oktober eine Ausstellung zum Thema «Schwein-zigartig» zu sehen.

In den nächsten Monaten würden die Verhaltensbeobachtungen abgeschlossen. Die Ergebnisse würden in Form von wissenschaftlichen Artikeln publiziert. Zu den Verhaltensweisen der Schweine auf dem Panoramahof sei auch ein Film entstanden, welcher künftig in Lehre und Beratung genutzt werden soll.

Mehr Infos zum Projekt

Stimmen zu den Ergebnissen

Für Barbara Früh vom FiBL könnten vor allem die Erkenntnisse zum Futtersuch- und Beschäftigungsverhalten am ehesten ohne grossen Aufwand in die Praxis einfliessen. Auch der Kühlung müsse mit vernässten Stellen mehr Beachtung geschenkt werden.

Bioberaterin Stefanie Bergmann vom BBZN Schüpfheim will künftig mehr des gewonnenen Wissens zu den natürlichen Bedürfnissen der Schweine in den Unterricht und die Beratungstätigkeit einfliessen lassen. Bestätigt und gleichwohl beeindruckend sei die Bedeutung der Beschäftigung der Schweine, auch um Verhaltensstörungen und Kannibalismus zu vermeiden. Und auch für sie ist wichtig, die Kühlmöglichkeiten zu optimieren, allerdings nicht durch Beregnung. Viele Erkenntnisse könnten aber wohl erst langfristig in der herkömmlichen Nutztierhaltung umgesetzt werden, vor allem wenn dies mit teuren baulichen Investitionen verbunden ist. «Die Mehrkosten sind wohl kaum durch höhere Preise kompensierbar», meint Bergmann. Zumal schon heute feststellbar sei, dass marktbedingt Label- und Bioschweine nur Nischen sind. Es brauche deshalb auch ein entsprechendes Konsumverhalten und nicht nur Forderungen nach mehr Tierwohl.

Hubert Hartmann, Projektleiter Schweine bei der Stallbaufirma Krieger AG, war beeindruckt vom Nestbauverhalten der hochtragenden Sauen. Zumal diese offenbar fast im Minutentakt Äste aus dem Wald zur Geburtshütte holten, was doch eine gute Fitness bedinge und eine Top-Geburtsvorbereitung sei. Da könne durchaus die Lehre gezogen werden, künftig Abferkelbuchten grösser zu bauen, um den Sauen mehr Bewegung zu ermöglichen. Überhaupt sei ausreichende Beschäftigung noch mehr zu gewichten, um Stress zu vermindern. Und Suhlen oder Pools könnten künftig mehr gebaut werden, gerade bei Galtsauen, die ja in Gruppen gehalten werden, findet der Planer.