«Es ist kein Schaf, das man einfach auf die Weide stellt und auf die Direktzahlungen wartet», sagt Cecile Aschwanden. Die Risikomanagerin aus der Innerschweiz hält zusammen mit Alexander Grädel aus Huttwil BE Merinoschafe.
Mikron misst den Feinheitsgrad
Sie haben Tiere gezüchtet, die einem internationalem Qualitätsstandard entsprechend höchstwertige Wolle hergeben. Zertifiziert mit 17,8 Mikron nimmt sie es mit Kaschmir auf. Mit der Einheit Mikron wird die Feinheit der Wolle gemessen. Führend in der Merino-Zucht und Wollherstellung ist Australien. Der Weltmarktführer definiert auch die Wollqualität. Von 17 bis 18.5 Mikron ist es Superfine-Wolle. «Swiss Merino Superfino», nennen Aschwanden und Grädel deshalb ihr Projekt.
Galt bislang als unmöglich
«Bislang haben Vertreter von Agroscope, der landwirtschaftlichen Forschungsanstalt des Bundes, die Lehrmeinung vertreten, in der Schweiz könne man keine erstklassige Wolle mit Merinos ziehen. Das Wetter sei zu nass, die Wolle verfilze», sagt Cecile Aschwanden. Mit ihrem Projektpartner hat sie nun das Gegenteil bewiesen. Mit den ersten Proben der Wolle war Aschwanden Anfang März am Swiss Yarn Festival in Zweidlen-Glattfelden ZH, einer Veranstaltung «für Woll-und Garn-Enthusiasten». Die Fachleute dort hätten fast nicht glauben können, «wie fein unsere Wolle ist.»
Umweg über Kaschmirziegen
Cecile Aschwanden hielt zuerst Kaschmirziegen. Über den entsprechenden Zuchtverein lernte sie Alexander Grädel kennen, «der zufällig auch dessen Präsident ist». Die ersten Ziegen kaufte Aschwanden bei einer Züchterin in Devon (England). Diese züchtet auch als einzige in Europa Saxon-Merinoschafe auf der Basis australischer Genetik, und verkaufte Cecile Aschwanden nach langen Verhandlungen die ersten Tiere. 2017 nahm das Swiss-Merino-Projekt seinen Anfang.
Herde umfasst knapp 80 Tiere
Mittlerweile umfasst die Herde von Saxon-Merinos, welche Wolle der Qualiät Superfein produzieren, knapp 80 Tiere. Bei Alexander Grädel in Huttwil leben die Auen, Lämmer und Zuchtböcke. Ein anderer Landwirt betreut für Cecile Aschwanden die Böcke in Bonau TG. «Wir halten sie im Grundsatz gleich wie andere Schafe», sagt Alexander Grädel.
Auf der Hauptweide steht ein Weidezelt und man müsse die Möglichkeit haben, sie einzustallen, wenn man sie in den Wintermonaten schere. Werden die Merinoschafe nass, dauert es aufgrund des extrem dichten Vlieses länger, bis sie trocken sind als bei anderen Rassen. «Lesley Prior – die englische Züchterin – schaut aber mehr darauf, dass sie die Schafe bei lang anhaltender Nässe rein nimmt», erzählt Grädel.
«Unsere Tiere sind anders zu scheren»
Die Schafe werden alle acht bis zehn Monate geschoren, wenn die Wollfasern 7 bis 9 cm lang sind. «Unsere Schafe sind anders zu scheren», sagt Cecile Aschwanden. Sie haben einen Schweizer Profischerer gefunden, der eine kleine Zusatzausbildung bei einem australischen Berufskollegen absolviert hat. «Das Scheren ist etwas diffiziler, sie haben mehr Lanolin im Vlies und die Zucht will möglichst viele Haarfollikel pro Quadratzentimeter.»
Weitere Landwirte gesucht
Bislang haben Cecile Aschwanden und Alexander Grädel all ihre Tiere behalten. «Wir sind erst ab diesem Jahr in der Lage, überhaupt Tiere zu verkaufen.» Sie suchen nun weitere Landwirte für ihr Projekt. «Es müssen Leute sein, die bereit sind, in der Nische mitzumachen. Es ist kein Zweinutzungsschaf», sagt Cecile Aschwanden. Man müsse bereit sein, sich den Qualitätstests und der strengen Zuchtauswahl zu stellen.
Bei der Wolle erst Kleinstmengen
«Bei der Wolle haben wir erst Kleinstmengen», so Aschwanden. Aus den ersten 150 Kilo konnten sie 75 Kilo Kammzüge gewinnen. Die Rohwolle musste gewaschen, kardiert und gekämmt werden, bevor sie zu Garn versponnen werden kann. Die Verarbeitung übernahm das italienische Unternehmen Pettinatura di Verrone, das normalerweise Industriechargen von mehreren Tonnen verarbeitet.
Soll bald auch Strickwolle geben
Für das Verspinnen zu Web- und Strickgarn wird eine Schweizer Spinnerei ins Auge gefasst. Bislang gibt es noch keine Strickwolle aus der Merinowolle. Die Kammzüge werden über das Familienunternehmen von Alexander Grädel vermarktet. Spycher Handwerk in Huttwil ist bereits auf Naturprodukte aus Wolle spezialisiert. «Ansonsten ist die Produktion feiner Wolle in der Schweiz einfach noch kein Thema, schade, denn sie kann ein nachhaltiges Produkt sein», bedauert Cecile Aschwanden.
Internationales Interesse
Sie möchte bald einen Launch für ihr exklusives Produkt veranstalten. Es soll auch Strickwolle für jedermann von den Merinoschafen geben. Das Interesse an den Tieren und ihrer Wolle sei ebenfalls international vorhanden. Die International Wool Textile Organisation (ITWO) und mehrere der grossen globalen Wollhändler wollten ein europäisches Merino-Projekt fördern, erzählt sie.
Ende Mai sollte Aschwanden an der Konferenz der IWTO, bei der Swiss Textiles ebenfalls Mitglied ist, in Brüssel (Belgien) einen Vortrag über Swiss Merino Superfino halten. Wegen der Corona-Krise finden der Kongress und ihr Referat nun digital statt.
Weitere Informationen: www.swiss-merino.ch www.spycher-handwerk.chwww.itwo.org