Eine Woche bis zehn Tage früher als im langjährigen Schnitt und Tür an Tür mit Campierenden, so lässt sich überspitzt der Start in den Zentralschweizer Alpsommer 2020 beschreiben.
«Die Alpbeizli werden wohl viel zu tun haben.»
Der Urner Damian Gisler zum Sommertourismus.
Zehn Tage früher auf die Alp
«Wenig Schnee und ein milder Frühling», wie stellvertretend für die ganze Region Heiri Niederberger vom Amt für Landwirtschaft Nidwalden begründet, führten zu diesem frühen Alpaufzug. Bereits Mitte Mai waren etwa Luzerner Alpen bis 1300 m ü. M. bestossen. Auch der Urnerboden, die grösste Schweizer Kuhalp, sei bereits in Beschlag, weiss Damian Gisler vom Urner Amt für Landwirtschaft. Seines Wissens war dies die erste Bestossung im Monat Mai. Tatsächlich scheinen die eher feuchten Alpen in der Zentralschweiz vorläufig von der Klimaveränderung zu profitieren. Wärme und Trockenheit bekommen den Weiden gut. Obwohl sich Pius Schmid, Präsident des Alpwirtschaftlichen Vereins Kanton Luzern, schon seine Gedanken macht, wenn es bereits Anfang Juni Staub aufwirbelt, wenn das Jungvieh zu den Stallungen kommt.
Selten ein Problem auf den meist familienintern betriebenen Alpen ist die Personalsuche. Höchstens bei den Alpkäsern sei es manchmal etwas schwieriger. Bekanntlich liest sich ein Alpsommer auch bei vielen Unterländern noch immer gut im Lebenslauf, die Nachfrage ist weiterhin da. Generell könne man aber schon festhalten, dass die Suche nach geeignetem Alppersonal sicher nicht einfacher werde, findet Damian Gisler. Auch bei der Bestossung hilft, dass vielfach bereits das eigene Vieh einen grossen Teil des Normalbesatzes ausmacht. Daneben wirke der Alpungsbeitrag positiv, so Pius Schmid. Talbauern seien durchaus an der Sömmerung interessiert. In Uri nehmen in der Tendenz die Mutterkühe zu, die Schafe ab.
«Wenig Schnee und ein milder Frühling.»
Heiri Niederberger, Nidwalden, zum frühen Aufzug.
Bedeutung für den Tourismus
An einem Thema gibt es diesen Sommer kein Vorbeikommen, heisst es aus allen Zentralschweizer Kantonen mit Sömmerung. Und zwar dem Tourismus. «Die Alpbeizli werden wohl viel zu tun haben», sagt Damian Gisler. Durchaus auch eine Herausforderung für die Betreiber, findet auch Martin Amgarten vom Amt für Landwirtschaft Obwalden. Vor allem unter den gegebenen Umständen. Es zeige sich die Bedeutung des Sömmerungsgebiets als Erholungsraum, ergänzt Pius Schmid. Die Offenhaltung der Landschaft mache den Alpenraum attraktiv. Er selber staunte nicht schlecht, als über die verlängerten Wochenenden gleich eine Handvoll Wohnmobile bei einer Grillstelle nahe seiner Alp auffuhren. Und noch nie seien so viele Wanderer vorbeimarschiert, davon profitiere auch der Hofladen.
Der Wolf geht um
Vor allem im Urnerland blicken viele der Alpsaison mit gemischten Gefühlen entgegen. Im Urserental wurden vergangene Woche und über Pfingsten insgesamt ein Dutzend Schafe gerissen, über 20 werden noch vermisst. Dabei handelte es sich um ungeschützte Herden. «Nicht alle Alpen sind schützbar», sagt Damian Gisler dazu. Aufgrund der Wolfspopulation in der Schweiz – Fachleute gehen von um die 80 Tieren aus – überrasche der Sachverhalt aber nicht.