Mit ihrem grandiosen Euter war sie vor 40 Jahren den anderen Kühen weit voraus: Wir reisen ins Jahr 1986 zurück, als die Albrist-Tochter Calanda von der Familie Heinz Eberhard aus Pieterlen, Bern mit elf anderen Kühen aus der Schweiz an die internationale Landwirtschaftsmesse SIA nach Paris (F) reisen durfte. Heinz Eberhard wusste von vornherein, dass er Calanda nach Ende der Ausstellung nicht mehr in seinem Stall sehen wird. Wegen den IBR (Infektiöse bovine Rhinotracheitis)-Bestimmungen durften damals die Schweizer Kühe die Heimreise nicht mehr antreten und mussten verkauft werden. Alle Kühe gingen damals an deutsche Züchter.
Unsere Sommerserie
Die Sommerserie der Regionalredaktion Nordwestschweiz, Bern und Freiburg ist in diesem Jahr eine Reise in die Vergangenheit. Menschen erzählen von Ereignissen, welche ihr Leben veränderten, reisen gedanklich in diese Zeit zurück.
Er hat 40 Jahre lang den Betrieb geführt
«Ich kann mich noch gut an Calanda erinnern», sagt der 82-jährige Heinz Eberhard. 40 Jahre lang hat er zusammen mit seiner Frau Margrith und den drei Söhnen Ueli, Urs und Jürg den Pachtbetrieb Ziegeleigut in Pieterlen bewirtschaftet. «Calandas Vater Albrist war ein reiner Simmentalerstier und Calanda hatte ab der zweiten Laktation mit ihrem Exterieur so richtig auftrumpfen können», sagt der pensionierte Züchter.
Calanda überzeugte aber auch bei ihrem neuen Besitzer in Deutschland. Unter anderem holte sie dort an einer Ausstellung den Schöneuterpreis über alle Rassen. Eberhard weiss noch, wie er ein Jahr später mit der Schaukommission an die DLG-Ausstellung nach Frankfurt (D) reiste und sie dann Calanda auf dem Heimweg besuchten. «Der damalige Reiseführer Dr. Ernst Jenni, sagte zu mir: Heinz, sag etwas über deine Kuh. Als sie dann meine Stimme hörte, fing sie sofort zu muhen an.»
Viele Erfolge in der Viehzucht gefeiert
Calanda war aber nicht die einzige Kuh, die bei Eberhards für Furore sorgte: Vier Zuchtfamilienschauen, drei 100 000er-Kühe und viele Podestplätze an regionalen- und internationalen Schauwettbewerben gingen auf ihr Konto. «Vor allem die Stiere Trimbo und Caveman haben unsere Zucht nachhaltig beeinflusst», weiss Heinz Eberhard noch. Hingegen habe der Stier Topper bei ihnen wenig gebracht.
So stand seinerzeit auch eine der schönsten Trimbo-Töchter in ihrem Stall. Ihr Name war Carmen, Klassesiegerin an der Bernischen Eliteschau 1991 und Reserve-Schöneutersiegerin an der Schweizerischen Red-Holstein-Ausstellung in Burgdorf 1992. Ihre Grosstochter Rolin Caroline nahm im Jahr 2000 sogar an der Europameisterschaft in Brüssel (B) teil. Eine weitere Trimbo-Tochter, die jedes Herz höherschlagen liess, hiess Farah. Auch sie vertrat einmal die Schweizer Farben an der SIA in Paris. Wegen den geänderten IBR-Bestimmungen durfte sie aber nach der Ausstellung wieder nach Hause reisen. Farah erreichte schliesslich eine Lebensleistung von über 100 000 kg Milch.
Als Experte strenge aber schöne Zeiten erlebt
Wer Heinz Eberhard kennt, weiss, dass er ein begnadeter Züchter und Experte war. 1981 trat er in die Bernische Schaukommission ein, 1985 wurde er Gruppenleiter und von 1991 bis 1993 präsidierte er die Schaukommission. Eberhard stand dem Seeländischen – wie auch dem Bernischen Fleckviehzuchtverband als Präsident vor. «Es war eine strenge, aber sehr schöne Zeit», erinnert er sich zurück. Vor allem die Beständeschauen lagen ihm am Herzen. «Die Viehschauen hatten vor 40 Jahren noch einen anderen Stellenwert als heute», sagt er nachdenklich. Gibt es da einige Anekdoten aus seiner Expertenzeit? «Ja, die gibt es», sagt er lachend.
Zum Beispiel mussten er und seine Gruppe einmal in einer Woche 47 Kühe «kreuzigen». «Das heisst, wir mussten sie vor allem wegen ihrer Grösse (unter 130 cm) und hauptsächlich wegen der Euterform und den Zitzen aus dem Herdbuch ausschliessen», weiss er noch. Damals hatten die Experten auch noch einen Massstab bei sich. Oder als die ersten Töchter des Stieres Tano, der von Jakob Niklaus (selig) aus Hindelbank gezüchtet wurde, abgekalbt haben. «Ich war damals als Experte an der Viehschau in Hindelbank eingeteilt und die Tano-Töchter waren halt einfach nur durchschnittlich. Am Sonntagmorgen, ich wollte gerade mit meiner Frau in die Kirche, ruft mich Jakob Niklaus an. Ich deutete meiner Frau noch zu, dass sie schon mal alleine gehen soll. Als sie dann nach der Predigt wieder nach Hause kam, war ich immer noch am Telefon», sagt er schmunzelnd.
Die einzige Kuh mit 99 Punkten
In bester Erinnerung bleibt Heinz Eberhard auch die Viehschau in Turbach. Aufgeführt wurde dort auch die legendäre Omega, die einzige Kuh die jemals mit 99 punktiert wurde. «Für in den Ring schrieb ich sie schon mal mit zwei Nullen an. Alle fragten mich, willst du ihr jetzt noch 100 Punkte geben? Im Ring zog ich dann bei den beiden Nullen einfach einen Strich nach unten und schon hatte sie wieder 99 Punkte», weiss er noch. «Ja, die Schauen waren früher noch wichtige Ereignisse und viele Kühe wurden teuer gehandelt. «Ich war einmal dabei, als ein bekannter Oberländer für eine Simmentalerkuh, ein Stier und ein Rind, ein Bündel Geld aus der Jackentasche nahm und dem Besitzer 42 Tausendernoten auf den Tisch legte.»
Eine Gräfin wird Miss BEA
Auch die Bernische Eliteschau blieb ihm noch in bester Erinnerung. «Am Anfang (1985) wurden die Kühe noch vor dem Ausschluss der Öffentlichkeit und den Eigentümern klassiert. Wärter übernahmen das Vorführen», sagt Eberhard. Nach dem Einstellen begutachtete noch eine Oberjury die Klassierungen, erst danach wurden die Tore für die Zuschauer geöffnet. «Einmal ebnete sogar ich einer Kuh den Weg zum Titel, als ich 1988 die Simmentalerkuh Gräfin von Daniel Oberli aus Schangnau in ihrer Kategorie an erster Stelle setzte», sagt Eberhard. Gräfin holte dann am meisten Publikumsstimmen und wurde verdiente Miss BEA.
Das geschah noch im Jahr 1986
- Im Kernkraftwerk Tschernobyl in der Ukraine ereignet sich der bisher folgenschwerste Unfall: Eine Explosion des Reaktorgehäuses.
- Alphons Egli wird neuer Bundespräsident der Schweiz.
- Bei der 13. Fussball-WM in Mexiko gewinnt Argentinien gegen die Bundesrepublik Deutschland im Finale mit 3:2.
- Spanien und Portugal treten der Europäischen Gemeinschaft (EG) bei.
- Am 1. November bricht beim Schweizer Chemiekonzern Sandoz in einer Lagerhalle ein Feuer aus. Mit dem Löschwasser flossen hochgiftige Stoffe in den Rhein.