Mit einem Vorurteil räumt Ingrid Vervuert auf: Dass die Fütterung von Silage oder Heulage für Equiden grundsätzlich problematisch sei, würden Studien nicht bestätigen. Es lasse sich keine Übersäuerung oder eine Entgleisung der Mikroflora im Darm aufgrund dieser Futtermittel feststellen. Bei Problemen mit Kotwasser sei die Umstellung auf Heu aber ein Versuch wert.
Nordwestschweizer Pferdetag
Organisiert wurde der Anlass vor einer Woche von den Landwirtschaftlichen Zentren Liebegg, Ebenrain und Wallierhof. Dort referierte ebenfalls der Freiburger Gerichtsprädisent Alain Gautschi über den Pensionspferdevertrag und Leonie Bühlmann stellte das Lusitano-Gestüt Yeguada La Perla in Spanien vor. Am Nachmittag wurden der Aktivstall Bonsay in Neudorf und der Sagenhof in Römerswil besichtigt.
Europäisches Phänomen
Die Professorin vom Institutfür Tierernährung, Ernährungsschäden und Diätetik der Universität Leipzig (D) war eine der Referentinnen am Nordwestschweizer Pferdetag der LZ Liebegg, Ebenrain und Wallierhof. Sie stellte ihre Erkenntnisse zum Thema freies Kotwasser vor. Das Pferd setzt zwar normale Kotbollen ab, daneben spritzt oder tröpfelt aber auch eine schmutzig-braune Flüssigkeit aus dem Darm. Vervuert erlebt das als europäisches Phänomen, das in anderen Weltgegenden weniger ein Thema ist.Ihr Fazit zum Umgang mit Kotwasser: «Die Raufutterqualität muss optimiert werden und frühe Schnitte sind zu bevorzugen.»
Ergänzungsmittel wirken nicht Wunder
Die Lösung für alle Pferde gebe es allerdings nicht, machte sie keine Illusionen, auch im Hinblick auf die zahlreichen Ergänzungsmittel, von Probiotika bis zu Flohsamen, die auf dem Markt angepriesen werden. «Nichts davon hat sich als durchschlagend erwiesen», bei falscher Anwendung seien sie sogar schädlich. Bedampfen des Heus könne hingegen helfen, da es die Keime reduziere. Wegen des Proteinverlusts müsse die Ration dann aber mit Protein ergänzt werden.
Unbestrittene Ursachen für freies Kotwasser sind Zahnprobleme und Parasiten; auch Stress kann dem Pferd auf die Verdauung schlagen. Ein grosses Augenmerk ist gemäss Vervuert auf die Futterqualität zu richten. Häufig beobachtet sie Kotwasser im Zusammenhang mit der Fütterung von stark verholztem Heu aus dem ersten späten Schnitt.
Fütterungsempfehlungen
- Ruhige Futteraufnahme gewährleisten
- Zähne kontrollieren und bei Bedarf sanieren
- Parasitenbefall behandeln
- Kritische Futterkomponenten überdenken
- Kleine Veränderungen in der Fütterung oder Einstreu sind z. T. erfolgreich
- Getrocknete Graswürfel und Esparsette beim Übergang von der Weide- zur Stallhaltung (100 bis 200 g/100 kg KM)
- Trockenbierhefe (50 g/100 kg KM)
- Ganzer Mais (Stärke als energetisches Substrat zur - Fermentation im Dickdarm, 50 g/kg KM)
Verholzt und proteinarm
«Wir sollten uns von der Vorstellung verabschieden, dass Pferde in jedem Fall Heu aus spät geschnittenem Gras brauchen.» Das sei sinnvoll als Ergänzung zu hohen Kraftfuttergaben, aber nicht bei Heu als Hauptfuttermittel. «Später Schnitt bedeutet zunehmende Verholzung, schlechtere Verdaulichkeit und weniger Protein», zudem steige das Risiko von Pilz- und Bakterienbefall. Ein Vorteil älterer Bestände ist hingegen bei leichtfuttrigen Pferden der tiefere Energiegehalt. «Verdünnen Sie bei Bedarf mit Stroh», so der Ratschlag der Tierärztin.
Nach Ingrid Vervuerts Beobachtung reduzieren Luzernekomponenten die Häufigkeit von Kotwasser. Als mögliche Erklärung sieht sie den hohen Proteingehalt und die sehr gute Verdaulichkeit von Luzerne, ein Vorteil für die Mikroflora im Darm, die Proteine und leicht verdauliche Ballaststoffe wie Cellulose braucht. «Unser Heu wird immer proteinärmer, das kann zu Eiweissmangel trotz ausreichend Futter führen.» In der Schweiz eher zu hoch ist hingegen der Kalziumgehalt im Grundfutter, was die Nieren belastet. Darum sei ein kalziumarmes Mineralfutter zu bevorzugen.