Kühe sollten möglichst täglich, im Winter wenigstens dreimal in der Woche, ins Freie; entweder auf die Weide oder in einen Auslauf. Dabei bietet sich dem Landwirt eine gute Gelegenheit, die Tiere zu beobachten. Bewegen sich die Tiere frei, zeigen sie am besten, ob es ihnen wohl ist, ob sie brünstig sind oder ob etwas mit ihnen nicht in Ordnung ist.
Eigentlich gemütliche Tiere
Um das zu demonstrieren, wurden die Schaukühe an der diesjährigen Olma in St. Gallen aus dem Anbindestall ins Freie gebracht. Die Tiere wurden nicht alle auf einmal, sondern gruppenweise und unter Aufsicht ins Freie gelassen. Christian Manser, Kuhsignal-Trainer und Berater an der Fachstelle Rindvieh am landwirtschaftlichen Zentrum St. Gallen in Flawil, erklärte dem Publikum dabei die Signale, die die Kühe im Auslauf aussenden.
«Eine gesunde Kuh macht viel Freude»
Findet Christian Manser, Berater an der Fachstelle Rindvieh in Flawil SG
Eigentlich sind Kühe eher gemütliche Tiere, aber beim Auslauf in der Arena liess sich auch ihre andere Seite beobachten. Kaum in der Arena, fingen einige Kühe an zu rennen und Sprünge zu machen. Nicht angebunden zu sein, viel Platz und einen weichen Sandboden zur Verfügung zu haben, regte sie offensichtlich dazu an. Sie würden ihrer Lebensfreude Ausdruck geben, deutete es der Kommentator Christian Manser.
Kräftemessen in der Arena
Kaum hatten die Kühe ihre Umgebung etwas erkundet, interessierten sie sich für ihre Artgenossen in der Arena. Sie beschnupperten einander und einige fingen an, miteinander zu kämpfen oder einander aufzureiten. «Kämpfen ist ein gutes Zeichen», kommentierte Christian Manser. Es gehört zur Natur der Rinder, dass sie untereinander eine Rangordnung ausmachen. Die Kühe pressen Stirn gegen Stirn und versuchen, die Gegnerin wegzudrücken, bis die Unterlegene aufgibt und flieht. [IMG 3]
Die Schwachen begaben sich eher zum Ausgangstor der Arena, die stärkeren Kühe hingegen suchten sich eine neue Gegnerin. Gebe es genügend Platz zum Ausweichen, kehre nach einem Kampf schnell wieder Ruhe ein, erklärte Manser.
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Kuhsignale als Hinweise
Für einen Landwirt ist es wichtig, die Körpersprache seiner Kühe zu verstehen. Christian Manser spricht von sogenannten Kuhsignalen, negativen und positiven. «Die Tiere sagen uns dauernd, wie es ihnen geht», erklärt der Fachmann. Eine gesunde Kuh halte den Kopf nach oben, sei neugierig und wolle Kontakt aufnehmen.
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Mit einer Kuh dagegen, die teilnahmslos herumstehe, stimme oft etwas nicht. «Das Auge der Kuh verrät extrem viel», fährt Manser fort. Es sollte klar und trocken sein. Auch ein aktives Ohrenspiel zeige, dass es der Kuh wohl sei. Die Nase einer gesunden Kuh sei feucht. Eine umgangssprachlich genannte «Schnudernase» sei hingegen ein Hinweis darauf, dass mit den Atemwegen etwas nicht in Ordnung sei, das Futter nicht stimme oder die Luft im Stall staubig sei.
Gute Beobachtung der Tiere
Wer die Tiere aufmerksam beobachte, sei wie ein Detektiv, meint Manser. Er kann aus seinen Beobachtungen schliessen, wie die Tiere gehalten werden. Hat eine Kuh zum Beispiel haarlose Stellen am Knie, dürfte die Liegefläche zu hart oder das Nackenrohr zu tief eingestellt sein. Die Kuh muss zum Aufstehen unter einem zu tiefen Nackenrohr zurückrobben und schabt sich dabei die Haare über den Kniegelenken ab.
Schwellungen und Verletzungen am Rücken kommen oft daher, dass die Kuh beim Abliegen mit dem Rücken gegen die Liegeboxen-Abtrennungen schlägt, beispielsweise weil diese zu tief angebracht sind oder nicht nachgeben. Doch nicht nur auf die Stalleinrichtung kommt es an: «Das Wichtigste im Stall sind nicht die Zentimeter, sondern der Tierhalter selbst», ist der Landwirtschaftslehrer überzeugt. Ein guter Tierhalter beobachte seine Tiere und handle schnell.
A und O einer gesunden Kuh
Für Christian Manser sind nicht nur Freilaufställe tierfreundlich, sondern auch Anbindeställe, wenn die Kühe regelmässig in den Auslauf dürfen und der Liegeplatz richtig gestaltet ist. Der Anbindestall komme vor allem rangniederen Kühen zugute. Es sei allerdings darauf zu achten, dass die Kühe im Auslauf genügend Platz hätten, um Ranghöheren auszuweichen. Ansteckende Klauenkrankheiten kommen im Anbindestall eher weniger vor als im Laufstall, wo die Flächen unter den Klauen oft feucht sind.
«Wer die Tiere aufmerksam beobachtet, ist wie ein Detektiv»
Christian Manser plädiert für ein aufmerksames Beobachten der Tiere.
«Das A und O einer gesunden Kuh sind die Klauen», betont Manser. Geht die Kuh gerne und macht grosse Schritte, dann ist dies ein gutes Zeichen, dass ihre Klauen gesund sind. Ein gekrümmter Rücken und unruhiges Stehen weisen auf Schmerzen in den Klauen hin. Gründe für kranke Klauen können ein schlechter Boden, mangelhafte Klauenpflege oder auch Fütterungsfehler sein. Nicht zuletzt gibt auch der Schwanz Auskunft über das Wohlbefinden einer Kuh. Zieht diese den Schwanz ganz an den Körper, zeigt sie, dass sie Schmerzen hat.
Freude an gesunden Kühen
Kritiker werfen den Bauern vor, ihnen liege das Tierwohl zu wenig am Herzen. «Den Bauern ist es nicht egal, wie es ihren Tieren geht», verteidigt sie Christian Manser. Gesunde Kühe gehören zu ihrem wichtigsten Gut. Nicht nur wegen der Wirtschaftlichkeit, sondern, wie Manser sagt, weil eine gesunde Kuh «wahnsinnig viel Freude» macht. Die für den Landwirt wichtigsten Kühe im Stall seien nicht die Starken, sondern die Schwachen, betont er. Denn sie seien es, die besondere Aufmerksamkeit benötigen.