Seit Juni ist er im Amt, und in den ersten vier Monaten hat er, Corona zum Trotz, so viele wichtige Akteure in der Schweinebranche besucht wie nur möglich. Stefan Müller scheint sich gut eingelebt zu haben im Schweinezentrum auf der Sempacher Allmend. Der 50-Jährige äussert sich reflektiert und druckreif zu den wichtigen Geschäften der Suisseporcs,dem Verband der Schweizer Schweineproduzenten. Und es sind nicht wenige im Moment.
Er kommt aus der Branche
Dem Agronomen HTL kommt zugute, dass er über zwanzig Jahre stets nahe bei den «Söielern» gearbeitet hat. Mit einem kurzen Unterbruch war er in verschiedenen Funktionen für die Melior, zuletzt als Regionalleiter Mitte, Mitglied der Geschäftsleitung und Produktmanager Schweine, tätig. Als Felix Grob, sein Vorgänger als Suisseporcs-Geschäftsführer, seine Frühpension ankündigte vor Jahresfrist, kam es im Spätherbst zu ersten Gesprächen zwischen dem Aargauer, der mit seiner Familie im Kanton Bern wohnt, und den Suisseporcs-Verantwortlichen.
Was motivierte ihn? Die Schweinebranche wird von einer breiten Öffentlichkeit durchaus kritisch beäugt. «Die Rahmenbedingungen sind in der Tat nicht einfach für die Branche», ist sich Müller bewusst. Allerdings seien die Herausforderungen rund um einen tendenziell sinkenden Konsum bei gleichzeitig immer höheren Anforderungen seitens des Gesetzgebers und einer Erwartungshaltung der Konsumenten hoch, gleichzeitig aber auch spannend. Das Herzblut und die Leidenschaft bringe er mit für diese Position, sagt Stefan Müller, der keiner politischen Partei mehr angehört und sich möglichst unabhängig an die Arbeit machte. In der Anfangszeit zähle er natürlich auch auf das grosse Netzwerk von Verbandspräsident Meinrad Pfister.
Schon wieder Abstimmungskampf
Im Gespräch wird rasch klar: Müller kennt die Schweizer Schweineproduktion aus dem Effeff. Die Branche sei durchaus gut aufgestellt und organisiert, sagt er. Die Segmentierung auf der Angebotsseite brauche es, auch die Strukturen hätten sich auf vielen Betrieben gewandelt. Die kommende Massentierhaltungsinitiative beschäftigt die Schweinehalter nun aber fast noch mehr als die mühsam abgearbeiteten Agrarinitiativen. «Nicht mehr alle Betriebe fühlen sich dieses Mal betroffen», sagt Müller, entsprechend wird die Suisseporcs in der Kommunikation nochmals nachlegen. Die Haltung soll aufgezeigt («zeigen, wie wir es machen») und gleichzeitig soll auf die Konsequenzen bei einer Annahme der Initiative hingewiesen werden. «Saugut!» heisst die neu lancierte Kampagne der Schweizer Schweineproduzenten. Kaum ein anderes Schweizer Landwirtschaftsprodukt hebt sich dermassen von ausländischer Konkurrenz ab wie hiesiges Schweinefleisch. Gesundheit der Tiere, Fleischqualität und Haltung seien Alleinstellungsmerkmale, die es zu bewahren gelte. Und bei der Haltung redet er nebst dem Tierwohl auch von den noch immer bäuerlichen Strukturen.
«Natürlich profitieren alle Schweinehalter von unserem Verband.»
Stefan Müller möchte weitere Betriebe für eine Suisseporcs-Mitgliedschaft gewinnen.
Tierschutz und Raumplanung
Rechtliche Angelegenheiten seien nebst dem Markt ein heisses Thema auf der schlank gehaltenen Geschäftsstelle (knapp vier Vollzeitstellen). Erstauskünfte am Telefon sind für Mitglieder kostenlos. Darum kümmern sich erfahrene Juristen im Mandat. Tierschutzgeschichten oder die Raumplanung kommen an erster Stelle. Müller zählt drei Stallbesetzungen auf in den vergangenen Jahren. Baubewilligungen seien in vielen Kantonen, sobald es um Schweine gehe, eine zähe Angelegenheit. Ammoniak bleibe ein grosses Thema, und selbst für die Einzäunung der Aufläufe gegen Wildschweine (Biosicherheit) müsse gekämpft werden.
Auch an der Preisfront ist die Stimmung nach einigen guten bis sehr guten Jahren aktuell getrübt. Die Produktion ist wieder zu hoch. Die Suisseporcs weist in Kommentaren oder mit ihrem Morenbarometer unmissverständlich darauf hin. Doch die Mastschweineplätze sind vorhanden, die Jager werden abgeräumt. Man könne lediglich den Markt abbilden, aktiv Einfluss nehmen aber nicht, sagt Geschäftsführer Müller. Der Produzentenverband ist nicht im Handel tätig. Im Schweinemarkt herrschen nicht ganz einfache Verhältnisse. Viele Anbieter (Händler) stehen wenigen Abnehmern gegenüber. Stefan Müller stattete entsprechend auch Zweitgenannten einen Antrittsbesuch ab. Hartnäckige, aber konstruktive Gespräche seien es gewesen. Man brauche die Mithilfe und das Verständnis, um stabile und kostendeckende Preise zu schaffen.
Mitreden statt abblocken
2700 aktive Mitglieder zählt der Produzentenverband. 85 Prozent aller Züchter sind dabei und um die 60 Prozent der Schweinemäster. «Natürlich profitieren alle Schweinehalter vom Verband», ein Zwang zur Mitgliedschaft sei aber nicht zielführend, ergänzt Müller, der weitere Betriebe gewinnen möchte. Alle Mitglieder zufriedenzustellen sei eine Herkulesaufgabe. Die Heterogenität bei Grösse oder Produktionsrichtung sei eindrücklich. Aber auch die unterschiedlichen Regionen mit den typischen Betrieben.
Und auch gegenüber der Gesellschaft müsse man sich bewegen, um auf die eingangs erwähnten Herausforderungen zurückzukommen. Der Konsument kauft im Laden bekanntlich nicht das, wofür er sich politisch starkmacht. Trotzdem: Nur abblocken bei neuen Forderungen sei der falsche Weg, so seine Überzeugung. Proaktiv sein, mitreden, verhandeln und fallweise entgegenkommen beschreibt die Strategie von Stefan Müller wohl besser.
