Die Tannenbäumchen, die im Strickhof-Mutterkuhstall in Wülflingen platziert worden sind, sehen noch ganz frisch aus. Als nachweihnachtliche Dekoration sind sie aber nicht gedacht, im Gegenteil, Anknabbern ist erwünscht.
Ätherische Öle aus Tannennadeln
«Anfangs zeigen sich die Tiere jeweils etwas skeptisch dem ungewohnten Snack gegenüber. Doch einmal damit begonnen, sind die Äste schnell kahl gefressen», stellt Roger Bolt fest. Dabei merkt das Vieh selbst, dass ihm die Tannennadeln guttun, so der Strickhof-Lehrer. Diese haben in verschiedener Hinsicht eine vorbeugende Wirkung: Zum einen helfen die enthaltenen Tannine gegen Würmer, indem die natürlichen Gerbstoffe die Darmschleimhaut veranlassen, sich zusammenzuziehen.
Dazu kommt, dass die ätherischen Öle der Tannennadeln schleimlösende, antivirale und entzündungshemmende Eigenschaften haben. Dies wiederum hilft, Atemwegserkrankungen vorzubeugen, die gerade in der kalten Jahreszeit häufig auftreten. Bei Jungtieren besonders gefürchtet ist die Kälberpneumonie. «Die Tannenäste können dazu eingesetzt werden, das Immunsystem zu unterstützen», fasst Bolt zusammen. «Sind die Tiere jedoch bereits krank, reicht die Massnahme nicht mehr aus, dann braucht es eine tierärztliche Behandlung.»
Fitmacher gegen Wurmbefall
Um das Immunsystem zusätzlich zu stärken, kann den Kühen, Rindern und Kälbern auch regelmässig Thymian verabreicht werden. «Dieser verfügt über fungizide, antibakterielle und desinfizierende Eigenschaften und hilft nicht nur bei Atemwegsbeschwerden, sondern auch gegen Darmparasiten.» Roger Bolt empfiehlt, den Thymian zur freien Verfügung anzubieten, gemischt mit Wühlerde für Ferkel. Diese ist auch für Kälber geeignet und enthält unter anderem Eisen und Propionsäure. Letztere wird auch vom Körper selbst gebildet und fördert die Entwicklung des Pansens.
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Altes Wissen ist wieder gefragt
«Diese präventiven pflanzlichen Mittel werden nicht in rauen Mengen und über längere Zeit eingesetzt», betont Roger Bolt. «Vielmehr geht es um einen Kick, um den Stoffwechsel und das Immunsystem anzuregen.»
Laut dem Fachmann war das Wissen über pflanzliche Heilmittel im Stall früher noch viel verbreiteter als heute. Die Landwirte und Landwirtinnen kannten eine Vielzahl von praktischen Anwendungen zu den verschiedensten Gesundheitsthemen wie etwa Fruchtbarkeit, Geburt oder Parasiten. Heute ist dieses Wissen wieder mehr gefragt, nicht zuletzt wegen hohen Tierarztkosten und dem grundlegenden Ziel, den Einsatz von Antibiotika zu senken. Aus diesem Grund wird am Strickhof ab dem kommenden Frühling zum wiederholten Mal der Jahreskurs «Arzneimittelanwendung im Stall» angeboten.
Dabei werden einfache, aber wirkungsvolle Tipps vermittelt, welche bei konsequenter Umsetzung viele gesundheitliche Probleme im Stall abwenden können. «Dabei lässt sich vieles über die Ernährung erreichen, da der Magen-Darm-Trakt ein zentrales Organ des Immunsystems ist», so Bolt.
Tipps für den Winter
Folgende Massnahmen helfen mit, das Rindvieh über die kalte Jahreszeit gesund zu erhalten:
Tannenäste/Tannenbäumchen: Weisstannenäste/-bäume im Stall befestigen. Ideal sind Äste, die beim Holzen übrig geblieben sind. Christbäume nur verwenden, wenn sie noch frisch sind und sicher nicht gespritzt wurden.
Thymian und Wühlerde für Ferkel: Mischung aus getrocknetem Thymian und Wühlerde zur freien Verfügung.
Die Massnahmen werden kurmässig, während zwei bis drei Wochen angeboten.
Kurs «Arzneipflanzen im Stall 2023» 10. März bis 23. November am Strickhof Wülflingen. Weitere Informationen: www.strickhof.ch