Eine Tierschutzorganisation hat in mehreren Schweizer Städten eine neue Plakatkampagne lanciert. Unter dem Motto «Mit Fakten gegen das Leid in der Tierwirtschaft» will sie auf Missstände aufmerksam machen, die ihrer Ansicht nach im landwirtschaftlichen Alltag bestehen. Die Organisation spricht von vier besonders gravierenden Problemen: der CO₂-Betäubung bei Schweinen, gebrochenen Brustbeinen bei Legehennen, Qualzuchten bei Masthühnern sowie der Trennung von Kühen und Kälbern in der Milchproduktion.

Im Zentrum der aktuellen Kampagne steht die Betäubung von Schweinen mit Kohlendioxid – ein Verfahren, das in der Schweiz seit Jahrzehnten Standard ist. Rund zwei Millionen Tiere werden hierzulande jedes Jahr mit dieser Methode geschlachtet. Die Schweine werden in Gondeln in eine Grube mit CO₂-Gas abgesenkt. Kritiker bemängeln, dass die Tiere beim Einatmen Atemnot, Angst und Schmerzen verspüren. Manche geraten sogar in Panik und verletzen sich gegenseitig. Dass dieses Verfahren aus Tierschutzsicht problematisch ist, sei seit mindestens 20 Jahren bekannt, so die Plakatmacher.

«Umstritten, aber zulässig»

Wir haben beim Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) nachgefragt, wie der Bund die Situation einschätzt. Das Amt bestätigt: Die CO₂-Betäubung sei gemäss Tierschutzverordnung und der Verordnung des BLV über den Tierschutz beim Schlachten eine zulässige Methode. Sie habe für die Schlachtbetriebe klare Vorteile: «CO₂ ist in der Anwendung einfach und effizient», so das BLV. Gleichzeitig räumt das Amt ein: «Das Einatmen von CO₂ ist für die Tiere belastend, deshalb gilt die Methode auch aus unserer Sicht als umstritten.»

Tatsächlich verweist das BLV sogar auf seiner eigenen Webseite ausdrücklich darauf, dass die CO₂-Betäubung tierschutzfachlich problematisch sei. Deshalb werde intensiv an Alternativen geforscht. International laufen verschiedene Projekte, unter anderem die EU-Initiativen Pigstun und Tiger, die mit Inertgasen wie Argon experimentieren. Auch optimierte Elektromethoden seien in der Entwicklung. Das Ziel sei klar: «Eine Methode zu finden, die sowohl aus Tierschutzsicht als auch in Bezug auf Arbeitssicherheit, Praktikabilität und Wirtschaftlichkeit die CO₂-Betäubung ersetzen könnte.»

Auswirkungen auf das Bild der Bauern

Die Plakate sorgen nicht nur in Städten, sondern auch in ländlichen Regionen für Diskussionen. Doch wie schätzt das BLV die Wirkung solcher Kampagnen auf das öffentliche Bild der Schweizer Landwirtschaft ein? Dazu nimmt das Amt bewusst keine direkte Stellung: «Das BLV kommentiert keine einzelnen Kampagnen. Grundsätzlich stellen wir fest, dass Themen rund um Tierhaltung, Tierwohl und Schlachtmethoden regelmässig öffentliche Diskussionen auslösen. Diese Diskussionen sind Teil einer pluralistischen Gesellschaft und können zur Sensibilisierung beitragen.»

Damit rückt das Amt die Verantwortung zurück an die Landwirtschaft und an die Schlachtbetriebe. «Die Verantwortung für Haltungs- und Schlachtmethoden liegt bei den Tierhaltenden sowie bei den Schlachtbetrieben», betont das BLV. Unterstützung biete der Bund vor allem in Form von klaren rechtlichen Vorgaben, wissenschaftlicher Information und sogenannten Vollzugshilfen für die kantonalen Behörden.

Die Sicht der Bauern berücksichtigen

Doch wie stellt der Bund sicher, dass auch die Stimme der Bäuerinnen und Bauern in dieser Debatte gehört wird? Hier verweist das BLV auf den üblichen politischen Prozess: «Bei Revisionen von Tierschutzvorschriften und bei Facharbeiten führt das BLV regelmässig Anhörungen und Konsultationen durch. Dabei werden auch die landwirtschaftlichen Kreise einbezogen. So stellen wir sicher, dass deren Sicht und Bemühungen angemessen berücksichtigt werden.»

Während die Tierschutzorganisation von einer grausamen Praxis spricht, verweist das BLV darauf, dass die Methode gesetzlich erlaubt sei – und zugleich selbst als «umstritten» gelte. Damit zeigt sich ein Spannungsfeld: Was rechtlich zulässig ist, wird gleichzeitig als tierschutzfachlich problematisch eingestuft.

Kritik fällt auf Landwirtschaft zurück

Für die Bäuerinnen und Bauern bedeutet dies, dass sie zwar die Tiere aufziehen und an den Schlachthof liefern, die Kritik aber in der öffentlichen Wahrnehmung oft direkt auf die Landwirtschaft zurückfällt. Tatsächlich liegt die Verantwortung für die Betäubung bei den Schlachtbetrieben. Diese setzen auf CO₂, weil das Verfahren praktikabel, effizient und wirtschaftlich ist.

Das BLV macht jedoch klar, dass die Suche nach Alternativen notwendig sei. Bis es so weit ist, stehen Schlachthöfe – und indirekt auch die Bauern – im Spannungsfeld zwischen gesetzlichen Mindeststandards, gesellschaftlichen Erwartungen und laufender Forschung.