Wir stehen am Eingang zur Weide. Ein Fuchs späht neugierig zu uns herüber, verschwindet dann im hohen Maisfeld. Die Kühe grasen gemütlich auf der Vormittagsweide – sie sind im SF-Typ; viele von ihnen aus Kreuzungen mit österreichischem und deutschem Fleckvieh. Ueli Gfeller möchte Milchleistung ohne Einbussen beim Fleischtyp. «Schauerfolge sind wirtschaftlich nicht von Nutzen. Ich will eine Kuh, die leisten kann», sagt er.
Hoher Tierkomfort
Wir betreten den Milchviehstall. Der Neubau entstand im Frühling 2023. Mit ihm hat Ueli Gfeller das Weiden deutlich reduziert. Der Tierkomfort sei derart hoch, dass die Kühe ebenso gerne im Stall seien. Aus mehreren Gründen hat der junge Landwirt hingegen wieder mit dem Eingrasen begonnen. Gras in der Fütterung ergebe in jedem Fall Sinn – nicht zuletzt aus wirtschaftlichen Gründen. So hält er den Anteil der Silage tief, in den Hochsilos lagert lediglich Maissilage.
Ansonsten setzt er lieber auf Heu. Auch das im durchdachten System. Die integrierte Warmluftbelüftung trocknet mit warmer Luft, die unter dem Dach abgesaugt wird. «Das erlaubt mir, vermehrt auf Luzerne zu setzen und sie im gewelkten Zustand vom Feld zu holen, um keine Bröckelverluste zu riskieren.» Geschnitten werde das Grundfutter in einer Länge von zirka 4,5 cm, sagt er.
Auch beim Kraftfutter überlässt er nichts dem Zufall und schon gar nicht den Futtermühlen. Er kümmert sich um den eigenen Kraftfutter-Mix und setzt sogar die Trocknung des hofeigenen Futtergetreides in der alten Anlage seines Grossvaters um. Sie soll aber schon bald erneuert werden. «Mein nächstes Projekt», so Gfeller.
Einen Plan haben
Tag der offenen Tür
13. und 14. September 2025, Samstag und Sonntag, 9–16 Uhr. Bei Ueli und Pia Gfeller in Worb kann jeder alles sehen: von Fressern bis Milchkühen. Keine Führungen – dafür authentischer Einblick in ein funktionierendes, weitgehend antibiotikareduziertes System. Zur Verpflegung vor Ort wird eine Festwirtschaft betrieben.
Auf dem Hof, direkt gegenüber der Sägerei Olwo, gibt es viel zu sehen. Nichts scheint hier dem Zufall überlassen. Man muss wissen, was man will, sich selbst einen Plan zurechtlegen. Und das macht der Emmentaler nicht nur, wenn es ums Bauen geht, sondern auch in allen anderen Bereichen der Betriebsführung.
Unser Besuch gilt einem besonderen Betriebszweig, nämlich den Fressern. Und hier hat Ueli Gfeller hehre Ziele: keine Gruppenbehandlungen mit Antibiotika.
Seine Vision, den Antibiotikaverbrauch zu reduzieren, begann bereits in der Ausbildung. «Es hat mit Interesse an Kälberhaltung und mit den ersten Beobachtungen zum Antibiotikaeinsatz angefangen», erzählt Gfeller. Unter anderem ausschlaggebend für den Weg, den er heute geht, war ein 2017 erschienener Artikel in der NZZ über die stille Pandemie der Antibiotikaresistenzen. «Dieser Bericht hat mich in meinem Ansatz bestätigt», erinnert er sich. Und schliesslich wollte er mehr wissen.
[IMG 2-3]
2016 Betrieb übernommen
Mit einfachsten Mitteln startete er nach der Betriebsübernahme 2016 neu die Fresseraufzucht: 120 Plätze, daneben noch 20 Milchkühe und zehn Mastmuni. Die Tiere wurden anfangs in Zehnergruppen eingestallt, doch bald zeigte sich, dass das nicht ging. Kranke Tiere wurden unterdrückt, Durchfall und Lungenprobleme blieben ein ständiges Thema. Gfeller improvisierte: Quarantänestall und Iglus verbesserten die Situation sofort, aber der gewünschte Gesundheitsstandard blieb noch unerreicht.
Vermehrt holte Ueli Gfeller schliesslich die Kälber direkt von den Bauern. «Am Anfang war der Aufwand riesig, hohe Behandlungskosten inklusive. Aber die Gesundheit begann zu steigen, als der Direkteinkauf ins Rollen kam», erinnert sich der Landwirt. Vor allem das Rekrutieren der Tiere war eine Hürde. Die Bauern waren sich gewohnt, ihre Tränker dem Händler aufzuladen.
2022 und 2023 folgten der Umbau des alten Stalls und der Neubau für Milchkühe: 150 Fresserplätze und 42 Milchviehplätze. Der Betrieb stockte intern auf und damit auch bedeutend der Bedarf an Kälbern. Mit Mund-zu-Mund-Propaganda stieg der Direkteinkauf rasant, 294 Tiere wurden insgesamt eingestallt, 171 direkt von Bauern. 2024 sogar 330 Tiere, davon 273 direkt. «Jedes Tier wird gewogen, sauber nach Gewicht abgerechnet. Ich setze mehr auf Kälbergesundheit als auf Kälberumsatz», ergänzt Gfeller. Und das zahlt sich schliesslich auch aus, denn der Abgang liegt bei minimalen 0,5 Prozent. Und: 2024 wurde in den ersten vier Wochen nur jeder fünfte Tränker mit Antibiotika behandelt.
[IMG 4-5]
Donnerstags auf Tour
Jeden Donnerstagvormittag ist Ueli Gfeller unterwegs, holt die Kälber auf den insgesamt rund zehn Partner-Betrieben ab. Am Dienstag wisse er meist noch nicht, um wie viele Tiere es sich handle. Manchmal seien es zwei – aber hin und wieder eben auch 15. Das bedinge, dass er auch entsprechend flexibel einstallen könne.
In Zweierbuchten stehen die gesunden Tiere unter luftigem Dach im Quarantänestall. Sie durch die halbe Schweiz zu karren und im Lastwagen und hernach auch noch auf einem Sammelplatz komplett durchzumischen, ergebe einfach keinen Sinn, während die direkte Anlieferung von Bauern das Risiko deutlich senke. Wissen tue man das schon lange, aber dagegen anstehen tue die Branche aktuell nicht.
Gefragt danach, was er von der Kälber-Impfung denke, sagt er: «Das bringt etwas, aber den grossen Durchbruch erwarte ich nicht. Wir müssen die Digitalisierung nutzen, um die Gesundheit proaktiv zu steuern.» Die Massnahme mit der Impfung reiche nicht. Eine bessere Biestmilchversorgung und auch das sofortige Handeln bei den ersten Symptomen einer Erkrankung seien extrem wichtig. «Wenn ein Kalb Fieber hat, dann will ich das merken, bevor die Temperatur auf 40 Grad steigt. Je eher ich handle, umso grösser ist der Erfolg.» Hier gehe viel Zeit verloren.
Die Gesundheit der Kälber müsse einem wichtig sein. Das Denken, dass es sich ja nur um einen Tränker handle, und der vom Hof gehe und den Milchproduzenten nichts mehr angehe, sei fatal. «Was mit ihm passiert, wirft ein Schlaglicht auf die Milchbranche», fasst Gfeller zusammen. Und an etwas führe kein Weg vorbei: «Der Antibiotikaverbrauch muss weiter sinken und den Kälbern muss es insgesamt besser gehen.»
In Zahlen
150 Fresserplätze: Ausgangspunkt für die eigenständige Aufzucht.
42 Milchkühe: Aktuell im neuen Stall, maximaler Komfort ohne Einbusse bei Leistung.
294 Tiere 2023: Insgesamt eingestallt,
171 direkt von Bauern – deutlich höhere Kontrolle.
330 Tiere 2024: Zunahme durch Direkteinkauf und Mund-zu-Mund-Propaganda.
0,5 % Abgangsquote: Extrem niedrige Verluste durch konsequente Aufzuchtmethoden.
8900 kg Milch: Durchschnitt pro Kuh, Ziel: 9500 kg, nachhaltige Lebensleistung.
40 000 bis 45 000 kg: geplante Lebensleistung pro Kuh – robuste Tiere als ökonomisches Fundament.