Wer kennt oder kannte ihn nicht: Den Red-Holstein-Stier Pickel. 1990 geboren hat er heute fast 44 000 Töchter mit einem Milchleistungsabschluss. Pickel war ab den 90er-Jahren das Mass aller Dinge. Es gab wohl keinen Betrieb, in dem keine Pickel-Kuh stand. Der Caveman-Sohn aus der bekannten Tino-Tochter Lydia hatte die Gabe, die ganz besondere Kuh zu züchten und am Schluss hatte er viele solche Kühe auf seinem Konto.
Betriebe hatten Erfolg
Ein Betrieb, auf dem Pickel eingeschlagen hat wie eine Bombe, ist der Betrieb von Daniel und Bernhard Hadorn in Schangnau. Zwei Pickel-Töchter aus ihrem Stall wurden 2003, respektive 2004 zur Miss BEA gewählt. Zuerst gelang Arosa dieser Paukenschlag und ein Jahr später machte es ihr ihre Halbschwester Azzura nach. «Ja, Pickel hat auf unseren Kühen sehr gut funktioniert», sagt Daniel Hadorn anerkennend. Dass es zweimal hintereinander gelinge, und das noch mit selbstgezüchteten Tieren, den Miss-Titel an der Bernischen Eliteschau zu holen, sei schon sehr emotional gewesen. «Dies ist aber auch mit sehr viel Glück verbunden», hält Hadorn fest. Denn Arosa hätte schon als Erstlingskuh an der Eliteschau teilnehmen dürfen, wegen aufkommenden Flechten nach der Frühlingsschau musste man aber auf eine Teilnahme verzichten. «Ein Jahr später, in der zweiten Laktation, wurde Arosa von den Viehschauexperten noch einmal für die Eliteschau selektioniert», sagt der Züchter. Und dieses Mal klappte es. Arosa holte aber in ihrer Klasse nur den zweiten Rang. Das Publikum sah dies anders: Arosa wurde mit grossem Abstand zur Miss BEA 2003 gewählt. Damals durfte noch das Publikum mit einer Stimmabgabe die Miss bestimmen. Der Miss-BEA-Titel war aber nicht der einzige Höhepunkt der zwei Pickel-Töchter. So holten Arosa wie auch Azzura an der ersten Swiss-Fleckvieh-Ausstellung in Ruswil LU den Junior- (Azzura), wie auch den Senior-Grand-Championtitel.
Schwitzen an der Eliteschau
Wären Pickel und seine Mutter Lydia bei ihrem Züchter Urs Benninger in Salvenach FR geblieben, hätte diesen Ausnahmestier wohl niemand entdeckt. Hans Schenk, Züchter und Viehhändler aus Heimberg kaufte beide Tiere dem Betrieb Benninger ab und die Pickel-Geschichte nahm ihren Lauf. Die Pickel-Mutter Lydia war eine durchschnittlich grosse Kuh (142 cm). Ausgestattet mit viel Weiss, einem korrekt gelagerten Becken, einem langen Traumeuter und vier korrekten Zitzen wusste sie zu gefallen. Das war genug, um mit ihrem starken Exterieur einige Leute ins Schwitzen zu bringen. So auch an der Bernischen Eliteschau 1991, wo Lydia als Drittkälbrige antrat. In ihrer Klasse eine weitere Spitzenkuh, ausgestellt von einem bekannten Händler aus dem Berner Mittelland. Ich kann mich noch gut erinnern: Die Söhne des Händlers waren so aufgeregt und standen vor der Rangierung nur noch hinter Lydia in der Angst, dass sie und nicht ihre Kuh den Klassensieg davontragen würde. Soweit kam es aber nicht: Lydia wurde Zweite und die Kuh des Händlers gewann die Klasse und wurde später auch zur Miss BEA gewählt.
Einen «schwarzen» Fleck
Lydia, die mit EX-94 beurteilt war (im Euter EX-96), hatte in ihrer Abstammung aber einen «schwarzen Fleck». Ihr Muttersvater war der gefürchtete Jérome. Dieser James-Sohn hinterliess Kühe mit sehr schlecht aufgehängten Eutern und diese hielten auch nicht viele Laktationen durch. Nichtsdestotrotz kam Pickel trotz dieses «Handicaps» doch noch in die KB-Station und durchlief bei Swissgenetics, wie alle anderen Stiere auch, das normale Nachzuchtprüfungsprogramm. So wurde vorerst von Pickel ein Samenlager von 30 000 Dosen angelegt. Danach ging er in den Natursprung auf die Betriebe der Gebrüder Lanz in Huttwil, zu den Gebrüdern Lüthi in Allmendingen und zu Roch Chatton in La Corbaz FR. Walter Lüthi aus Allmendingen kann sich noch gut an Pickel erinnern: «Er war über zwei Jahre alt, als er bei uns im Natursprung eingesetzt wurde», sagt der jetzige Betriebsleiter. «Charaktermässig war Pickel ein Schlitzohr, man musste ihn schon im Griff haben und er war sicher nicht einfach zu händeln», erinnert sich Lüthi. Pickel hatte bei Lüthis aber sehr viele Stierkälber (16) und nur vier Kuhkälber hinterlassen. «Unsere erste 98-punktige Kuh war aber eine Pickel-Tochter», sagt der Züchter. Von weit her kamen die Landwirte mit ihren Kühen zu Lüthis, um von den Genen von Pickel profitieren zu können. Auch der bekannte Züchter Alfred Krummen aus Marfeldingen fuhr einmal mit der Vehbänne nach Allmendingen. Darin die 98-punktige Reto-Tochter Senta. Neun Monate später gebar Senta ein Kuhkalb mit dem Namen Zora. Zora war im wahrsten Sinne nicht nur schön rot gefärbt, sondern sie war auch eine erfolgreiche Zucht- und Schaukuh, wie sie Pickel machte. Der Höhepunkt von Zora war sicher die Teilnahme an der Europameisterschaft in Brüssel (BE) 1996. An diese Europameisterschaft kann sich auch noch Walter Lüthi gut erinnern, denn er reiste als Tierbetreuer für die Schweizer Delegation mit. «Nicht nur die selektionierten Kühe nahmen wir mit, im «Gepäck» waren auch vier Pickel-Töchter, die ausser Konkurrenz beste Werbung für ihren Vater machen sollten», erinnert sich Lüthi. Obwohl Pickel bei Alfred Krummen für schöne Kühe sorge, hatte er mit Pickels Vollbruder Calino, der bei ihm im Natursprung stand, weniger Glück. Obwohl Calino fünf Jahre jünger war als Pickel, dachte man wohl mit Calino, einen zweiten Superstar produzieren zu können. Calino konnte aber in keinerlei Hinsicht, dem Bruder das Wasser reichen.
Noch verfügbar
In der Schweiz ging die Pickel-Manie unaufhaltsam weiter: 1994 erzielte ein Rind von ihm, an der Topgenetik-Auktion im emmentalischen Burgdorf, den stolzen Preis von 8000 Franken. 1993 wurden die ersten Pickel-Töchter linear beschrieben und Pickel selbst erhielt 1995 seinen ersten Zuchtwert. 1996, an der Nachzuchtschau in Burgdorf, wusste man bereits, dass Pickel etwas Besonderes ist. Da er nur 83% aus Red-Holstein- und 17% aus Simmentalerblut besteht, wäre er heute ein Swiss Fleckvieh-Stier. Heute darf man sagen, Pickel ist vor allem ein Euterstier. Diese sind lang, sehr fest aufgehängt und stark beadert. Wenn man etwas bemängeln könnte, dann, dass im oberen Teil der Hintereuter der Abschluss etwas besser sein dürfte. Nicht nur die Euter, auch die Zitzenanlage kann Pickel auf einen Schlag verbessern. Seine Töchter kommen oft erst ab der dritten Laktation richtig in Fahrt. Nicht nur die Nachzuchtschau von Pickel war einzigartig, auch 1999 an der Expo Bulle, als während der Mittagspause 39 Pickel-Töchter im Ring aufliefen, stockte einem auf der Tribüne fast der Atem. So etwas hat man wahrscheinlich noch nie gesehen und wird man auch nicht wieder sehen. Zum Glück wurde später von Pickel noch einmal Samen entnommen, so das man fast 30 Jahre später immer noch in den Genuss seiner Genetik kommt. Und auch hier scheint er ein Ausnahmestier zu sein. Es wird behauptet, dass von Pickel jede Kuh trächtig wird, darum wird er heute noch oftmals auch auf Problemkühe eingesetzt.