Wir befinden uns in den nördlichen Ausläufern des Randen. Vor uns breiten sich Wälder aus. Wo genau die Schweiz aufhört und Deutschland beginnt, ist nicht auszu­machen. Erst bei der weiten ­Lichtung mit zahlreichen Pferdeweiden setzt die Orientierung wieder ein: Hier muss der Hof der Familie Mader sein, und gleich dahinter verläuft die unsichtbare Landesgrenze quer durch den Wald.

Boxenhaltung passé

Beat und Valerié Mader betreiben auf ihrem landwirtschaftlichen Betrieb eine Pferdepension, für die sie kürzlich vom Schweizer Tierschutz STS mit einem Label für besonders tierfreundliche Pferdehaltung ausgezeichnet worden sind. Um die 40 Pferde und zwei Ponys, davon vier eigene, leben im «Pferde-Paradies» in verschiedenen Stallteilen, allesamt im Offenstall. Das ist für Beat Mader ein grundlegendes Element: "Die Zeit der Boxenhaltung ist vorbei", sagt er. "Pferde, Tiere generell, benötigen Raum, um artgerecht leben zu können." Sie sind natürlicherweise viel in Bewegung und dazu ist genügend Platz gefragt, nicht nur auf der Weide. Pferde als Herdentiere benötigen zudem Körperkontakte, beispielsweise zur gegenseitigen Fellpflege. Es reicht nicht aus, wenn sie sich über eine Boxenwand hinweg anschauen können. Zwei Kleinpferde zeigen es vor: Sie stehen bei unserem Stallbesuch ruhig und dicht beieinander. Doch wie bei uns Menschen ist nicht immer Nähe angesagt, Pferde müssen sich auch aus dem Weg gehen können oder wollen sich zwischendurch zurückziehen.

Fütterungsvarianten

Auf dem Betrieb der Maders leben die Pferde in Gruppen von je etwa zehn Tieren, dabei sind Stuten und Wallache getrennt. Während der Weidesaison sind sie täglich drei Stunden am Grasen – im Winter, wenn es die Bedingungen zulassen. Ein grosses Thema für den Meisterlandwirt ist auch die Fütterung: "Heute haben viele Pferde Stoffwechselprobleme, weil sie zu kohlenhydratreich gefüttert werden". Daher biete er je nach Gruppe und Futterbedürfnissen verschiedenerlei Heu an, vom grobstieligen Ökoheu bis zum nährstoffreichen Kunstwiesenheu. "Auch Ökoheu, das heute weitherum propagiert wird, eignet sich nicht in jedem Fall. Ältere Pferde mit schlechten Zähnen zum Beispiel haben Mühe mit der groben Struktur".

Auch was die Futtermenge betrifft, gibt es verschiedene Ansprüche. "Die 24-Stunden-Fütterung liegt zwar im Trend, doch nicht alle Pferde vertragen sie, manche werden davon schlicht zu dick", sagt Mader. Daher erhalten einige der Gruppen ihr Heu in Rationen, so dass keine Fresspausen von über drei bis vier Stunden entstehen. Dazu gibt es ­Heuraufen und zusätzlich Fressstände, die vor allem für rangniedrige Pferde gedacht sind, um darin ungestört fressen zu können. Die grosszügigen Liegebereiche im Stall sind eingestreut, die Böden im Auslauf sind von unterschiedlicher Beschaffenheit, um Abwechslung zu bieten.

Label als Anerkennung

Die Motivation für das STS-Label sei eher zufällig gekommen, sagt Beat Mader: "Wir hatten vor zwei Jahren einen neuen Stall gebaut, was sich herumsprach. Schliesslich bekundete der Tierschutz selbst Interesse." Es gab einen Check durch den Kontrolldienst STS, daraufhin mussten einzig die Fressstände etwas verlängert werden, sonst entsprach der Stall bereits den Vorgaben des Labels. «Es ist schön, mit dieser Auszeichnung eine Anerkennung zu erhalten. Wirtschaftlich gesehen wäre es allerdings nicht nötig, wir haben in der Regel keine freien Stallplätze», stellt Beat Mader fest. Sie hätten vor allem Freizeitpferde, darunter gebe es auch das eine oder andere Sportpferd. "Wichtig ist uns, dass das Klima unter den Pensionären gut ist." Wie ist es zudem, so nahe an der Grenze zu sein? "Die Grenznähe ist vor allem ein wirtschaftlicher Nachteil, weil die Konkurrenz auf der deutschen Seite viel günstiger sei, das drückt den Preis", meint Mader.

Arbeit mit Jugendlichen

Beat und Valerié Mader haben den Hof mit seinen 52 Hektaren vor zwölf Jahren gekauft. "Dieser war nicht mehr ganz im Schuss und wir haben viel darin investiert", erzählt der gebürtige Bündner, der mit Pferden aufgewachsen ist. Der Hof mit seinen weiten Wiesen eigne sich besonders gut für einen Pferdepensionsbetrieb. Zum Tierbestand gehören auch 60 Mutterschafe dazu. Auf einer Fläche von sechs Hektaren gedeihen zudem Dinkel und Emmer. Für Ackerbau im grösseren Stil wäre es hier laut Mader aber zu trocken und zu steinig. Ein wichtiges Standbein des Betriebs ist das angegliederte Jugendheim für betreutes Wohnen und Arbeiten, das er vor zehn Jahren zusammen mit seiner Frau aufgebaut hat. Mader selbst hat sich bereits früher zum Arbeitsagogen ausbilden lassen. Heute haben sie sechs Plätze für Jugendliche in schwierigen Lebenssituationen, die für ein Timeout für ein paar Monate auf dem Hof leben und arbeiten. «Der Umgang und die Arbeit mit den Tieren tun den Klienten sehr gut», betont er. "Aber auch für einen Bauernbetrieb kann es ein Gewinn sein, Lebensbereiche für sozial Benachteiligte zu bieten."

Weitere Informationen: www.pferde-paradies.ch

 

STS-Pferdelabel

Seit 2011 bietet der Schweizer Tierschutz STS ein Label für beispielhafte Pferdehaltung an und stützt sich dabei auf Bundesprogramme zur Tierhaltung. Die zentralen Vorschriften dafür sind:

  • Haltung in Gruppen
  • permanenter Auslauf ins Freie
  • gut strukturierte Platzverhältnisse (z. B. keine Engpässe)
  • regelmässiger Weidegang und/oder freie Bewegung
  • arttypische Fütterung
  • eingestreute Liegeflächen
  • Weidegang mind. 26 Tage pro Monat (1. Mai bis 31. Oktober) und 13 Tage (1. November bis 30. April)
  • Weidefläche pro Pferd mind. 150 m2

"Vor allem in den letzten eineinhalb Jahren haben die Anfragen für das Label zugenommen", freut sich Anne-Kathrin Witschi vom Kontrolldienst STS. Generell sei das Interesse, Pferde Tag und Nacht im Gruppenstall zu halten, im Freizeitpferdebereich am grössten, während unter Sportreitern noch mehr Vorbehalte herrschen würden.

Zurzeit gibt es laut Witschi 50 Betriebe, welche mit dem Label ausgezeichnet worden sind. Diese werden regelmässig kontrolliert und dürfen mit der Label-Stallplakette werben. 

Weitere Informationen: www.tierschutz.com/pferde