Für Grossvieh sind die Wiesen zu steil, sie liegen zu abgelegen oder sind von der Topographie und Grösse her für Vollerwerbsbetriebe wenig interessant zu bewirtschaften. Die Rede ist von all den Parzellen, welche von unzähligen Schafhaltern, vielfach im Nebenerwerb, gepflegt und bewirtschaftet werden. Jetzt im Frühjahr bis zur Alpfahrt werden diese ökologisch vielfach wertvollen Wiesen wieder von Schafen und Ziegen beweidet.

Zaunarbeiten sind sehr aufwändig

Gerade im Kanton Uri gibt es viele solche abgelegene und steile Parzellen. Häufig liegen sie zwischen Tal und Alpgebiet und sind von Waldflächen umgeben. Auch die Schäferin Brigitte Fässler aus Intschi bei Gurtnellen UR bewirtschaftet gleich mehrere solche Wiesen. Ihre rund acht Hektar Betriebsfläche verteilen sich auf mehrere Standorte, die fast alle von Wäldern umgeben sind. Die Zaunarbeiten sind dort umfangreich und die tägliche Kontrolle der Tiere zeitaufwändig. Aber wie viele Kleinviehhalter auch, nimmt das Brigitte Fässler gerne in Kauf: «Die Pflege und Zucht von Schafen sind seit meiner Kindheit meine grossen Leidenschaften.» Das Betreuen ihrer Zuchttiere und das Arbeiten in der Natur seien für sie ein Ausgleich zu ihrem Teilzeitpensum in einem Recyclingzentrum.

Brigitte Fässler: Züchterin und einzige Expertin des Schafzuchtverbandes

Brigitte Fässler ist auf einem Hof in Seewen SZ aufgewachsen. Wie drei ihrer Schwestern ist sie seit ihrer Jugend eine begeisterte Schafzüchterin. Während zehn Jahren führte sie im Kanton Schwyz einen Landwirtschaftsbetrieb, bis sie 2017 das Bergheimetli Rüti oberhalb von Intschi pachten konnte. Zusammen mit ihrem Partner Peter Hefti lebt sie nun auf diesem Bergbetrieb, wo sie rund 50 Tiere der Rasse Weisses Alpenschaf und ein paar Geissen hält. Daneben bewirtschaftet sie in Attinghausen weitere Wiesen und Weiden. Zudem arbeitet die 50-Jährige im Teilzeitpensum in einem Recyclingzentrum.

Seit 2013 ist Brigitte Fässler, als schweizweit einzige Frau, als Expertin des Schafzuchtverbandes unterwegs und hat in dieser Funktion schon unzählige Tiere benotet. Als Schauexpertin war sie vor allem im Kanton Schwyz im Einsatz. Mit ihren Tieren geht Brigitte Fässler gerne an regionale und interkantonale Ausstellungen: Dabei kamen auch schon Siegertiere aus ihrer Zucht. Sie betont aber: «Auch Ausstellungstiere müssen normal gealpt werden können und sollten nicht im Tal aufgemästet werden.» In ihrer Zuchtarbeit bevorzugt sie grosse und lange Schafe mit einer guten Bemuskelung. Ein wichtiges Merkmal in ihrem Zuchtziel ist auch eine ansprechende Milchleistung der Muttertiere, damit die Lämmer auf schöne Tageszunahmen kommen. Seit 15 Jahren ist ihr Betrieb Moderhinke-saniert. Alle Schafe sömmert sie auf einer Gemeinschaftsalp am Oberalppass.

Schutzhunde werden nicht geduldet

Doch mit dem gehäuften Auftreten des Wolfes ist aus der Entspannung immer mehr eine Anspannung geworden. Denn neben dem Einzäunen der Tiere gibt es für Brigitte Fässler keine Möglichkeit, sich gegen den Wolf zu wehren. «Auch wenn wir grösstenteils höhere Weidenetze verwenden, bleibt die Unsicherheit gross. Denn wenn der Wolf will, überspringt er diese Zäune locker», so die gebürtige Schwyzerin.

«Schon zu viele Alpen wurden aufgegeben

Brigitte Fässler sorgt sich um die Zukunft der Schafalpen.

Für Herdenschutzhunde habe sie zu wenige Tiere, was die Hundehaltung zu kostspielig mache. Auch wäre die Unterbringung über die Wintermonate in ihren kleinen Ställen nicht praktikabel. Dazu komme, dass sie die Hunde über den Sommer wieder aus der Herde entfernen müsste. «Wir sömmern unsere Schafe im Pazola-Gebiet am Oberalppass. In der Region Andermatt werden Herdenschutzhunde wegen des Tourismus nicht geduldet.»

Trächtige Tiere wurden gerissen

Auch im Gebiet Pazola ist der Wolf, wie mittlerweile in vielen Teilen des Urner Alpgebietes, immer wieder präsent. Brigitte Fässler alpt ihre Schafe gemeinsam mit fünf anderen Schafzüchtern. Rund 220 Tiere werden im Umtriebsweide-System gehalten. Die Tiere werden fast täglich kontrolliert und mittels Kameras zusätzlich überwacht. Im letzten Herbst, am Tag bevor die Schäfer ihre Tiere von der Alp holten, schlug der Wolf zu. Fünf teils hochträchtige Tiere wurden gerissen. «Es war ein sehr bedrückendes Gefühl, als wir unsere Zuchttiere zusammentrieben und immer wieder auf tote Schafe trafen», erinnert sich die 50-jährige Züchterin zurück.

«Es war ein sehr bedrückendes Gefühl.»

Brigitte Fässler fand im letzten Herbst tote Schafe auf der Alp.

Trotz der Tierverluste im vergangenen Alpsommer wird Brigitte Fässler ihre Schafe auch heuer wieder auf die Alp bringen. «Für die Gesundheit der Schafe ist das Alpen im Hochgebirge das Beste, was es gibt. Die Tiere geniessen die Kühle, habe gesundes und frisches Gras und viel Ruhe.» Anders sehe das auf Alpen aus, wo die Schafe von Hirten jeden Abend zusammengetrieben und gepfercht werden müssten. Das führe nicht nur zu einer punktuellen Überdüngung auf den Weiden, sondern auch zu tieferen Tageszunahmen, zu Unruhe in der Herde und zu Problemen in der Klauen- und Tiergesundheit, so die Schafexpertin.

Solange sich der Wolf unauffällig im Wildgebiet aufhalte, störe dieser sie wenig. Aber wenn sich das Raubtier verhaltensauffällig zeige oder Nutztiere reisse, müsste sofort gehandelt werden können.

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Schäferin will sich wehren können

Es müsse zukünftig auch Wege geben, dass sich Schäfer und Älpler direkt für ihre Tiere wehren könnten. Zudem wünscht sich die Bergbäuerin, dass Schafhalter über Wolfs-Sichtungen noch besser informiert würden. «Es kann nicht sein, dass ein paar Kilometer entfernt ein Wolf beobachtet wird, wir Tierhalter aber nicht sofort davon in Kenntnis gesetzt werden.» Die Wolfspopulation müsse reguliert werden und die Entnahme von Problemtieren konsequent und schnell erfolgen. «Es sind im Kanton Uri schon zu viele Schafalpen aufgegeben worden. Mit jeder Schafalp, die nicht mehr bestossen wird, sinkt der Schafbestand. Das führt unweigerliche dazu, dass auch im Talgebiet vor allem wenig attraktive Flächen nicht mehr bewirtschaftet werden», so Brigitte Fässler. Damit gehe auch eine traditionelle Tierhaltung und Kultur verloren.

Nulltoleranz in Siedlungen

In der Ausserschwyz seien in letzter Zeit vermehrt Wölfe in der Nähe von Landwirtschaftsbetrieben und auch in Siedlungen gesichtet worden, ist einer Medienmitteilung der Schwyzer Bauernvereinigung zu entnehmen. Das Geheul mehrerer Wölfe konnte zudem kürzlich im Gebiet Wägital eindrücklich mit Tonaufnahmen festgehalten werden. Das vermehrte Auftreten von Wölfen im dicht besiedelten Voralpenkanton Schwyz sorge in der Bevölkerung – insbesondere bei den Bauernfamilien – für grosse Besorgnis.

Wölfe ohne Scheu entnehmen

Gemäss der revidierten Jagdverordnung könnten Wölfe reguliert werden, die «sich aus eigenem Antrieb und regelmässig innerhalb oder in unmittelbarer Nähe von Siedlungen aufhalten würden und dabei gegenüber Menschen zu wenig Scheu zeigten». Die Bauernvereinigung fordert darum, dass die Verantwortlichen des Kantons diese Verordnung umsetzten und jene Wölfe sofort entnehmen, die ihre natürliche Scheu vor dem Menschen verloren hätten.

Die Vorfälle im Kanton Glarus, wo letztes Jahr zwei Wölfe einem Kind bedrohlich nahekamen, bevor eine Abschussverfügung erteilt wurde, würden keine Toleranz zulassen. Es sei illusorisch, zu glauben, dass mit einem angepassten Verhalten bei Wolfsbegegnungen die Angriffe vollständig verhindert werden könnten. Ebenso sei es inakzeptabel, im Nachhinein die Schuld für das Fehlverhalten des Wolfes dem Menschen zuzuweisen, weil er sich nicht an das Merkblatt über den Umgang mit Grossraubtieren gehalten habe.

Regulierung vorbereiten

Die Verantwortlichen des Kantons werden zudem aufgefordert, die Vorbereitungen für die präventive Regulierung des Wolfsbestands – möglich vom 1. September bis 31. Januar – unverzüglich in Angriff zu nehmen. In der Zentralschweiz seien mit vier Rudeln dazu bereits ausreichend viele vorhanden. Der Kanton Schwyz sei zu dicht besiedelt und touristisch zu stark frequentiert, als dass die Tolerierung eines Wolfsrudels infrage kommen könnte.