«Ist Taxieren überhaupt noch zeitgemäss?» Diese Frage stand am Strickhof-Beef-Tag 2024, der vor einer Woche in Lindau stattfand, im Vordergrund. «Zeitgeist, Umfeld und Anforderungen ändern sich laufend», stellte Roger Bolt eingangs fest. «So verwundert es nicht, dass die traditionelle Fleischtaxierung regelmässig hinterfragt wird.»

Vollautomatische Messung

Dazu äusserte sich zunächst Stefan Muster von Proviande. Die Branchenorganisation wendet die CH-TAX-Qualitätseinstufung seit 1994 auf den öffentlichen Schlachtviehmärkten an und seit 2000 auch in den Schlachtbetrieben. Rinder werden laut dem Taxierungsfachmann bis heute rein visuell beurteilt. In Zukunft jedoch soll die Fleischqualität vollautomatisch gemessen werden, wie es teilweise im Ausland bereits heute der Fall ist. Proviande begann vor vier Jahren, mit dem BCC-3 ein entsprechendes Gerät zu testen. Dieses wurde 2022 im Schlachtbetrieb St. Gallen AG in Betrieb genommen. «Die Taxierung funktioniert zuverlässig, auch steigt die Akzeptanz bei den Produzenten immer mehr an», bilanzierte Stefan Muster. Von Nachteil seien die hohen Investitionskosten. Für eine flächendeckende Nutzung müsste das Gerät zudem handlicher sein.

Abo Swiss Black Angus «Ziel ist es, das Fett in den Muskel hinein zu bringen» Monday, 4. March 2024 Isabelle Gangnat von der Berner Fachhochschule HAFL ging in ihrem Referat den Kriterien der Fleischqualität auf den Grund. Zartheit und Geschmack beispielsweise würden von den Schweizer Konsument(innen) als sehr wichtig eingestuft, seien jedoch kaum objektiv zu beurteilen. Zartheit geht man laut Gangnat indirekt an: Die Eigenschaft korreliert unter anderem mit dem Fettgehalt. Allerdings nicht mit dem subkutanen Fett, wie es mittels CH-TAX erfasst wird, sondern mit dem intramuskulären Fettgehalt (IMF), auch Marmorierung genannt. Aktuell liegt der durchschnittliche IMF im Rückenmuskel von Schweizer Rindern bei 1,5 Prozent.

Selektion nur via Genetik

Wie Untersuchungen zeigen, wünschen sich Konsumenten jedoch einen IMF von mindestens 2 bis 3 Prozent. Zudem haben sie das Fleisch gerne saftig. Doch dies wird nicht unbedingt durch einen hohen IMF garantiert. Untersuchungen an 300 Angus-Tieren haben eine Streuung des IMF von 1 bis 10 Prozent ergeben. Diese aktuellen Daten von Isabelle Gangnat zeigen auch, dass es keine Korrelation zwischen IMF und Schlachtgewicht oder CH-TAX gibt. Somit kann man annehmen, dass die Selektion auf mehr IMF einzig über die Genetik möglich ist.

Auch der Geschmack lasse sich kaum erfassen, da er sehr individuell sei. Gangnat rechnet damit, dass die Technologie in Zukunft ihre Dienste anbieten wird. In Ländern wie Japan, Australien oder den USA werden bereits Computermodelle zur Fleischqualitätsbeurteilung eingesetzt. «Wenn eine Software mein Gesicht erkennen kann, so kann sie auch die Fleischqualität beurteilen», gab sich Gangnat optimistisch.

Grosse Unterschiede

Isabelle Gagnats Ausführungen werfen die Frage auf, ob die CH-TAX-Klassifizierung überhaupt den Wünschen der Konsument(innen) entspricht. Dazu äusserte sich Stefan Seiler von der Bell Food Group. Laut ihm ist die Rindfleischqualität in der Schweiz beim Bankvieh grundsätzlich gut. Beim Wurstvieh gibt es dagegen zwischen den Milchkühen und den Mutterkühen eine gegensätzliche Entwicklung. Die einen liefern vor allem mageres Fleisch, die anderen höhere Fettgehalte.

«Die Fettabdeckung ist aber nur ein Teil, nicht das Ganze», sagte Seiler. Auch das Schlachtgewicht habe einen Einfluss auf den Verkaufserfolg. Ziel sei es etwa, bei den verschiedenen Labels homogener zu werden. Man stosse an Grenzen, wenn etwa Entrecotes sich im Gewicht zu sehr unterscheiden würden. «Kaum jemand ist bereit, im Laden für ein Entrecote 29 Franken zu bezahlen.» Für die Zukunft stellen sich gemäss Seiler einige Fragen: Zum Beispiel, ob es zeitgemäss ist, so viel Auflagefett zu produzieren, das vom Endverbraucher ohnehin abgeschnitten wird. Und ob es möglich ist, mehr IMF mit weniger Auflagefett zu produzieren. «Gefragt ist unter anderem auch eine kontinuierliche Qualität über 365 Tage im Jahr.»