Am 28. August 2024 trat in der Schweiz zum ersten Mal nach langer Zeit wieder Blauzunge auf. Über 2000 Tierhaltungen wurden bislang vom Virus heimgesucht. «Bei der Blauzungenkrankheit ist im zweiten Jahr des Auftretens mit noch schwereren klinischen Symptomen zu rechnen», weiss man beim Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV). Dies gelte insbesondere für den momentan in Europa auftretenden Serotypen (Virusunterart) 3 der Blauzungenkrankheit, dem BTV-3.
Die Impfung ist laut Behörden die einzige Massnahme, mit der die Tiere vor einer schweren Erkrankung geschützt und massive, langfristige wirtschaftliche Schäden vermieden werden können. Die Schaf- und Rinderbranche, die Gesellschaft Schweizer Tierärztinnen und Tierärzte, die Tiergesundheitsdienste, das BLV und die Kantonstierärztinnen und -tierärzte empfehlen deshalb dringend eine Impfung gegen BTV-3 der für die Krankheit empfänglichen Tiere.
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In einem Fragenkatalog haben diese Stellen die für Tierhalterinnen und Tierhalter relevanten Fragen beantwortet. Die BauernZeitung hat in der Folge eine Zusammenstellung gemacht.
Was sind «Vektoren»?
In der Medizin oder Biologie sind mit Vektoren Dinge gemeint, die eine Krankheit übertragen. Im Falle von BTV und EHD sind dies Mücken (Gnitzen).
Wie wird die Blauzungenkrankheit übertragen?
Das Blauzungenvirus wird durch stechende Vektoren der Gattung Culicoides, die sogenannten Gnitzen, übertragen. Das sind ein bis drei Millimeter kleine Mücken. Die Gnitzen sind von Juni bis Ende November aktiv. Sie fliegen vor allem während der Dämmerung und nachts. BTV wird nicht direkt von einem Tier auf das andere übertragen. Was möglich ist, ist eine Übertragung von einem angesteckten Muttertier auf ein ungeborenes Jungtier. Auch in Samen kann BTV weitergegeben werden. Das Virus kann auch durch Kanülen von Tier zu Tier übertragen werden. Deshalb sollte man bei der Impfung oder Behandlung von Tieren immer die Kanüle wechseln.
Wann tritt BTV auf?
Die Blauzungenkrankheit tritt verstärkt saisonal in der warmen Jahreszeit bei feuchtwarmem Wetter auf. Das Virus muss in der Gnitze vermehrt werden, bevor es wieder bei einem erneuten Blutsaugen auf das nächste Tier übertragen werden kann. Dazu braucht es Mindesttemperaturen von 10 bis 12 °C über mehrere Tage. Die Gnitzen, die das Virus übertragen, fallen vor allem während der Abend- und Morgendämmerung Tiere insbesondere im offenen Gelände in der Nähe von Waldrand oder Hecken an.
Welche Tiere erkranken?
Alle Wiederkäuer sind empfänglich. Klinische Symptome treten bei BTV meist nur bei Schafen und Rindern auf. Ziegen und Neuweltkameliden erkranken weniger heftig.
Was ist der Unterschied zwischen den Zahlen (BTV-3, BTV-4, BTV-8)?
Die Zahlen sind Nummern für verschiedene Serotypen der Viren. Sie unterscheiden sich in ihrer Oberflächenstruktur. Das Abwehrsystem bildet deswegen unterschiedliche Antikörper gegen die verschiedenen Serotypen. Deshalb wirken Impfstoffe meist nur gegen einen dieser Serotypen.
Sind Menschen auch gefährdet?
Für Menschen ist BTV ungefährlich. Fleisch und Milchprodukte können ohne Bedenken konsumiert werden.
Wo gibt es BTV-Viren in der Schweiz?
Momentan (Winter 2024/2025) ist in der nördlichen Hälfte der Schweiz vor allem BTV-3 verbreitet, in der Westschweiz und im Tessin BTV-8. Das erste Mal ist BTV-3 am Nordrand der Schweiz Ende August 2024 nachgewiesen worden, seither hat es sich schnell Richtung Mittelland ausgebreitet. Im Jahr 2023 waren bereits Belgien, Holland, Deutschland und Grossbritannien betroffen, im Jahr 2024 wurde BTV-3 bereits in 16 europäischen Ländern nachgewiesen.
Was bedeuten diese neuen Tierseuchen für die Schweiz?
Basierend auf den Erfahrungen aus dem Ausland geht man davon aus, dass es im Sommerhalbjahr 2025 zu einem ausgeprägten Seuchengeschehen durch BTV kommen wird. Gebiete, welche im Jahr 2024 nicht so stark betroffen waren, müssen mit einer sehr viel stärkeren zweiten Krankheitswelle im Jahr 2025 rechnen.
Was sind die häufigsten wirtschaftlichen Einbussen für die Tierhaltenden?
Die wirtschaftlich grössten Einbussen entstehen bei den Rindern durch den Rückgang der Milchleistung, die Lahmheiten und die reduzierte Fruchtbarkeit. Die verlängerten Zwischenkalbezeiten haben Folgen für die folgenden zwei bis drei Jahre (keine Selektion bei Remontierung). Bei Schafen stehen die Tierverluste und die Behandlungskosten erkrankter Tiere im Vordergrund. Auch die gehäuft auftretenden Aborte sind wirtschaftlich relevant. Hinzu kommen der Stress für die Tierhaltenden durch die kranken Tiere, der Aufwand für Pflege, die Tierarztkosten und der Verlust von Tieren.
Was sind mögliche Symptome bei einer Erkrankung durch BTV?
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Milchrückgang
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Hohes Fieber
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Lungenödeme, Atemnot, schaumiger Speichelfluss
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Schwellung der Lippen
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Schwellung der Zunge und Blauverfärbung (= Bluetongue)
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Läsionen (Defekte) im Maul und an der Zunge
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Ödeme an Kopf und Beinen
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Nasenausfluss und Symptome von Atemwegserkrankungen
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Lahmheiten
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Veränderungen an den Zitzen
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Umrindern, Aborte
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Todesfälle
Dazu kommen Folgeerkrankungen (Erreger, die das geschwächte Tier krank machen können), wie bakterielle Lungenentzündungen und manchmal bleibend reduzierte Leistungsfähigkeit.
Wie lange ist die Inkubationszeit von BTV (vom Stich der Mücke bis zum Ausbruch der Krankheit)?
5 bis 12 Tage.
Ist BTV-3 tödlich?
Ja, BTV-3 kann insbesondere bei Schafen, seltener bei Rindern und den anderen empfänglichen Tierarten tödlich verlaufen. Bei Schafen liegt die Mortalitätsrate bei 20 bis 25 %, bei Rindern ist sie mit 1 bis 5 % deutlich geringer.
Können an BTV-3 erkrankte Tiere wieder genesen?
Ja, die Tiere können wieder genesen. Bei Schafen dauert es jedoch einige Monate, bei Rindern einige Wochen, bis die Tiere wieder vollständig genesen sind. Es wird berichtet, dass Kühe, die heftig erkranken, nach der Genesung nicht mehr die gleiche Milchleistung erreichen.
Gibt es ein Medikament gegen das Blauzungenvirus?
Nein, es gibt kein Medikament, welches die Viren abtötet. Es gibt nur vorbeugende Massnahmen wie die Impfung gegen das Virus. Die Impfung ist die einzige wirksame Massnahme gegen BTV. Auch geimpfte Tiere können leicht erkranken. Tierärztinnen und Tierärzte können mit verschiedenen Medikamenten und Massnahmen die Symptome lindern.
Was ist mit Ziegen, Alpakas und Lamas?
Der BGK empfiehlt die zweimalige Impfung mit der Schafdosierung.
Sind es mRNA-Impfstoffe?
Nein, es handelt sich um klassische Tot-Impfstoffe. Abgetötete Viren oder Stückchen von Viren werden gespritzt.
Kann das Fleisch von geimpften Tieren gegessen werden?
Ja, bedenkenlos.
Die Impfstoffe beinhalten Aluminium und Quecksilber. Ist das nicht gefährlich?
Alle drei Impfstoffe beinhalten sogenannte Hilfsstoffe (Adjuvantien) und Konservierungsmittel. Die Hilfsstoffe stimulieren das Abwehrsystem zusätzlich. Diese Aluminiumsalze werden seit mehr als 90 Jahren in Impfstoffen verwendet, daher sind schon Millionen von Dosen mit diesen Hilfsstoffen verabreicht worden. Über die Aluminiumsalze sind zahlreiche wissenschaftliche Artikel veröffentlicht worden. Die Untersuchungen zeigen, dass Aluminiumsalze zu mehr Reaktionen an der Injektionsstelle führen, aber die Forschenden konnten keinen statistischen Zusammenhang mit dauerhaften oder schwerwiegenden Nebenwirkungen feststellen. Auch beim Thiomersal konnten Untersuchungen nachweisen, dass es zu keiner Ansammlung von Quecksilber im Körper kommt. Beim Thiomersal besteht ein kleines Risiko für allergische Reaktionen beim geimpften Tier.
Wie gut wirken die Impfstoffe?
Die Impfstoffe gegen BTV-3 verhindern bei Rindern einen Milchrückgang, Lahmheiten und Aborte, bei Schafen einen schlimmen Verlauf. Sie sind somit eine wichtige Massnahme für das Tierwohl und führen auch dazu, dass die Tierhaltenden weniger Stress ausgesetzt sind.Die Impfstoffe verhindern aber nach aktuellem Wissen nicht, dass die Viren im Blut zirkulieren und sie können auch eine mildere Erkrankung nicht verhindern. Die kranken Tiere sind aber weniger lang ansteckend und es sterben viel weniger Tiere. Zudem zeigen sie nicht diese schlimmen Verläufe wie Ausschuhen oder Atemnot wegen Lungenödemen.In den Packungsbeilagen von Bultavo 3 und Syvazul BTV 3 steht, dass Schafe nur einmal geimpft werden müssen. Die Herstellerfirmen geben dies so an. Auch bei anderen Impfstoffen gegen andere Blauzungen-Serotypen empfehlen sie dieses Vorgehen. Studien haben aber gezeigt, dass bei Schafen die Antikörperbildung bei BT besser ist nach zwei Impfungen im Abstand von drei bis vier Wochen. Das BLV, der VSKT und die GST empfehlen zwei Impfungen auch bei Schafen.
Sollten Rinder und Schafe im Sommer ein drittes Mal geimpft werden?
Wenn die Grundimmunisierung im Januar bis März 2025 erfolgt ist, braucht es keine dritte Impfung.
Können trächtige Tiere geimpft werden?
Ja. Gemäss Untersuchungen der Hersteller kann der Impfstoff ohne Risiko während der Trächtigkeit verabreicht werden.