Seit Jahrzehnten setzt das Schweizer Schweinezuchtprogramm auf eine Qualitätsstrategie. Während bei den Muttertieren der Mastjager (Edelschwein × Landrasse) der Fokus auf die Muttereigenschaften gelegt wird, sorgen die Vaterlinien Premo, Duroc und Piétrain für die gute Mast- und Schlachtleistung der Mastferkel.
Mehr farbige Eber im Einsatz
Während der Marktanteil des Schweizer Premos 2019 noch über 70 Prozent am gesamten Vaterlinien Spermaverkauf ausmachte, ist dieser seither auf 35 Prozent gesunken. Die beiden farbigen Rassen Duroc und Piétrain konnten an Marktanteil gewinnen. So stieg die Nachfrage nach Duroc um rund 20 % auf 40 % und auch Piétrain konnte einen Anstieg von 14 % auf rund 22 % verbuchen.
Grund für die Verschiebung hin zu den farbigen Rassen sei die HIS-Problematik (Darmverdrehung) auf einigen Betrieben, erklärt Rolf Zurkirch von der Suisag an der vom Futtermittelhersteller (Fors) Kunz Kunath organisierten Mästertagung.
Jede Rasse mit seinen Vor- und Nachteilen
Mit dem Einsatz von mehr farbigen Ebern nehmen die Betriebe dafür aber andere Schwächen in Kauf. Betrachtet man die aktuell veröffentlichte Endproduktprüfung (Stand 4. November) der Suisag, so zeigen die Mastschweine der drei Vaterrassen unterschiedliche Stärken und Schwächen. Premo (1026 g) und Duroc (1022 g) zeigen deutlich höhere Masttageszunahmen als Piétrain (966 g).
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Während Premo und Piétrain eine etwa ähnliche Futterverwertung aufweisen, zeigt sich zwischen Premo und Duroc eine Differenz von 0,06 kg. «Das bedeutet für ein Duroc-Masttier 6 kg mehr Futterverzehr für die gleichen Zunahmen», erklärt Rolf Zurkirch. Bei der Fleischqualität hingegen zeigen die Duroc- und Premo-Nachkommen ähnliche Werte beim intramuskulären Fett (IMF). Mit 2,35 % (Premo) und 2,39 % (Duroc) liegen diese im optimalen Bereich. Piétrain dagegen liegt mit 1,70 % unter dem Optimum.
Weniger fleischige Tiere
Ein deutlicher Unterschied zwischen den Rassen werde beim Magerfleischanteil (MFA) ersichtlich, so Rolf Zurkirch. Hier liegt die Rasse Duroc mit 56,4 % deutlich hinter den beiden anderen Rassen. Berechne man den ökonomischen Wert aus den für den Mäster relevanten Merkmalen Futterverwertung, Zunahme und Magerfleischanteil-Erlös, so ergebe sich beim Premo ein ökonomischer Mehrwert von Fr. 8.29 pro geschlachtetes Tier gegenüber dem Duroc. In der Berechnung nicht miteinbezogen sind die vorgängigen Abgänge. «Der vermehrte Einsatz von Duroc-Ebern führt zu mehr Tieren im unteren Abzugsbereich beim Magerfleischanteil», so Zurkirch.
Betrachte man die Verteilung des MFA nach Vaterrasse, so tauchen mehr Premo-Tiere im oberen Abzugsbereich (zu hohe Fleischigkeit) und mehr Duroc-Tiere im unteren Bereich auf. «Der untere Abzugsbereich ist gravierender, denn hier sind die Abzüge dreimal so hoch wie im oberen», so der Suisag-Mitarbeiter. Er erklärt weiter: «Wird Duroc-Sperma eingesetzt, nimmt man in Kauf, dass diese von der Genetik her weniger fleischig sind. Hier gilt es, mit einer ausreichenden Proteinversorgung, vor allem in der Vormast, aufseiten der Fütterung Massnahmen zu treffen, um dennoch das optimale Leistungspotenzial der Tiere abzurufen.»
Kastraten früher schlachten
Vergleiche man die beiden Geschlechter der Duroc-Masttiere miteinander, so lägen vor allem viele Kastraten im unteren Abzugsbereich. Hier gelte es über das Schlachtgewicht der Tiere Einfluss zu nehmen. «Das heisst, die Kastraten früher schlachten», erklärt Zurkirch. Auch über die Fütterung wie eine optimale Aminosäuren-Versorgung in der Vormast oder über eine rationierte Fütterung in der Endmast, zur Verhinderung einer Verfettung, kann Einfluss genommen werden.
Vonseiten der Zucht werde man auch in den nächsten Jahren vor allem beim Duroc versuchen, die Fleischigkeit der Tiere zu erhöhen. Neben der Mast- und Schlachtleistung bestehen bei den Rassen jedoch auch weitere Vor- und Nachteile wie die Coli-F18- und F4-Resistenz und die HIS-Anfälligkeit, die es bei der Wahl der Eberrasse miteinzubeziehen gilt.
Züchterisch gegen HIS
Im Vergleich zu anderen Erkrankungen in der Schweinehaltung ist über die multifaktorielle Krankheit HIS noch wenig bekannt. Ein tendenziell höheres Risiko für HIS zeigen Premo-Mastschweine. Zusammen mit der Vetsuisse-Fakultät Bern und der ETH Zürich startete die Suisag 2021 das Projekt HIS, welches in zwei Teilprojekte unterteilt wurde. Beide befinden sich in der Schlussphase.
Kein Gen gefunden
Die Rolle der Genetik bei HIS wurde an der ETH Zürich untersucht. Dabei wurden die Gene von über 1000 HIS-Tieren mit denen von 4000 Kontrolltieren verglichen. Die Resultate blieben jedoch ernüchternd: «Es konnte weder ein Gen noch eine Gengruppe gefunden werden, auf die HIS zurückzuführen ist», so Rolf Zurkirch, Mitarbeiter der Suisag. Man wolle nun nach Chromosomen-Anomalien suchen und weiter eine Charakterisierung der HIS-Fälle bei den Duroc-Tieren vornehmen.
Mehr Fressplatzbreite
Im zweiten Teilprojekt der Vetsuisse-Fakultät Bern wurden die Umweltfaktoren auf je 50 HIS- und Kontrollbetrieben analysiert. Einen positiven Effekt zeigte die halbjährliche Reinigung oder Spülung der Ringleitung nach jedem Umtrieb. Auch die Herkunft der Mastjager von nur einem Betrieb und eine Vergrösserung der Fressplatzbreite um 10 cm pro Mastschwein zeigte eine positive Wirkung. Eine höhere Gesamtkeimzahl sowie eine Flüssigfütterung mit fein vermahlenem Getreide hingegen fördere das Auftreten von HIS. Auch die Fütterung von leicht fermentierbaren Nebenprodukten könne die Gasbildung im Darmlumen und damit eine Verdrehung begünstigen.