«Veredelung von Nebenprodukten aus der Lebensmittelherstellung», was für die landwirtschaftliche Bevölkerung selbstverständlich ist, geht bei der übrigen Bevölkerung zunehmend aus dem Bewusstsein verloren. Dazu referierte vergangene Woche an der Agridea-Schweinefachtagung in Sursee Lukas Grüter, Leiter der Schweineproduktionsprogramme bei UFA. «Immer mehr Menschen brauchen auch immer mehr Nahrung», sagte Grüter. Man gehe davon aus, dass die Weltbevölkerung bis 2050 nochmals um rund 1,5 Mia zunimmt.

Nicht essbare Biomasse

Selbst die Welternährungsorganisation FAO sieht keine sinnvolle Alternative zur intensiven Tierhaltung. Gleichzeitig würden aber Ressourcen knapp, etwa Land, Wasser, Energie, aber auch Nährstoffe wie Stickstoff oder Phosphor. CO2, Methan und Ammoniak hingegen beeinflussen den Klimawandel. Fütterungseffizienz heisst somit das Zauberwort, also Verluste minimalisieren. Die verbleibenden Flächen wollen sinnvoll genutzt werden. Mit Blick auf die Fussball EM der Frauen meinte Grüter, dass heute die Fläche eines Fussballfeldes drei Personen zu ernähren habe, bis 2050 aber mehr als fünf.

Und beim Thema Nebenprodukte kommt auch die vegetarische oder vegane Bevölkerung ins Spiel, um beim Thema zu bleiben. Denn 1 kg pflanzliche Lebensmittel bedeuten über 4 kg nicht essbare Biomasse. Nicht essbar heisst aber fressbar. Tiere veredeln diese Nebenprodukte zu Milch, Eiern oder Fleisch oder Biomasse wird in den Boden eingearbeitet oder zur Erzeugung von Biogas genutzt. Rund 350 000 t Lebensmittelnebenprodukte aus dem Anbau von Getreide, Ölsaaten oder Zuckerrüben gelangen in Schweizer Mischfutter, also rund 20 Prozent. «Nebenprodukte für Nutztiere machen Sinn», folgerte Lukas Grüter. Etwa die Hälfte der pflanzlichen Nebenprodukte kann von den Schweine- und Geflügelarten genutzt werden, die andere Hälfte wird an Wiederkäuer verfüttert.

Für alle Tierarten

Nebenprodukte der Backmehlherstellung wie Weizenklee, Weizenbollmehl oder Haferspelzen bringen Rohfasern von guter Qualität, sind diätetisch günstige Futtermittel, für alle Tierarten geeignet und ein Ballaststoffträger. Teils Grenzen für die Rezepturen-Rechner setzen ein hoher Polyensäuregehalt oder ein hoher P-Gehalt (Suisse-Bilanz), und zu beachten sei die Gefahr von Schimmelbefall wegen Feuchtigkeit bei der Lagerung.

Wichtig in der Fütterung sind auch die pflanzlichen Eiweissträger wie Rapskuchen oder Sojaschrot, das für Lukas Grüter «beste Eiweiss». Dies wegen Schmackhaftigkeit, ausgeglichenem Aminosäuremuster, hohem Rohproteingehalt oder der Eignung für alle Tierarten. Zu berücksichtigen gebe es den Nachhaltigkeitsfaktor. Heute seien 95 Prozent des in der Schweiz verfütterten Sojas europäischer Herkunft. Im Zentrum der Kalkulationen bei Futtermitteln stehen die Bedarfswerte der Tiere. Preise, Verfügbarkeit der Rohwaren und Einsatzgrenzen je Tierart definierten dann das günstigste Rezept.

Bewährte Schotte

Nebst den beschriebenen gibt es weitere Nebenprodukte von Bedeutung. Etwa Brotreste, Biertreber, Melasse, Kartoffelnebenprodukte und natürlich die Schotte. Sind Hygiene und Verfügbarkeit gegeben, seien in der Schweinefütterung Schmackhaftigkeit, Förderung der Darmgesundheit, die niedrigen PUFA-Werte und ein interessantes Aminosäuremuster Vorteile der Schotte. «Nährstoffe und Einsatzgrenzen müssen bei der Schotte bekannt sein», erinnerte Grüter. Die Ration gelte es so zu ergänzen, dass die Fütterung den Bedarf der Tiere decke. Gerade die Schweizer Schweinehaltung leistet also einen wichtigen Beitrag zur Verringerung von Lebensmittelverschwendung.

Und dann wäre da noch das heikle Thema von verarbeitetem tierischem Eiweiss in Futtermitteln für Nutztiere – in der EU seit September 2021 in bestimmten Fällen wieder erlaubt; etwa Geflügelmehl in der Schweinefütterung. In der Schweiz gehen solche Nebenprodukte aktuell ausschliesslich in den Petfood-Kanal für Hund oder Katze. Schweizer Geflügelprotein könnte eine Fläche von rund 3860 ha Soja ersetzen. Nicht zu unterschätzen gemäss Grüter aber der Aufwand der Trennung in der Verarbeitung nach Tierart oder mögliche Verschleppungsgefahren und auch die Akzeptanz der Konsumentinnen und Konsumenten.

Alternativen noch weit weg

Geforscht wird an alternativen Proteinträgern wie Mikroalgen, Wasserlinsen oder die Verwendung von Insektenprotein. Alternativen dürften aber in absehbarer Zeit die Rezepturen der Schweizer Futtermittelhersteller noch nicht über den Haufen werfen.