Analyse Wo sich Hirten und Wolfsschützer treffen Friday, 25. July 2025 676 ausgebildete Freiwillige waren im vergangenen Jahr im Einsatz, um Alpbewirtschaftern beim Schutz ihrer Tiere vor Wolf und Luchs zu unterstützen. Beteiligt waren laut einer vom WWF veröffentlichten Bilanz 40 Alpen und Betriebe. Die Einsätze fanden in den Kantonen Wallis, Waadt, Graubünden, St. Gallen und Tessin statt. Die Freiwilligen selbst kamen aus der ganzen Schweiz. «Die Rückmeldungen sind beidseitig überwiegend positiv», so das Fazit des WWF. «Die Helfenden erleben die Alpwirtschaft hautnah und die Betriebe schätzen die Entlastung.»

Organisiert werden die Freiwilligeneinsätze von zwei Organisationen. In den östlichen Landesteilen wirksam ist Pasturs voluntaris, finanziert von WWF, Pro Natura und dem Migros Unterstützungsfonds. In den französischsprachigen Regionen etabliert hat sich der gemeinnützige Verein Oppal. Während Pasturs voluntaris vor allem Unterstützung beim Stellen von Zäunen leistet, führen die Oppal-Leute vor Ort Nachtwachen durch – bislang mit Erfolg, wie Oppal-Geschäftsleiter Jérémie Moulin in der WWF-Kommunikation bezeugt: «Die Alpbewirtschafter schätzen die menschliche Präsenz als konkrete Entlastung – nicht nur für den Schutz, sondern auch emotional.» Bestätigt wird dies von einem Hirten aus dem Waadtländer Jura, der in der WWF-Mitteilung allerdings anonym zitiert wird. Die Belastung durch die Wolfspräsenz habe dazu geführt, dass er mit seiner Arbeit stark in Verzug geraten sei. «Dank Oppal kann ich viel gelassener agieren.»

Nicht vom Fach

Bringen die Freiwilligen aus dem Unterland also tatsächlich Entlastung für die von den ständigen Avancen der Wölfe ausgelaugten Hirten? Nachgefragt hat Selina Droz, Geschäftsführerin des Schweizerischen Alpwirtschaftlichen Verbands (SAV). «Oppal macht vor allem Nachtwachen, was für die betroffenen Hirten eine grosse Entlastung sein kann – wieder einmal durchschlafen», sagt sie. Die Rückmeldungen zu diesem Angebot seien grundsätzlich gut. Auch arbeite Oppal im Waadtland eng mit der Herdenschutzberatung zusammen. «Die Freiwilligen können gezielt dort eingesetzt werden, wo die Situation akut und Entlastung nötig ist», so Droz. Etwas schwieriger scheint es dort zu sein, wo auch handwerkliches Geschick gefragt ist. «Bei Pasturs voluntaris wird vor allem beim Zäunestellen unterstützt, dort habe ich die Kritik gehört, dass die Freiwilligen nicht unbedingt eine grosse Hilfe sind, da nicht vom Fach, und – sobald sie eingearbeitet sind – schon wieder abziehen.»

«Nach dem Ausbildungskurs sind die Freiwilligen noch keine Profis, aber sie erhalten eine realistische Vorstellung davon, welche Arbeiten sie bei einem Einsatz erwarten», sagt dazu die Projektleiterin von Pasturs voluntaris, Nina Rossi. An einem zweitägigen Ausbildungskurs werden die Freiwilligen theoretisch und praktisch vorbereitet. Der Theorieteil besteht aus Vorträgen über Herdenschutz und Herdenschutzhunde, die Biologie von Schafen und Ziegen und über Grossraubtiere. Im praktischen Teil gehe es vor allem um das Aufstellen und Abräumen von Weidenetzen, aber auch der korrekten Installation von elektrischen Viehhütern, der sicheren Begegnung mit Herdenschutzhunden sowie auch den Umgang mit Kleinwiederkäuern, so Rossi.

Grundproblem ungelöst

«Auch wenn manche Landwirte im Vorneherein noch etwas skeptisch sind, Hilfe von Laien anzunehmen, sind sie im Nachhinein sehr dankbar für die Unterstützung und nehmen die Hilfe der Freiwilligen gerne wieder an», berichtet Nina Rossi. Konflikte gebe es äusserst selten. Aber: «Gerade bei neuen Betrieben muss das Projekt genauer hinschauen und auch mal Verbesserungsvorschläge machen oder intervenieren, wenn etwas nicht gut klappt», stellt sie klar. Das seien jedoch Ausnahmen.

«Die Organisationen sind von Naturschutzseite finanziert, was die Zusammenarbeit mit den Älpler(innen) nicht unbedingt erleichtert», gibt sich Selina Droz diplomatisch. Auch seien Freiwilligeneinsätze immer ein bisschen zweischneidig. «Der Anstieg der Wolfspopulation ist eine Riesenherausforderung für die Alpwirtschaft, da diese mittelfristig nicht in der Lage ist, den Zusatzaufwand, der durch die Herdenschutzmassnahmen entsteht, zu erbringen.» Dieses Grundproblem könne nicht durch Freiwillige gelöst werden, auch wenn deren Einsatz im Einzelfall Linderung bringe.

Auch vom WWF selbst wird kritisiert, dass der Aufwand für den Herdenschutz von der öffentlichen Hand nicht ausreichend entschädigt werde. Wichtig sei, dass die Landwirtschaft nicht alleine gelassen werde und von der öffentlichen Hand jene Unterstützung erhält, die sie brauche, um den Herdenschutz professionell umzusetzen. «Leider werden derzeit nicht alle Nutztierhalter adäquat unterstützt», kritisiert der WWF. Umso wichtiger sei deshalb der Beitrag der Zivilgesellschaft, so die Schlussfolgerung. Seit Beginn der Projekte im Jahr 2021 seien von Freiwilligen über 60 000 Stunden Arbeit investiert worden.

Zivildienst als Ressource

Was nach viel tönt, reicht aber bei Weitem nicht aus. Für eine grossflächige Abdeckung gebe es gar nicht genug Freiwillige, gibt Selina Droz zu bedenken. «Es können nur einige Alpen profitieren», sagt sie und verweist an den Agridea-Herdenschutz-Experten Daniel Mettler. Dieser bezweifelt, dass langfristig genügend Freiwillige mobilisiert werden können, die tatsächlich eine Arbeitsunterstützung für die Landwirte seien. Ihm schwebt eine andere Lösung vor: «Aus meiner Sicht ist die Unterstützung durch den Zivildienst nachhaltiger, da wir hier eine konstante Ressource nutzen können, die institutionell verankert ist», sagt er. Eine Aussage, die Selina Droz unterstützt.

Der WWF fordert dagegen mehr Unterstützung und Anerkennung für die Freiwilligenarbeit. «Damit Nutztierhalter weitere Planungssicherheit bekommen, wäre eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen Kantonen und den Freiwilligen-Projekten essenziell», hält er in seiner Mitteilung fest.