Nach dem Abgang von Matthias Schelling, als langjähriger Direktor von Swissherdbook, hat sich der grösste Viehzuchtverband auf die Suche nach einer Nachfolgelösung gemacht und diese in der Person von Michel Geinoz gefunden. Der 50-jährige Agronom steht damit nun den Holsteinern und Fleckviehzüchtern vor. Wir wollten von Swissherdbook-Präsident Markus Gerber wissen, was das für die Mitglieder zu bedeuten hat.

Markus Gerber, was war der Hauptgrund für die Entscheidung, Michel Geinoz als neuen Direktor von Swissherdbook Zollikofen zu ernennen?

Markus Gerber: Mit seiner Kompetenz und Erfahrung hat Michel Geinoz die Verwaltung von Swissherdbook überzeugt. Die gleichzeitige Annäherung mit Holstein Switzerland entspricht zudem der langfristigen Vision, für die Schweizer Viehzucht, von einem Rindviehzuchtverband Schweiz.

Michel Geinoz wird weiterhin als Direktor von Holstein Switzerland tätig sein. Welche Vorteile sehen Sie in dieser Doppelrolle?

Die Arbeitsabläufe und die Organisation werden von einer einzigen Person analysiert. Mögliche Synergiegewinne und Änderungsanträge legt diese dem Vorstand von Alliance vor. Dieser unterbreitet die Vorschläge dann den Vorständen der beiden Verbände. Eine Umsetzung erfolgt nur, wenn beide Vorstände zustimmen.

Alex Barenco war bisher als Direktor ad interim von Swissherdbook tätig. Wurde er als langfristige Lösung in Erwägung gezogen, und falls nicht, warum?

Wie Sie sicherlich bemerkt haben, hat Swissherdbook zu keinem Zeitpunkt die Stelle des Direktors ausgeschrieben. Verwaltung und Geschäftsleitung von Swissherdbook haben sich mit voller Kraft dem Projekt Alliance gewidmet. Eine Alternative wurde nicht in Betracht gezogen, da dies gegenüber Holstein Switzerland und Michel Geinoz unehrlich gewesen wäre. Vor 15 Jahren hat Swissherdbook der Fusion zugestimmt, und in den letzten Jahren ist die Anzahl der Holsteintiere in unserem Verband stark gestiegen. Diese beiden Tatsachen legitimieren aus meiner Sicht dieses zielgerichtete Vorgehen.

Zwei 100-Prozent-Stellen werden also durch eine einzige Vollzeitstelle abgedeckt. Geht diese Rechnung auf?

Michel Geinoz hat stets betont, dass er kein Superman sei. Durch die Ernennung der beiden Vize-Direktoren als jeweilige Standortleiter wurden bereits erste Schritte zur Entlastung unternommen. Michel Geinoz wird seine Arbeitszeit zu 100 % auf beide Verbände aufteilen, wobei er sich zu Beginn sicherlich überwiegend auf Swissherdbook konzentrieren wird. Er wird bei Bedarf zusätzliche personelle Unterstützung erhalten. In Grangeneuve wird er bei Holstein Switzerland 13 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter leiten, bei Swissherdbook in Zollikofen sind es 40.

Welche Rückmeldungen haben Sie bisher aus Züchterkreisen bezüglich dieser Ernennung erhalten?

Ich persönlich habe ausschliesslich positive Rückmeldungen erhalten. Mehrere Personen haben mir versichert, dass es eine sehr gute und weise Entscheidung sei.

Einige Züchter könnten doch Bedenken haben, insbesondere wenn es um Veränderungen in der Organisation geht.

Bisher habe ich keine Bedenken wahrgenommen. Die organisatorische Veränderung soll das Projekt Alliance sichtbar machen und uns ermöglichen, Schritt für Schritt voranzukommen. Wir sind überzeugt, dass Michel Geinoz mit seinem Wissen und seiner Herangehensweise auch die kritischeren Mitglieder von Swissherdbook überzeugen wird.

Das Projekt Alliance zielt auf eine operative und strategische Annäherung der beiden Organisationen ab. Können Sie uns mehr über die konkreten Schritte und Pläne in diesem Projekt erzählen?

Kurzfristig müssen Synergiegewinne für beide Verbände umgesetzt werden. Ein Beispiel dafür ist die Administration der Milchkontrolle: Bei anstehenden Personaländerungen bei Holstein Switzerland könnte ein Teil der Aufgaben von Mitarbeitern von Swissherdbook übernommen werden, da die Milchkontrolleure ohnehin oft dieselben sind. Wie bereits erwähnt, erfolgt dies jedoch nur, wenn beide Vorstände zustimmen. Langfristig streben wir eine Fusion unserer beiden Verbände an, mit einem Zeithorizont bis 2030.

Werden sich durch diese strategische Annäherung Änderungen bei den Beständeschauen ergeben?

Nein, die Beständeschauen werden durch die Absatzförderung des Bundes unterstützt, und die entsprechende Verfügung bildet die Grundlage für ihre Organisation. Ein Zuchtverband sollte als Dienstleister jene Leistungen anbieten, die bei den Züchtern und Kunden stark nachgefragt werden und von ihnen finanziell getragen werden. Die Beständeschauen gehören definitiv dazu.

Vor 15 Jahren wurde bei einer so bedeutenden Entscheidung noch die Delegiertenversammlung (DV) befragt. Warum wurde in diesem Fall auf eine breite Konsultation der Züchter verzichtet?

Die Ernennung des Direktors liegt, wie alle Personalentscheidungen, im Zuständigkeitsbereich der Verwaltung, und die Delegiertenversammlung hat in dieser Angelegenheit kein Mitspracherecht. Ein vollständiges Projekt zum Zusammenschluss beider Verbände könnten wir der Delegiertenversammlung erst vorlegen, wenn ein solches abgeschlossen wäre. Mit der Ernennung von Michel Geinoz befinden wir uns jedoch erst am Anfang dieses Prozesses, weshalb diese strategische Entscheidung in der Verantwortung der Verwaltung liegt. Die kommenden Delegiertenversammlungen werden jedoch eine wichtige Plattform bieten, um unsere Züchter direkt über das Projekt Alliance zu informieren und den Austausch mit ihnen zu fördern.

Abschliessend, wie sehen Sie die Zukunft von Swissherdbook und Holstein Switzerland unter der neuen Führung?

Meine Vision ist eindeutig: ein Schweizer Rindviehzuchtverband, in dem alle Rassen und Produktionsrichtungen vereint sind. Die Strukturen und Statuten von Alliance sind offen für andere Rindviehzuchtorganisationen. Unser Projekt garantiert auch den Fortbestand der jeweiligen Partnerorganisationen an ihren Standorten. Wir können in der Landwirtschaft nicht ständig über die ausufernde Bürokratie klagen und gleichzeitig an unseren eigenen «Gärtchen» festhalten. Es würde mich freuen, wenn das Projekt Alliance hier den Stein ins Rollen gebracht hat.