«Jöö, die arme Tierli müend doch secher früüre bi dem Schnee!» Passanten entlang Wanderwegen haben oft wenig Verständnis, wenn Schafe im Winter bei Kälte und gar Schneetreiben ganztägig auf Weiden gehalten werden. Dabei verkennen die vermeintlichen Tierschützer, dass die dauernde Haltung von Schafen im Freien deren natürlichen Bedürfnissen weitgehend entgegenkommt.

Allerdings ist Schafen im Winter bei extremer Witterung ein Witterungsschutz anzubieten, oder sie sind einzustallen. So will es die eidgenössische Tierschutzverordnung. Und für einen einheitlichen Vollzug gibt es den Flyer «Kurzinformation für die Haltung von Schafen» aus dem Jahre 2018, den zahlreiche Kantone, darunter jene der Innerschweiz und der Aargau, definiert haben.

Darin ist allerdings nicht im Detail geregelt, was unter «extreme Witterung» zu verstehen ist oder wann die «dauernde Haltung im Freien» eingeschränkt ist.

Ein Dach genügt nicht

Zwar regelt die Fachinformation 7.3 zu Schafen des Bundesamts für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV) von 2016, dass Schafe bei Nässe und Kälte einen Witterungsschutz benötigen und dass alle Tiere darin Platz haben müssen. Dieser muss zudem windgeschützt und ausreichend trocken sein. Und der Boden muss so beschaffen sein, dass den Tieren nicht übermässig Wärme entzogen wird, beispielsweise durch Einstreu. Nur ein Dach über dem Kopf auf einer Weide reicht somit nicht.

Es sei aber nicht möglich, exakte Grenzwerte von klimatischen Bedingungen anzugeben, ab denen ein Schutz vor extremer Witterung gewährt werden müsse, heisst es in der Fachinformation. Entscheidend sei aber, vorzusorgen, dass die Tiere jederzeit vor extremer Witterung Schutz suchen können.

«Schafe schätzen einen Unterstand.»

Marco Gut vom Laburk empfiehlt grundsätzlich einen Witterungsschutz.

Aargau passt Flyer an

In einer weiteren Fachorganisation des BLV vom November 2019 wird aber «extreme Witterung» konkretisiert, und als Handlungsrichtlinie könnten folgende Werte dienen: Temperaturen unter 10 Grad, verbunden mit Nässe und Wind durch mehr als zwei Tage anhaltenden Niederschlag. Wegen der fehlenden rechtlichen Grundlage für einige der bisherigen Vorgaben im kantonalen Flyer von 2018 sei dieser auf Wunsch des Bauernverband Aargau (BVA) und des Aargauer Schafzuchtverbandes im Bereich Witterungsschutz überarbeitet worden, heisst es im aktuellen Newsletter des BVA. Der Veterinärdienst Aargau habe sich deshalb entschlossen, die Vollzugspraxis beim Witterungsschutz per 1. Dezember 2024 zu lockern. (Siehe Kasten).

Luzern verweist auf Bund

Im Kanton Luzern stütze man sich für den Vollzug auf die Fachinformationen des BLV, sagt Kantonstierarzt Martin Brügger. Eigene Flyer seien keine mehr auf der Website des Luzerner Veterinärdienstes aufgeschaltet. Das Labor der Urkantone (Laburk) hat allerdings noch ein eigenes Merkblatt für «Anforderungen bei der Freilandhaltung von Schafen im Winter» aufgeschaltet, mit Version von Februar 2020. Darin ist festgehalten, dass von Anfang Dezember bis Ende Februar ein künstlicher Unterstand empfohlen wird.

Je nach Situation zwingend

Zwingend sei ein solcher bei gleichzeitiger Kälte (Temperaturen unter 10 Grad), Wind und Nässe durch mehr als zwei Tage anhaltenden Niederschlag. Es sei aber schwierig, «extreme Witterung» genau zu definieren, sagt auch Marco Gut vom Laburk. Mit dem veränderten Klima gebe es lokal auch im Winter Phasen, wo die Witterung trocken und die Temperaturen moderat seien, sodass ein Unterstand nicht zwingend sei. Schafe würden aber erfahrungsgemäss einen Witterungsschutz schätzen, auch wenn dieser nicht zwingend vorgeschrieben sei.

Den Leuten erklären

Trotz Lockerung beim Vollzug empfiehlt der BVA den Schafhaltern, den Tieren stets einen Unterstand anzubieten, um gegen allfällige unvorhergesehene Wetterereignisse gerüstet zu sein. Und gegenüber der Bevölkerung sei es sinnvoll, die Weidehaltung von Schafen im Winter zu erklären. Dazu bietet der Schafzuchtverband Informationstafeln unter dem Titel «Schafe lieben das Weideleben». Darin wird mit Bildern erklärt, dass sich Schafe eben auch bei kühler Witterung und im Schnee wohlfühlen.

Das gilt im Aargau
Folgende Ergänzungen zum bisherigen interkantonalen Flyer von 2018 wurden auf 1. Dezember 2024 im Aargau beschlossen:

Dauernde Haltung im Freien: Schafe werden häufig dauernd im Freien gehalten. Dies kommt den natürlichen Bedürfnissen der Tiere weitgehend entgegen. Tiere, die dauernd im Freien gehalten werden und mit den Witterungsverhältnissen (z. B. aus gesundheitlichen Gründen) überfordert sind, brauchen aber einen Witterungsschutz oder müssen eingestallt werden, da deren Thermoregulationsvermögen gestört sein kann und sie zum Teil intensiver betreut werden müssen.

Witterungsschutz im Winter: Bei extremer Witterung ist allen Schafen ein Witterungsschutz anzubieten, oder sie sind einzustallen. Extreme Witterung liegt vor bei mehr als 48 Stunden andauerndem Niederschlag in Verbindung mit Tagestemperaturen, welche stets unter 10 °C liegen. Der Witterungsschutz muss den Schafen einen trockenen Liegeplatz (Empfehlung: mindestens zwei Wände geschlossen) bieten, mit den Mindestabmessungen «Witterungsschutz: Liegefläche pro Tier» gemäss der Tabelle im Flyer.