«Bilder werde ich bestimmt keine auf Facebook stellen», betont Philipp Jacobi auf die Frage, wie er damit umgeht, dass er in diesem Sommer bereits 21 seiner Schafe durch den Wolf verlor. Durch solche Aktionen entstünden Diskussionen, die einem nicht weiterbrächten und es endete immer damit, dass sich Wolfsbefürworter und Wolfsgegner unter der Gürtellinie beschimpften.
Was einem weiterbringe, sei, auszuprobieren, was im Herdenschutz funktioniere und was nicht. Jacobi ist ein Macher und will sich von der Wolfspräsenz nicht entmutigen lassen, auch wenn sie ihn viel Zeit und Geld kostet. Und er schlägt sich mit den bürokratischen Hürden des Herdenschutzes herum. «Dabei wäre es doch wichtig, dass sich diejenigen, die sich für den Herdenschutz einsetzen wollen, nicht gegenseitig Steine in den Weg legen», betont Jacobi.
Keine Unterstützung vom Bund
Doch bekommt er für seine Herdenschutzhunde nicht nur keine Unterstützung, er darf nicht einmal die offiziellen Warntafeln der BUL für die Wanderer aufstellen. Auch werden seine Hunde den Wanderern nicht auf der Karte des Bundesamtes für Umwelt (Bafu) angezeigt. Und das nur, weil sie der falschen Rasse angehören. Und, in der Schweiz darf nur eine einzige Organisation offizielle Herdenschutzhunde ernennen, der Verein Herdenschutzhunde Schweiz.
Welpen auf sich geprägt
«Wenn ich einen Herdenschutzhund kaufe, dann will ich den selber aussuchen», betont Philipp Jacobi. Er hat sich deshalb letztes Jahr in Deutschland zwei Kangalwelpen gekauft. Diese sind zwar in der Schweiz nicht offiziell für den Herdenschutz anerkannt, Jacobi ist es jedoch egal und er ist mit der charakterlichen Entwicklung der Tiere sehr zufrieden. Sehr ruhig und selbstsicher seien sie in der Herde, würden auch auf Wanderer kaum reagieren. «Diese Hunde sind bei mir aufgewachsen und ich konnte sie auf mich prägen. So sind wir zu einem Team zusammengewachsen», zählt er die Vorteile auf.
Zu wenig Hunde
Wenn er beim Bund offiziell Herdenschutzhunde beantrage, sei dies einerseits eine grosse bürokratische Hürde, andererseits gebe es zu wenig Hunde, so dass man Glück brauche, überhaupt einen zu bekommen und zu guter Letzt werde einem einfach ein Hund zugeteilt, der vielleicht gar nicht zu einem passe. Dass bei Jacobi trotz der Hunde Schafe gerissen wurden, liegt daran, dass die Alp gross und weitläufig ist. Zu gross ist auch die Herde von 650 Schafen für die zwei noch jungen Hunde. Jacobi will sich deshalb bis zum kommenden Alpsommer vier weitere Herdenschutzhunde kaufen.
Erfahrener Jäger
Die Alp Stutz, die er in Splügen gepachtet hat, liegt im Gebiet des Beverin-Rudels. Dieses hat im Moment fünf Jungtiere. Der Hunger wird also auch künftig gross sein. Und die Jäger des Rudels sind geübt. So musste Philipp Jacobi immerhin keine lebendig angefressenen Tiere erlösen. «Alle Tiere wurden während der letzen Wochen mit einem sauberen Kehlbiss getötet, das spricht dafür, dass es ein erfahrenes Alttier ist, das sich hier sein Futter sucht», gibt er die Erklärung des Wildhüters weiter. Sieben weitere Tiere sind bei der Flucht über eine Felswand gestürzt.
Kein Personal gefunden
Jacobi geht davon aus, dass der Wolf, welcher seine Schafe reisst, bereits 2018 für grosse Schäden auf der Alp Stutz sorgte. 17 seiner Schafe verlor er damals, auf der gesamten Alp wurden 59 Schafe gerissen. Da hatte die Alp noch einen anderen Pächter und Jacobi gab ihm seine Tiere zur Sömmerung. Im letzten Sommer pachtete dann Jacobi die Alp und suchte einen Hirten dafür: «Bewerbungen bekam ich zwar viele, die meisten konnte ich nach dem zweiten Satz schon zur Seite legen. Gutes Personal zu finden, ist beinahe unmöglich», so Jacobi. Stattdessen hätten sich Aussteiger und Leute ohne Alperfahrung gemeldet, welche im Alpsommer das ultimative Abenteuer sahen.
So wurde Jacobi selber Hirte, zog mit seinen Schafen vom Talbetrieb im bernischen Meikirch zur Sömmerung ins bündnerische Splügen und damit ins Wolfsgebiet. Im vergangenen Sommer verlor er nur ein Schaf: «Das war wohl einfach nur Glück», antwortet er auf die Frage, warum die Verluste so unterschiedlich sind. Aber Jacobi mag nicht hadern. Klar beschäftige es ihn, wenn er Tiere verliere. Aber nicht so sehr wie einige andere Schäfer, die nervlich am Ende seien. So ist Aufgeben für ihn derzeit noch keine Option.
Längere Fresszeiten
Einzäunen lasse sich die Alp nicht, dafür sei sie zu gross und zu steil. Aber Philipp Jacobi erstellt Nachtpferche, treibt jeden Abend spät seine Schafe dort hinein und am frühen Morgen, wenn es noch kühl ist zum Fressen, wieder hinaus. «Wir haben viel zusätzliche Arbeit wegen dem Herdenschutz. Und er kostet uns auch viel Geld. Alleine das Material für die Pferche kostete in diesem Jahr tausend Franken», betont Jacobi. So sei auch die Alphütte zu weit von den Weiden entfernt und der Fussmarsch insbesondere bei Regen lebensgefährlich. Rund eineinhalb Stunden dauere ein Weg.
So habe die Alpgenossenschaft mit grossem Aufwand bei den Nacht-pferchen eine Unterkunft erstellt, damit er bei seinen Schafen übernachten und so die Fressenszeit verlängern kann. Alleine die Bewilligung für den Wohncontainer zu bekommen sei eine grosse Sache gewesen bis sich alle Ämter einig waren, wo er stehen darf und wo nicht. Die Kosten betrugen rund 35 000.–Franken.
Zwei Schafe gestorben
Auch die Kangals verursachen Kosten: «Wenn ich nur täglich eine halbe Stunde dafür einrechne, plus Futter, Versicherungen, Anschaffungskosten, komme ich auf jährlich 13 000.– Franken», rechnet Philipp Jacobi vor. Und doch ist er überzeugt, dass er mit einem funktionierenden Rudel Herdenschutzhunden seine Schafe mit wenigen Verlusten im Wolfsgebiet sömmern kann.
Er will es zumindest versuchen. «Neulich habe ich wieder gelesen, wie viele Schafe laut Wolfsbefürwortern die Alpung angeblich wegen Krankheit und Unfall nicht überleben. Ich kann diese Zahl kaum glauben. Mir sind in diesem Sommer von 650 Schafen gerade mal zwei durch Krankheit gestorben», betont Jacobi. Und das stört ihn fast mehr als die Präsenz des Wolfes, die Art wie über Schäfeler gedacht und geredet wird, wie mit ihnen umgegangen wird.