«Für mich stimmt es einfach nicht mehr, wie es jetzt läuft. Wir und unsere Tiere sollen alles erdulden», sagt Roman Marugg am Telefon. Er ringt nach Worten als er beschreibt, was er auf der Alp oberhalb von Klosters angetroffen hat: «Wir haben Bilder gesehen, die vergisst man nie, Lämmer, die mit heraushängenden Därmen noch herumliefen, Tiere, denen die Beine abgebissen wurden.»
Zehn getötet, sechs Schafe mussten erlöst werden
Marugg ist Landwirt, Schafzücher und Alpvorsteher und wollte die Schafe gut durch den Sommer bringen. Zehn tötete der Wolf, sechs mussten erlöst werden. Am Dienstag vergangener Woche wurden die Schafe auf die Alp gebracht, schon in der ersten Nacht schlug das Raubtier zu, nun sucht Marugg Lastwagen, um die Schafe schnellstmöglich wieder runterzuholen.
«Wenn ich im Winter ein krankes Tier habe und der Tierschutzkontrolleur kommt, muss ich beweisen, dass es angemessen versorgt wird. Aber hier auf der Alp sollen wir dem Wolf unsere Tiere auf dem Silbertablett servieren», regt sich Roman Marugg auf.
Bald ein Rudel im Prättigau
Ein Schafhirte war immer auf der Alp, doch seit der verhängnisvollen Nacht halten die Schafbesitzer selbst zusätzlich Nachtwache. Schützbar ist die Alp wegen ihrer Topografie nicht. Herdenschutzhunde seien keine zu bekommen und er könne es nicht verantworten, bei all den Wanderern.
«Wir können diesen Mehraufwand auch körperlich und zeitmässig nicht leisten», betont Marugg. Psychisch sei die Situation kaum zu ertragen. Und von dem Ämtern höre er nur, man kläre ab.
«Unsere Vorväter wussten, warum sie diese Hänge weideten und warum sie die Schafe im Sommer aus der Hitze des Tals in die Höhe brachten.»
Er macht sich Gedanken, was passiert, wenn die Schafe weg sind. Vis-a-vis sei eine Ziegenalp, weiter unten mehrere Alpen mit Mutterkühen. Nachgewiesen sei aktuell ein männlicher Wolf. Sei das zweite gesichtete Tier ein Weibchen, streife um Klosters wohl bald ein Rudel.
Schutz auf Kosten des Tierwohls?
«Aus anderen Gegenden wissen wir, wie Mutterkühe reagieren wenn der Wolf auftaucht. Dann ist es eine Frage der Zeit bis ein Unglück passiert», fürchtet Roman Marugg und dann müsse es wieder der Landwirt ausbaden. «Wir haben unsere Alp mit viel Aufwand gegen Moderhinke saniert und ein aufwendiges Parasitenprogramm erstellt. Und nun sollen wir 600 Schafe am liebsten Tag und Nacht einpferchen und auf engem Raum einzäunen? Das ist weder tiergerecht noch ökologisch sinnvoll», betont Marugg.
Es mangelt an Unterstützung und Verständnis
Er sieht keine Möglichkeit, mit dem Wolf zusammen zu leben. «Den Luchs haben wir hier schon lange, der tötet ein Tier und frisst es komplett auf. Damit kann ich leben. Aber nicht mit dem, was der Wolf anrichtet in seinem Blutrausch», betont Marugg. Bei seinen Nachtwachen hat er auf der Wärmebildkamera gesehen, wie der Wolf an toten Schafen vorbei ging, um weitere zu reissen. Aus Freude am Jagen.
«Die halbtoten und toten Tiere können wir dann einsammeln und entsorgen, von denen frisst er nie wieder, tötet stattdessen weitere Tiere. Diese Bilder sollten die Wolfsbefürworter mal sehen, die uns erzählen, der Wolf töte nur, um zu fressen und zu überleben», so Marugg. Die fehlende Unterstützung und das mangelnde Verständnis für die Situation der Alpbewirtschafter lasse mittlerweile vielerorts den Gedanken an Selbstjustiz aufkommen.