«Was macht ihr gegen Mortellaro am Euter?», fragt eine Landwirtin in einer Fachgruppe auf den Sozialen Medien. Die Tipps, welche ihr die Berufskollegen geben, sind vielfältig; den Milchproduzenten scheint die Problematik nicht ganz neu zu sein. Mortellaro oder Dermatitis digitalis ist den meisten als Erdbeerkrankheit geläufig. Ein ganz grosser Teil der Laufstallbetriebe ist mit der Klauenkrankheit konfrontiert, aber auch in Anbindeställen greift die bakteriell bedingte Mehrfaktorenkrankheit zunehmend um sich. Hygiene, Klauenpflege, Fütterung, Leistungsniveau, aber auch Stress sind Bereiche, welche auf Mortellaro bedeutenden Einfluss haben. Geht die Krankheit nun auch auf die Euter über?
Am Euterboden vor den beiden vorderen Zitzen
Betroffene Tierhalter beklagen Ekzeme, die sich meist am Euterboden vor den beiden vorderen Zitzen oder auch direkt am Zentralband befinden. Von Juckreiz über Schmerzen bis hin zu Blutungen werden verschiedene Symptome beobachtet.
Noch eine weitere Krankheit
[IMG 2] In deutschen Fachmedien wurden in jüngster Zeit mehrere Artikel publiziert, in denen von einer Euterkrankheit berichtet wird, bei der Zitzen schwarz werden. Gekalbte Rinder würden sich diese aufgrund des Juckreizes sogar selbst abbeissen. So titelt beispielsweise «Agrarheute» im Juni: «Blutige Zitzen bei Kühen: neuer Euterkrankheit auf der Spur».
Verschiedene Ursachen
In welchem Zusammenhang stehen diese Euterkrankheiten nun tatsächlich mit Mortellaro? Wie Adrian Steiner, Geschäftsführender Direktor des Departements für klinische Veterinärmedizin an der Uni Bern, erklärt, handelt es sich bei den oben beschriebenen Krankheitsbildern um zwei verschiedene Erkrankungen.
Diese kämen in der jüngeren Vergangenheit bei Milchkühen vermehrt und manchmal auch beim gleichen Tier gleichzeitig vor, so Steiner. «Leider gibt es nur wenige wissenschaftliche Untersuchungen, welche gesicherte Aussagen zulassen», sagt er.
Es handelt sich nicht um Mortellaro
Zum einen handelt es sich um das Absterben der Zitzenhaut. Die Krankheit ist bedingt durch eine Durchblutungsstörung der Zitzenhaut. «Sie kommt sehr häufig ums Abkalben respektive kurz nach dem Abkalben und bei Rindern mit einem ausgeprägten Euterfluss in der ersten Laktation vor», weiss Adrian Steiner. Untersuchungen würden vor allem aus England vorliegen, wo die Krankheit in letzter Zeit vermehrt vorkomme.
Auf Betrieben, in welchen das Absterben der Zitzenhaut vorkomme, würden häufig auch Kühe stehen, welche von Euterspalt-Ekzem betroffen sind. Die Vermutung vieler betroffener Tierhalterinnen und Tierhalter, die Euterkrankheit könne mit Mortellaro im Zusammenhang stehen, trifft aber nicht zu. «Die Erreger der Klauen-Erdbeerkrankheit und der Euterpocken konnten als Ursache für das Absterben der Zitzenhaut ausgeschlossen werden», so Steiner.
Langwierige Abheilung
Weiter wichtig erscheint zudem, dass die Krankheit nicht übertragbar ist. Die Behandlung bestehe aus Wundpflege und temporärem Trockenstellen des oder der betroffenen Viertel. Die Abheilungsdauer betrage – je nach Ausdehnung – mehrere Wochen bis Monate.
«Das Euterspalt-Ekzem ist eine Hautveränderung am Übergang der Vorderviertel zur Bauchwand und reicht – je nach Schweregrad – zwischen die Vorderviertel hinein», beschreibt Adrian Steiner. Die Ausprägung könne von einem kleinen lokalen Ekzem bis zu einer tief eiternden, blutenden und übel riechenden Wunde reichen. Die Krankheit sei multifaktoriell und die spontane Abheilungsrate innerhalb eines Jahres betrage nur knapp 40 % der betroffenen Tiere.
«Eine spezifische Behandlung ist nicht bekannt.»
Adrian Steiner, Departement für klinische Veterinärmedizin
Wissenschaftliche Untersuchungen gebe es aktuell hauptsächlich aus den Niederlanden und Schweden. «Risikofaktoren sind das Vorliegen von Hautfalten und Furchen in der betroffenen Region, ein geringer Winkel zwischen Euter und Bauchwand und hohe Milchleistung sowohl des Einzeltieres als auch der gesamten Herde, in welcher das betroffene Tiere gehalten wird», weiss Steiner. Zudem seien ältere Kühe häufiger betroffen als Erstkalbinnen.
Nicht am Problem beteiligt
Gefragt nach den Ursachen, sagt der Tierarzt: «Milben, Mortellaro-Erreger, Pilze, Staphylococcus aureus und andere Mastitis-Erreger scheinen nicht ursächlich am Problem beteiligt zu sein.» Auch eine spezifische Behandlung ist nicht bekannt. Die Behandlung mit Kupfer- und Zink-Spray sei nicht effektiv gewesen.
Aktuell werden das Scheren der Haare und mehrmalige Wundreinigungen jede Woche mit milden Desinfektionsmitteln empfohlen. Euterspalt-Ekzeme würden ein Hygieneproblem beim Melken darstellen und gingen daher mit einer erhöhten Mastitisgefahr einher. Adrian Steiner rät zudem, beim Auftreten der Eutererkrankung die Bestandestierärztin beizuziehen. «In sehr schlimmen Fällen kann es zur Vereiterung mit Thrombenbildung der Eutervene kommen. In den Niederlanden sind Fälle beschrieben, bei welchen Kühe schlussendlich daran gestorben sind», erzählt Steiner.