Noch vor ein paar Jahren hätte ich mir nicht vorstellen können, dass auch bei mir der Konsum Sozialer Medien zum Alltag gehören würde. Heute gebe ich zu, dass ich gerade WhatsApp sehr rege benutze, unter anderem auch zum schnellen Informationsaustausch. Auch sehe ich mir die wunderschönen Naturbilder auf dem WhatsApp-Status sehr gerne an.

Nicht nur «Gfreuts»

Aber nicht alles ist erfreulich. Über Facebook und Co. können sich stark mitteilungsbedürftige Menschen so richtig austoben. Sie posten vom morgendlichen Zahnputzritual bis hin zum letzten Toilettengang am Abend alles, was ihren Alltag irgendwie bewegt. «Eine echte Zumutung für die Angeposteten», denke ich nicht selten. Aber nun ja, «me het ja d’Weli ob me’s list…» Seitdem sich nun aber unsere Welt mit einem Virus beschäftigen muss, hat die Posterei ein Ausmass erreicht, das für mich schlicht unerträglich geworden ist. Jeder und jede tut seine Meinung kund zu dem tödlichen – oder «amänd» doch nicht existierenden – «Chäfer».

«Chäfer-Posts», wohin das Auge blickt

Ich reibe mir die Augen und staune über den Wildwuchs von unsäglichen Theorien, Behauptungen und Schuldzuweisungen. Wenn ich all diese Geschichten glauben würde, wäre auch ich irgendwann davon überzeugt, dass der Leibhaftige höchstpersönlich seine Finger im Spiel hat. Wir Menschen können schlecht mit Unbekanntem umgehen. Es hat etwas Bedrohliches. Man weiss aus der Vergangenheit, dass immer schon in unsicheren Zeiten wilde Theorien besonders florieren konnten. Und hier sehe ich heute das Problem der sozialen Medien. Jede noch so absurde Nachricht kann in kürzester Zeit unzensiert tausend- oder gar millionenfach verbreitet werden. Was mich gestern noch überzeugt hat, wird heute schon wieder mit einem neuen Post in Frage gestellt. Die Folge davon ist Verunsicherung und noch schlimmer: Wir verlieren das Vertrauen zu allem und jedem, konstruieren Feindbilder und lassen uns gegen sie aufhetzen.

Wieder mehr Vertrauen schenken

Wem können wir denn noch glauben? Wenn ich ein Haus baue, dann gebe ich einem Architekten den Auftrag, dieses für mich zu zeichnen. Weil er das besser kann. Und ich schenke ihm das Vertrauen, dass mein Haus nicht beim ersten gröberen Schneesturm über meinem Kopf zusammenkracht. Erinnern wir uns an den Abstimmungskampf über die Pflanzenschutz-Initiativen. Wie haben uns die «städtischen Besserwisser» genervt. Weil eben wir die Experten sind, stand auf unseren Plakaten: Bitte vertraut uns!

Ich persönlich lebe deutlich besser, seit ich die Postflut rund um den «Chäfer» nicht mehr beachte. «I ha ja äbe d’Weli ob i’s lise …» Dafür diskutiere ich gerne mit Menschen darüber, die wirklich an der Front arbeiten. Mit Menschen, die sich wissenschaftlich fundiert mit der Problematik befassen und daher wissen, wovon sie sprechen. Wir dürfen unbedingt kritisch sein. Das ist überlebenswichtig. Aber vielleicht müssen wir in der momentan schwierigen Situation vermehrt lernen, wieder zu vertrauen.