«Richtig angewendet sind Pflanzenschutzmittel sicher.» Darauf weisen Hersteller-Firmen immer wieder hin. Dass sich Anwender nicht nur auf diese Aussage verlassen müssen, dafür sorgt in der Schweiz das Zulassungsverfahren.

Ein Gesuch in 100 Ordnern

Zu Beginn muss die Herstellerfirma für ein neues Pflanzeschutzmittel (PSM) oder einen neuen Wirkstoff ein Gesuch beim Bundesamt für Landwirtschaft (BLW) einreichen. Dazu gehört ein Dossier mit diversen Studien zu den Wirkungen und möglichen Nebenwirkungen. Ein solches Dossier kann bis zu 100 Ordner umfassen, wie Felix Fraga vom BLW auf Anfrage schreibt. Damit muss nachgewiesen werden, dass folgende grundlegenden Voraussetzungen für eine Bewilligung gemäss der Pflanzenschutzmittelverordnung erfüllt sind:

  • Das PSM muss sich zum vorgesehenen Zweck eignen
  • Es darf keine sofortigen oder verzögerten schädlichen Effekte haben (auf Menschen, Tiere, Wasser, Luft, Futter, Lebensmittel usw.)
  • Es darf keine unannehmbaren Effekte auf die Umwelt oder Pflanzen(-erzeugnisse) haben und gegebenenfalls
  • zu bekämpfenden Wirbeltieren keine unnötigen Leiden oder Schmerzen zufügen

Diese Vorgaben gelten unter der Einhaltung der guten Pflanzenschutzpraxis und realistischer Anwendungsbedingungen. Dabei müssen Massnahmen zur Risikominderung eingehalten werden.

Gesuchsteller muss liefern

Die Verantwortung für den Nachweis, dass die gesetzlichen Vorgaben erfüllt werden, liegt also beim Gesuchsteller. Damit die Studien im Dossier qualitativ gut sind, müssen sie internationalen Kriterien genügen und festgelegten Protokollen folgen.

An der Überprüfung eines Gesuchs, das beim BLW eingegangen ist, sind vier Beurteilungsstellen beteiligt:

  • Agroscope: Sie untersucht die Wirkung auf Ziel- und Nichtziel-organismen (z. B. Fische, Bienen oder Vögel), und Grundwasser, die Anreicherung im Boden, Rückstände im Erntegut sowie die Zusammensetzung des Produkts und seine chemischen Eigenschaften (etwa Löslichkeit und Haltbarkeit).
  • Bundesamt für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen (BLV): ist für den Schutz der Konsumenten und nichtberuflichen Anwender, der Anwohner und Nebenstehenden zuständig. Das BLV beurteilt somit u. a. die Gefahr durch Rückstände in Lebensmitteln oder für Anwohner und Passanten (z. B. Jogger am Feldrand)
  • Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco): kümmert sich um den Schutz professioneller Anwender, also z. B. von Landwirten oder Erntearbeitern. Das Seco bestimmt auch die erforderliche Schutzausrüstung.
  • Bundesamt für Umwelt (Bafu): Es nimmt die Einstufung und Kennzeichnung zur Umweltgefährlichkeit vor.

Den Entscheid über die endgültige Zulassung fällt das BLW im Einvernehmen mit den Beurteilungsstellen. Eine einmal erteilte Bewilligung zu widerrufen dauert, wie das Beispiel Chlorothalonil zeigt.

Ein Verbot braucht Zeit

Seit diesem Sommer ist der Fungizid-Wirkstoff Chlorothalonil in der Kritik. Abbauprodukte davon sind im Grund- und Trinkwasser gefunden worden. Sowohl die EU als auch das BLV sind zum Schluss gekommen, dass eine Gefahr für die Gesundheit bestehen könnte.

Bevor die Zulassung für einen Wirkstoff in der Schweiz widerrufen werden kann, müssen die Hersteller sich äussern können. In der vorgeschriebenen Vernehmlassung könnten sie in diesem Fall Beweise vorlegen, dass die Abbauprodukte von Chlorothalonil nicht krebserregend sind. Chlorothalonil selbst ist es nach heutigem Kenntnisstand.

Wird die Bewilligung «aus dringender Sorge um die Gesundheit von Mensch oder Tier oder um die Umwelt» widerrufen, werden die entsprechenden Mittel sofort vom Markt genommen.

 

 

Zahlen zur PSM und Zulassungen

  • 300–400 Bewilligungs-Gesuche werden jährlich bearbeitet
  • 12–18 Monate dauert das Zulassungsverfahren (mindestens)
  • 10 Jahre dauert die Entwicklung eines neuen Wirkstoffs
  • 286 Millionen US-Dollar kostet die Entwicklung eines neuen Produkts
  • 157 Wirkstoffen wurde seit 2005 die Bewilligung entzogen