Naturwiesen, Buntbrachen und Nützlingsstreifen bieten das Bild einer Biodiversitäts-Förderfläche (BFF), wie man es sich gemeinhin vorstellt: arten- und formenreich, bunt. Ackerschonstreifen und Getreide in weiter Reihe (GWR) sind da optisch unauffälliger. Aber: «Ackerbegleitflora braucht Äcker bzw. genügend Licht am Boden», stellt Jessica Käser klar. Die Umweltnaturwissenschaftlerin hat sich auf diese spezielle Gruppe von Wildpflanzen spezialisiert.
Effizienz und Reinheit
Für deren Rückgang nennt Jessica Käser mehrere Gründe: effizientere Lebensmittelproduktion (z. B. stärkere Bestockung, andere Kulturen), Anbau von Winter- statt Sommergetreide, fast vollständig unkrautsamenfreies Saatgut und der Einsatz chemischer Pflanzenschutzmittel sowie Dünger. GWR und Ackerschonstreifen sind Möglichkeiten, die Ackerbegleitflora zu fördern oder gar wiederzubeleben, und diese beiden Acker-BFF standen an einem Agridea-Kurs im Zentrum.
«Man spricht bei GWR und Ackerschonstreifen auch von ‹produktiven BFF›», erläuterte Judith Ladner vom Bundesamt für Landwirtschaft (BLW). Es sei ihr jedoch wichtig festzuhalten, dass dabei einerseits der Schwerpunkt auf der Biodiversitäts-Förderung und nicht dem Ertrag liege. Andererseits seien auch beispielsweise Buntbrachen produktiv, da sie zur Humusbildung beitragen und Nützlinge beherbergen würden. Auf diese Weise hätten BFF generell auch eine agronomische Funktion, so Ladner, auch wenn diese bisher wenig erforscht sei. «Mit der Diskussion um die Pflicht zu 3,5 % ist das Interesse seitens Landwirtschaft und Forschung aber gestiegen.»
Mythos Greifvögel
Immer wieder ist zu hören, die Bemühungen zur Förderung von Feldhasen oder Feldlerchen durch Getreide in weiter Reihe (GWR) würden durch die grossen Bestände von Rotmilanen oder Füchsen zunichtegemacht. Die Jungtiere seien in den weiten Reihen geradezu auf dem Präsentierteller, so die Argumentation.
Judith Zellweger von der Vogelwarte widerspricht dem. «Man kennt den Effekt erhöhter Prädation von den Fahrgassen in gewöhnlichen Getreidebeständen», sagt die Biologin. Bei GWR seien aber ungleich mehr weite Reihen vorhanden, was das Auffinden junger Hasen oder Vogelnester für Raubtiere aus der Luft oder auf dem Boden schwieriger mache. «Ausserdem sind weite Reihen von den Feldrändern her nicht gleich einfach zugänglich wie Fahrspuren», ergänzt Zellweger.
Rotmilane – deren Bestände in der Schweiz in den letzten Jahren zugenommen haben – würden sich ausserdem hauptsächlich von Regenwürmern und Aas ernähren. «Weil die Feldhasenbestände durch andere Faktoren wie Nahrungs- und Lebensraummangel so tief sind, können Verluste durch Raubtiere überhaupt ins Gewicht fallen», gibt Zellweger weiter zu bedenken. Auch deshalb seien BFF auf dem Acker wichtig: «Sie wirken genau diesem Mangel an Nahrung und Versteckmöglichkeiten entgegen.»
Zu wenig auf Ackerfläche
Der Anfang des verschlungenen Weges, an dessen Ende die – mittlerweile gekippte – Pflicht zu 3,5 % Acker-BFF und deren Einführung im Direktzahlungssystem steht, waren gemäss Judith Ladner nicht die beiden Agrar-Initiativen. Zwar kam als inoffizieller Gegenvorschlag dazu die Pa. Iv. 19.475 mit den beiden Absenkpfaden zustande. Den Startschuss für die Anforderung von 3,5 % Acker-BFF habe aber die Feststellung der Evaluation der Biodiversitätsbeiträge im Jahr 2019 gegeben, dass es zu wenig BFF auf Ackerfläche gebe. Die BFF-Typen Ackerschonstreifen und GWR sind somit ein Ansatz, um Produktion und Biodiversität besser zu vereinen. «Nachdem die Ökowiesen im Juni gemäht sind, sinkt das Blütenangebot drastisch», fuhr die BLW-Fachfrau weiter. In dieser Zeit spielen blühende Ackerschonstreifen oder beikrautreiche GWR-Flächen eine wichtige Rolle für den Erhalt von Insektenpopulationen, die ihrerseits wiederum als Nahrungsquelle für Vögel dienen. Mehr als 80 % der BFF in der Schweiz seien heute Grünland, gab sie zu bedenken: «Das heisst, es braucht mehr offenen Boden, Lebensräume im Ackerland.» Bunte Wiesen seien der Inbegriff der Biodiversität – «aber es fehlt das Andere», fasste Judith Ladner zusammen.
Stolze Landwirte
Für Anlegen und Pflege von Ackerschonstreifen und GWR sind die geltenden Vorschriften zu berücksichtigten. Und die sind einigermassen umfassend (siehe Kästen). Ausserdem gibt es die Möglichkeit, Flächen als regionsspezifische BFF (Typ-16-BFF) anzumelden, für die wiederum andere Vorgaben gelten, die der Kanton bestimmt. Die im Rahmen des Agridea-Kurses besuchten Praxis-Betriebe zeigen, dass bei der Umsetzung bisweilen Probleme auftauchen – es braucht noch mehr Erfahrungen im Umgang mit GWR und Ackerschonstreifen sowohl in der Landwirtschaft als auch der Verwaltung, welche die Vorschriften bereits das erste Mal überarbeitet hat. Interesse bei den Betriebsleitern sei ein wichtiger Erfolgsfaktor, sagt Jessica Käser. «Wenn dann eine seltene Art im Acker gefunden wird, sind die Landwirte in der Regel sehr stolz.»
Ackerschonstreifen sollen ganzflächig umsetzbar werden
Zum Beispiel Mohn, Ackerstiefmütterchen und Perlmuttfalter sind in Ackerschonstreifen anzutreffen. Sie bieten zudem Nistgelegenheiten für Bodenbrüter. Das Ziel ist die Förderung der spontanen Ackerbegleitflora; das relativ breite Blütenangebot soll dank Nahrung für diverse Insekten zu Schädlingsregulierung und Bestäubung beitragen. Es handelt sich bei Ackerschonstreifen definitionsgemäss in der Direktzahlungsverordnung um extensiv bewirtschaftete Randstreifen auf der gesamten Längsseite von Ackerkulturen (Getreide, Hirse, Raps, Sonnenblumen, Körnerleguminosen oder Lein).
Vorgaben: Keine stickstoffhaltigen Dünger, keine breitflächige mechanische Unkrautbekämpfung (Kantone können Ausnahmen bewilligen), mindestens zwei Jahre auf derselben Fläche. Ein- oder Untersaaten möglich, aber ohne breitflächige mechanische Unkrautbekämpfung.
Beträge: 2300 Franken/ha (zuzüglich 1000 Franken/ha Vernetzung, ausserdem Kombination mit anderen Elementen als regionsspezifische BFF entsprechend den kantonalen Vorgaben möglich).
Vorgeschlagene Änderungen im landwirtschaftlichen Verordnungspaket 2024: Neue Definition als extensive «Fläche» statt «Randstreifen», kann so also auf unbegrenzter Breite angelegt werden.
Erfolgsfaktoren: Da besonders offene Bodenstellen in Ackerkulturen wertvoll sind, gelten Ein- und Untersaaten als wenig empfehlenswert. Laut Jessica Käser ist es sinnvoll, im Ackerschonstreifen ganz auf Dünger zu verzichten (nicht nur N-haltige). Parzellen mit tiefem Unkrautdruck und ohne Problemunkräuter wählen, am besten magere Standorte. Sollte in die Fruchtfolge passen und idealerweise mehr als zwei Jahre an derselben Stelle sein.
Vorgaben fördern Ungras
Marcel Burgherr und Hansruedi Hirt haben beide oberhalb von Zetzwil AG Parzellen mit ganzflächigen Ackerschonstreifen. Es sind regionsspezifische BFF, auf denen besonders seltene Begleitflora-Arten gedeihen, unter anderem Acker-Hahnenfuss (Ranunculus arvensis) und Früher Zahntrost (Odontites vernus).
Im IP-Suisse-Winterweizen von Marcel Burgherr macht sich neben den zartgelben Hahnenfussblüten der Ackerfuchsschwanz breit, was der Landwirt auf die kantonale Vorgabe von 50 Prozent Getreide in der Fruchtfolge zurückführt. «Auch die vorgeschriebene Stoppelbrache nach der Ernte – ohne mechanische Unkrautbekämpfung – fördert den Ackerfuchsschwanz», ergänzt Burgherr. Um dem Ungras Einhalt zu gebieten, plane er im nächsten Jahr eine Kunstwiese. Auch ein Striegeleinsatz – mit Sonderbewilligung – habe schon gegen das hartnäckige Ungras geholfen. Das Getreide spät zu säen, wie es zur Bekämpfung des Ackerfuchsschwanzes empfohlen wird, sei standortbedingt für ihn kaum realistisch, sagt der Aargauer.
Späte Saat und Kunstwiese
Die Entdeckung des Frühen Zahntrosts auf seinen Flächen sei der Grund für seinen ganzflächigen Ackerschonstreifen, erklärte Biolandwirt Hansruedi Hirt. Dieser seltene, pflanzliche Halbparasit wächst 2024 im Urdinkel, und Hirt vermutet, dass er wegen des generationenlangen Verzichts auf Pflanzenschutzmittel auf seinem Betrieb überhaupt überlebt hat.
Mit dem Ackerfuchsschwanz habe er keine Probleme. Hirt verweist einerseits darauf, dass er Getreide immer erst nach dem 20. Oktober säe und auf die zweijährige Kunstwiese, die bei ihm auf Weizen und Dinkel folgt. Darin sehe man jeweils nichts von der zarten, seltenen Ackerbegleitflora – «es ist schon interessant, wie dann im Getreide alles wieder aufwächst», findet der Biolandwirt.
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Weite Reihen extensiv bewirtschaften
Als typische Arten in Getreide in weiter Reihe (GWR) gelten Feldhase, Feldlerche und Kornblume. Durch die Kombination mit Säumen oder Brachen und extensiver Bewirtschaftung lasse sich der ökologische Wert dieses BFF-Typs deutlich steigern. Bundesbeiträge können einen gewissen Minderertrag beziehungsweise Mehraufwand bei herbizidloser Bewirtschaftung kompensieren.
Vorgaben: Fläche mit Sommer- oder Wintergetreide, bei der mindestens 40 % der Anzahl Reihen über die Breite der Sämaschine ungesät sind. Reihenabstand mindestens 30 cm. Unkrautbekämpfung im Frühling durch einmaliges Striegeln bis zum 15. April oder durch einmalige Herbizidanwendung. Untersaaten mit Klee oder Kleegrasmischungen erlaubt. Keine Kombination mit Ackerschonstreifen auf derselben Fläche. Kombination mit Produktionssystembeitrag (PSB) für den Verzicht auf Pflanzenschutzmittel im Ackerbau und für den Verzicht auf Herbizide möglich.
Beiträge: 300 Franken/ha (zuzüglich maximal 500 Franken/ha Vernetzung).
Vorgeschlagene Änderungen im landwirtschaftlichen Verordnungspaket 2024: Bei Sämaschinen mit Scharabstand von mindestens 30 cm keine ungesäten Reihen notwendig. Neben Striegeln auch einmaliges Hacken zur Unkrautbekämpfung im Frühling bis 15. April erlauben, ebenfalls einmaliges Walzen.
Erfolgsfaktoren: Feldlerchennester sind gemäss Judith Zellweger, Vogelwarte, vor allem bei Reihenabständen von mindestens 37 cm zu finden. Extensive Bewirtschaftung sei sinnvoll, damit eine starke Bestockung die weiten Reihen nicht zu stark schliesst. Daher auch besser nicht Gerste oder Triticale. Untersaaten oder Ackerbegleitflora bedeuten Nahrung für Feldhasen, daher wird der Herbizidverzicht aus Sicht der Biodiversitätsförderung empfohlen.
Sehr lückiger Bestand
«Wir machen GWR seit einigen Jahren, einigermassen mit Erfolg», sagt Adrian Muff. Der Biolandwirt aus Schwarzenbach LU baut verschiedene Winterweizensorten an, in diesem Jahr auf Anraten eines Berufskollegen Nara. «Er war mehrmals hier und hat mir auch ein Bier bezahlt», erzählt Muff schmunzelnd am Feldrand. Nara ist für ihren kurzen Wuchs bekannt und hat beim Biolandwirt kaum bestockt, wodurch der Bestand sehr lückig geworden ist. Zwischen den Halmen wächst dafür eine bunte Ackerbegleitflora mit verschiedenen Mohnarten, Kamille und wildem Feldsalat, aber auch Überreste der winterlichen Gründüngung (Rettich, Ackerbohnen, Hafer und Wicke). Sie ist nicht vollständig abgefroren.
Pflügen holt Samen nach oben
«Hier und auf unseren anderen Flächen wächst die Ackerbegleitflora von selbst und in zunehmendem Ausmass», schildert Adrian Muff. Seine Vermutung: Die Samen werden durch das Pflügen an die Oberfläche geholt und überleben dank der biologischen Bewirtschaftung. «Sie können im unberührten Boden bis zu 50 Jahre lang überdauern», bestätigt Jessica Käser. Tatsächlich komme immer mehr auf, z. B. Mohn, sagt der Biolandwirt. Für Muff stellt sich daher langsam die Frage, wie viel Ackerbegleitflora zu viel wird.
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