Nein-Komitee «Wir haben keine Krise, die ein Ja zur Biodiversitäts-Initiative rechtfertigen würde» Thursday, 13. June 2024 Vergangene Woche hat ein breites Komitee seine Argumente für ein Nein zur Biodiversitäts-Initiative (BDI) präsentiert. Vertreten waren die Präsidenten der bürgerlichen Parteien, die Energie- und Tourismusbranche, der Gewerbeverband, Waldschweiz, der Schweizerische Alpwirtschaftliche Verband und der Berner Bauernverband (SBV).

Die Lancierung der Nein-Kampagne erfolgte zwei Tage, nachdem das Parlament gegen die Einführung einer Pflicht zu 3,5 Prozent Biodiversitätsförderflächen im Ackerbau (Acker-BFF) entschieden hat. Ein richtiger Entscheid, ist der SBV überzeugt. Und SBV-Präsident Markus Ritter macht sich keine Sorgen, dass das Kippen der Acker-BFF im Parlament der BDI Aufwind verleihen könnte. «Wir haben die Bundesziele zum Anteil BFF bereits überschritten und diese Massnahme hätte die besten Ackerböden für die Lebensmittelproduktion betroffen», gab er vor den Medien zu bedenken. «Das können wir der Bevölkerung erklären.»

Im Interview mit der BauernZeitung geht Ritter unter anderem auf eines der Hauptargumente der BDI-Gegner ein: den Verlust an Fläche für die Produktion von Lebensmitteln.

Im Text der Biodiversitäts-Initiative (BDI) ist nicht die Rede von 30 % der Landesfläche, die unter Schutz gestellt werden soll. Warum warnen Sie trotzdem davor?

Markus Ritter: Pro Natura als einer der Hauptinitianten hat in einer Medienmitteilung vom Dezember 2023 klar diese 30 % gefordert. Wir stützen uns daher auf die Aussagen der Initianten ab, was die BDI bewirken soll.

Könnten Sie nicht darauf vertrauen, dass der Gesetzgeber – sprich das Parlament – bei der Umsetzung der BDI darauf verzichten würde?

Wir müssen die BDI daran bewerten, was sie will – und das ist laut Pro Natura die Unterschutzstellung von 30 % der Landesfläche. Das gilt es auch der Bevölkerung mitzuteilen. Der Nationalrat hatte zudem in seiner Beratung eines Gegenvorschlages, der vom Ständerat dann abgelehnt wurde, bereits vorgesehen, dass diese enormen Flächen in den kantonalen Richtplänen als behördenverbindlich erfasst werden müssen. Was dies bedeutet, muss hier nicht weiter ausgeführt werden. Zu sagen, diese Forderungen kämen bei einer Annahme der BDI nicht durchs Parlament, wäre hypothetisch. Zumal der Ruf danach in den Verhandlungen angesichts der klaren Äusserungen von Pro Natura vor der Volksabstimmung sicher laut wäre.

Die Initianten haben ein Rechtsgutachten in Auftrag gegeben. Es kommt zum Schluss, dass die BDI mit der richtigen Umsetzung auf Gesetzesebene mit dem Stromgesetz kompatibel wäre.

Bei einer Annahme der BDI würde nicht nur der Schutz der Biodiversität, sondern auch jener von Ortsbildern und Baudenkmälern verstärkt. Das bedeutet, dass die Position von Organisationen mit Verbandsbeschwerderecht – und da gibt es neben Pro Natura eine ganze Reihe weiterer – ebenfalls gestärkt würde. Ich traue diesen Organisationen nicht, dass sie sich dann mit Einsprachen zurückhalten werden, wenn es um Bauprojekte für die Produktion erneuerbarer Energien oder andere Bauten geht. Wir sehen ja schon heute, wie viel Druck via das Verbandsbeschwerderecht ausgeübt werden kann. Ausserdem gilt, dass neuere Bestimmungen in der Bundesverfassung vor Gericht Vorrang haben vor alten. Damit würde die BDI die Rechtsgrundlage für Einsprachen via Verbandsbeschwerderecht weiter verbessern.

Im Ackerland beträgt der Anteil BFF nur 1 %, mehr als 80 % der BFF in der Schweiz sind gemäss Bund Grasland. Wäre eine Verschiebung hin zu mehr Acker-BFF bei gleichbleibender Gesamtfläche sinnvoll?

Wir haben auf unserem Betrieb einen Saum auf Ackerfläche angelegt und das ist eigentlich auch nichts anderes als Grünland, da wachsen Gräser und Blumen. Das eine Prozent BFF im Ackerland sind Brachen und Nützlingsstreifen, die mit der Fruchtfolge wieder verschwinden. Mit anderen BFF in unmittelbarer Nähe zu Äckern lassen sich Nützlinge aber ebenso fördern. Der Kanton Aargau beispielsweise hat 20 % BFF auf seiner LN – dort liegen die Förderflächen zum überwiegenden Teil in der Nähe zu den Äckern. Das hat den gleichen Effekt bezüglich der Nützlinge wie BFF auf Ackerflächen.

Die BDI betrifft nicht nur die Landwirtschaftszone, sondern auch den Siedlungsraum. Wäre das positiv zu werten?

Bei uns ist sicher niemand dagegen, wenn man im Siedlungsgebiet etwas für die Biodiversität tut. In der Debatte um die BDI bzw. den Gegenvorschlag im Parlament kam dieses Argument aber erst sehr spät auf.Städte und Gemeinden können die Biodiversität schon heute auf ihren Grünflächen fördern, das ist für sie aber mit Mehraufwand verbunden. Die Möglichkeiten wären da und es ist fraglich, ob es dafür auch noch eine Bundesvorgabe braucht. Ich erwarte eigentlich, dass die Sensibilisierung bei den Zuständigen bereits gross genug ist.

Es herrscht Konsens darüber, dass die Qualität bestehender BFF verbessert werden muss. Wie kann das gelingen?

Sicher über einen höheren Anteil QII-Flächen, was aber je nach Standort nicht einfach umzusetzen ist. Weiter haben Kleinstrukturen einen grossen Effekt. In Vernetzungsprojekten steht den Landwirten ja ein ganzes Set von Möglichkeiten zur Verfügung und man kann für sich entscheiden, was passt.

Kürzlich hat der Biologe Marcel Züger eine Studie zum Stand der Biodiversität in der Schweiz im Auftrag des SBV verfasst. Werden Sie diesen Bericht im Abstimmungskampf einsetzen?

Wir werden nicht sagen, dass es keine Probleme gibt. Aber eine Biodiversitätskrise herbeizureden, ist einfach falsch. Gewisse Arten sind unter Druck, bei anderen haben wir Zunahmen und es kommen neue Arten auf. Ich erinnere hier an Störche, Rotmilane oder Luchse. Die stark wachsenden Bestände von Bibern, Gänsegeiern, Kormoranen oder Wölfen, die vor 30 Jahren nicht oder kaum sichtbar waren, bereiten uns zudem Sorge.Vor allem Arten am Ende der Nahrungskette werden häufiger. Daraus schliesse ich, dass auch ein Nahrungsangebot an kleineren Tieren vorhanden sein muss.

Die Initianten argumentieren mit den hohen Kosten, die entstehen sollen, wenn nicht gegen den Verlust der Biodiversität vorgegangen werde.

Verschiedene Staatsebenen investieren bereits stark in die Förderung der Biodiversität. Die jährlichen Mehrkosten für Bund und Kantone bei einer Annahme der BDI würden 375 bis 450 Millionen Franken betragen, was die bereits schwache Bundeskasse weiter belasten und eine Gefahr für die Direktzahlungen bedeuten würde.

Abo Viele Ackerbegleitpflanzen wie der Frühe Zahntrost (vorne, violett blühend) und der Acker-Hahnenfuss (rechts, gelbe Blüte und stachelige Frucht) brauchen viel Licht am Boden. Man findet sie oft in der Nähe von Ameisenhaufen, da Ameisen ihre Samen verbreiten. Förderung der Biodiversität 80 Prozent der BFF sind Grasland: «Es fehlt das Andere» Friday, 21. June 2024

In Zahlen

18 %  der Schweizer Landesfläche sind normal genutztes Kulturland.
% bedecken Siedlungen.
73 % der Schweiz sind extensiv oder nicht genutzt (Wald, Stein und Fels, Sömmerungsfläche).
5 % davon entfallen auf Biodiversitätsförderfläche (BFF) im Kulturland. Auf
% der Ackerfläche sind heute BFF angelegt.
19 % beträgt der gesamte Anteil BFF an Landwirtschaftlicher Nutzfläche. Davon sind über
80 % Grasland.
8 % der Schweiz seien bereits ausreichend geschützt, teilte Pro Natura im Zusammenhang mit der UNO-Biodiversitätskonvention 2023 mit.
22 % Schutzfläche würden demnach fehlen, was laut Nein-Komitee zur Biodiversitäts-Initiative
900 000 ha entspricht.
50 % der Lebensräume und
33 % der Arten in der Schweiz sind laut Bund bedroht.