Abo Unkrautbekämpfung Herbizidresistenzen sind auf dem Vormarsch Saturday, 19. February 2022 «Ich lebe mit dem herbizidresistenten Ackerfuchsschwanz», sagt Christian Vogelsanger. Der Landwirt aus Siblingen SH bewirtschaftet 64 ha LN, von denen sicher die Hälfte je nach Jahr mal mehr, mal weniger stark von resistentem Ackerfuchsschwanz (AF) betroffen sei. Das hartnäckige Ungras beschäftige ihn auf seinem Betrieb bereits zehn bis zwölf Jahre, schätzt Vogelsanger, «schleichend ist das Problem grösser geworden». Mit Maschinen seien Samen sehr schnell von einer Parzelle zur nächsten verschleppt und seine Nachbarn würden ebenso mit AF kämpfen.

Fruchtfolge erschwert

«Es gibt keine Meldepflicht für herbizidresistentes Unkraut und wir haben deshalb keine genaue Übersicht zur aktuellen Ausbreitung auf dem Kantonsgebiet», erklärt Lena Heinzer vom Schaffhauser Landwirtschaftsamt. Betroffen sei aber bekanntermassen das hügelige Gebiet im Westen des Kantons, wo schwere Böden und die Hanglagen eine diverse Fruchtfolge erschweren. «Hackkulturen eignen sich dort kaum», gibt Heinzer zu bedenken. Auch Christian Vogelsanger arbeitet auf schweren Böden. «Striegeln und Hacken sind schwieriger, weil die Verschüttwirkung kleiner ist als bei leichten Böden», stellt der Landwirt fest. Hinzu kommt, dass der Untergrund langsamer abtrocknet und die Zeitfenster für die mechanische Unkrautbekämpfung kürzer sind. Der letzte Herbst sei in dieser Hinsicht schlimm gewesen, erinnert sich Vogelsanger. Es sei ihm nicht gelungen, den AF – wie es wichtig wäre – möglichst früh zu bekämpfen.

«Dort lege ich 3- bis 4-jährige Kunstwiesen an

Landwirt Christian Vogelsanger über die am stärksten von AF betroffenen Flächen.

2023 hat Agroscope eine Karte zur aktuellen Verbreitung des resistenten Ackerfuchsschwanzes veröffentlicht (siehe unten). Demnach treten mehrere Resistenzen auf. Schaffhausen ist, neben Genf, am stärksten betroffen und es gibt auch doppelt resistente Populationen. «Der Sinn der Überwachung ist, Resistenzen zu bestätigen, neue zu überprüfen und so den Überblick zu behalten», erläutert Judith Wirth, Leiterin Herbologie bei Agroscope. Bisher konnten die Kantone kostenlos Pflanzensamen an Agroscope schicken, um Unkräuter auf Herbizidresistenzen prüfen zu lassen. «Da es heute möglich ist, Resistenzen gegen Herbizide in Speziallabors zu bestimmen, wurden die teuren und aufwendigen Versuche im Gewächshaus bei Agroscope aufgegeben», so Wirth. Jetzt müssten die Kantone ihre Proben nach Deutschland schicken, was jeweils rund 180 Euro koste und sich kaum jemand leisten wolle. «Dass Agroscope diesen Service nicht mehr anbietet, erschwert die rechtzeitige Erkennung von Herbizidresistenzen», sagt Lena Heinzer.

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Agroscope würde koordinieren

Judith Wirth hofft, dass sich die Kantone zusammenschliessen und so erwirken, dass das Resistenzmonitoring über Agroscope weitergeführt werden kann. Agroscope würde in diesem Fall eine Koordinationsaufgabe zwischen den Kantonen übernehmen. «Damit lässt sich auch unnötiger Herbizideinsatz vermeiden», gibt die Forscherin zu bedenken. Sie schätzt, dass sich diese schweizweite Koordination mit rund Fr. 10 000.– jährlich finanzieren liesse. Im Moment sei chemischer Pflanzenschutz allerdings ein schwieriges Thema, ist sie sich bewusst. «Viele hoffen auf eine Landwirtschaft ohne chemische Wirkstoffe. Damit bin ich nicht einverstanden», so Wirth. Sie sei ein grosser Fan integrierter Systeme, insbesondere ohne Pflanzenschutzmittel. Aber es gebe immer wieder Situationen, in denen ein Herbizideinsatz berechtigt sei.

Den Zenit überschritten

Diese Erfahrung macht auch Christian Vogelsanger. Mit einer Kombination aus chemischer und mechanischer Unkrautbekämpfung habe er den AF so weit im Griff, sagt er. Er arbeitet über die Fruchtfolge, indem er mit Weizen, Gerste, Triticale, Raps, Zuckerrüben und Silomais Sommer- und Wintersaaten abwechselt. «Auf den schlimmsten Parzellen lege ich drei- bis vierjährige Kunstwiesen an und mähe immer, bevor sich das Unkraut versamt», fährt Vogelsanger fort. Den Grasschnitt nutzt er als Futter für seine Munimast mit 170 Plätzen. Wenn der AF aber eine gewisse Grösse erreicht habe, bekomme man ihn nicht mehr weg. «Man kann ihn nur noch so lange wie möglich unterdrücken.» Wirksamer sei, die Samen in einem falschen Saatbett erst keimen zu lassen und dann die Keimlinge zu bekämpfen, wobei in diesem frühen Stadium auch Herbizide noch eine gewisse Wirkung hätten.

Die mechanischen Verfahren seien zeitintensiv und würden viel Diesel verbrauchen; finanzielle Unterstützung gibt es laut Vogelsanger für von resistentem Unkraut betroffene Landwirte aber keine. «So geht es noch», kommentiert der Schaffhauser die Situation auf seinem Betrieb. Er habe das Gefühl, dass die Ausbreitung des AF bei ihm ihren Zenit überschritten habe – wobei jede Parzelle und jedes Jahr anders seien. «Ich hoffe sehr, dass der nasse Herbst, wie 2023, nicht zur Regel wird», ergänzt er.

Grundsätze einhalten

Angesichts der zunehmenden Ackerfuchsschwanz-Problematik und der sich ausbreitenden Resistenzen sei es «grob fahrlässig», ackerbauliche Grundsätze zu vernachlässigen und bloss auf Chemie zu setzen. Das schreibt das Schaffhauser Landwirtschaftsamt in einem Merkblatt. Ackerfuchsschwanz bevorzuge feuchte, nährstoffreiche und schwere Böden, die Hauptkeimzeit falle auf September bis Oktober. Das Amt gibt folgende Tipps zur direkten und indirekten Bekämpfung:

Unkrautkur / falsches Saatbett: 2 bis 4 Wochen vor der Saat. In Abständen von ein bis zwei Wochen wiederholt flach striegeln.
Wintergetreide: Möglichkeit zur Herbstbehandlung mit Bodenherbiziden nutzen, auch im Vorauflauf. Für IP-Suisse sei im Kanton Schaffhausen eine Sonderbewilligung möglich. Später säen, da so Boden-herbizide besser und länger wirken können. Optimales und sauberes Saatbett, konkurrenzstarke Sorten mit überhängenden statt aufrechten Blättern wählen.
Spritzen: Korrekte Aufwandmengen einsetzen, bei Klasse-B-Herbiziden auf genügend Luftfeuchtigkeit achten (> 60 %). Bei Resistenzen gegen Klasse A im Raps gegen Gräser nur Kerb Flo / Nizo einsetzen (wenn nötig Sonderbewilligung einholen für Einsatz im November).
Drainagen: In Schuss halten, da Ackerfuchsschwanz bei Staunässe besser gedeihe als Getreide.
Fruchtfolge: Auflockern mit Sommerkulturen und Raps, mehrjährige Kunstwiesen. Bei Klasse-A-Resistenzen auf Zuckerrüben verzichten.
Einschleppen: Verhindern durch das Putzen von Maschinen und Vorsicht bei der Zufuhr von Erdmaterial.
Bodenaktivität: Durch schonendes Befahren, angepasste Düngung und Humusaufbau fördern, um den Abbau von Unkrautsamen zu unterstützen.

Kombiniert am effektivsten

Ackerfuchsschwanz ist auch ohne Resistenzen ein hartnäckiges Ungras. Die Firma Stähler hat in Versuchen vom Herbst 2023 und Frühling 2024 getestet, wie es sich im Getreidebau am besten chemisch bekämpfen lässt. «Der vergleichsweise milde Winter liess die Ackerfuchsschwanz-Keimlinge in jenen Parzellen stark wachsen, in denen keine Vorauflauf-Behandlung stattgefunden hatte», schreibt Stähler. Als die effektivste Strategie habe sich eine Applikation im Herbst direkt nach der Getreide-Aussaat und eine weitere im Frühling zur Bekämpfung der nachgekeimten Ungräser erwiesen. «Diese strategische Herangehensweise hilft, den Lebenszyklus des Ackerfuchsschwanzes effektiv zu durchbrechen und dessen Ausbreitung zu minimieren», so das Fazit.