Der Raumplanungsfachmann bei Agriexpert kennt den Umgang der Behörden mit «nicht rechtmässigen Bauten» in vielen Kantonen aufgrund vieler Beratungsfälle.
Wie beurteilen Sie die Situation von nicht rechtmässigen Bauten in der Landwirtschaft?
Clemens Meier: Während der letzten zwei bis drei Jahre haben sich die Kantone bei der Beurteilung von nicht rechtmässig erstellten Bauten und Anlagen angeglichen.
Wir haben festgestellt, dass jeweils nach einem Entscheid des Bundesgerichts in einzelnen Kantonen die Praxis entsprechend angepasst und geändert wurde. Bei nicht rechtmässig erstellten Wohnbauten wurde seit dem Bundesgerichtsentscheid «Laupersdorf» vom Mai 2020 die Beurteilung von nachträglichen Gesuchen massiv verschärft. Diese Feststellung bezieht sich auch auf die ordentlichen Baugesuche für Wohnbauten ausserhalb der Bauzone. Bei nicht rechtmässig erstellten Bauten und Anlagen wurde seit dem Bundesgerichtentscheid «Neuenkirch» vom April 2021 die Beurteilung nachträglicher Gesuche ebenfalls massiv verschärft. Die Feststellung bezieht sich auf Bauten und Anlagen von Landwirtschaftsbetrieben sowie auch auf Nichtlandwirtschaftsbetriebe ausserhalb des Baugebietes.
Wird auch dank der Digitalisierung und Luftbildern heute genauer hingeschaut?
Früher haben lediglich einzelne Kantone die vorhandenen Luftbilder zur Beurteilung von Baugesuchen herangezogen. Heute nutzen das die meisten Kantone. Werden auf Luftbilden Bauten und Anlagen festgestellt, für welche keine kantonale Zustimmung vorliegt, werden die Baugesuche sistiert und zusätzliche Unterlagen eingefordert. Die Beurteilung der Luftbilder wird von den Kantonen allerdings unterschiedlich gehandhabt.
In welchen Bereichen gibt es vor allem «nicht rechtmässige» Bauten oder Nutzungen?
Das ist vom Betriebstyp abhängig. Bei Betrieben mit Tieren werden Tierbestände festgestellt, welche grösser sind als die bewilligten Tierbestände. Es muss öfters festgestellt werden, dass bei den Betriebsleitern die Meinung besteht, dass die Tierhaltung bewilligt sei, wenn der Tierschutz eingehalten sei. Die Betriebsleiter sind sich bei entsprechenden Fällen nicht bewusst, dass die gesamten Bereiche des Umweltrechts auch beurteilt werden müssen. So die Kapazität der Hofdüngerlager oder der Mindestabstand gegenüber Wohnbauten oder die Ammoniakemissionen. Es gibt auch Betriebe, wo die zonenkonforme Raufutterbasis nicht gegeben ist. In solchen Fällen kann für die ohne Bewilligung erstellten Bauten und Anlagen keine Bewilligung in Aussicht gestellt werden.
Es gibt wohl auch Fälle, wo es nicht um die Tierhaltung geht …?
Wo die Tierhaltung aufgegeben wurde, fehlt in vielen Fällen die Bewilligung für eine Umnutzung der Gebäude und Einstellflächen zum Einstellen von nicht landwirtschaftlichen Fahrzeugen und Gerätschaften von Dritten wie Wohnwagen, Wohnmobile usw.
Es wird auch der Einbau von Wohnraum und Wohnungen festgestellt, für welche keine Bewilligungen vorliegend sind oder diese als nicht bewilligungsfähig beurteilt sind.
Bei Aufgabe der Landwirtschaft oder der Tierhaltung wird die Frage der Verwertung der häuslichen Abwässer in der Regel nicht abgeklärt oder gar eine Bewilligung eingeholt. Es gäbe noch viele weitere mögliche «nicht rechtmässige» Punkte aufzuführen, die jeweils nur bei einem Betriebsbesuch festzustellen sind.
Was wird aufgrund Ihrer Erfahrung an «Altlasten» toleriert von den Behörden, wenn bei neuen Projekten die Vergangenheit beleuchtet wird?
Seit dem Bundesgerichtsentscheid Neuenkirch LU von 2021 ist der Begriff «Tolerierung von Altlasten» ausserhalb der Bauzone nichtig und hinfällig geworden. Aktuell werden vonseiten der Bewilligungsbehörden bei neuen Projekten die Betriebe gesamtheitlich überprüft und beurteilt. Der Begriff «Besitzstand» hat hingegen an Bedeutung zugenommen und wird stärker gewichtet.
Wie sollen Bauern vorgehen, wenn sie Altlasten feststellen bzw. von den Behörden solche gemeldet bekommen?
Die Betriebsleiter haben in der Regel Kenntnis, für welche Bauten und Anlagen eine Bewilligung vorhanden ist oder eben nicht. Bei Hofnachfolgern besteht aber durchaus die Möglichkeit, dass diese keine Kenntnis von Bauten und Anlagen haben, für welche keine Bewilligungen vorliegen. Bei diesen Fällen sollte der Berater im Rahmen der Hofübergabe lediglich die Bauten und Anlagen bewerten, für welche die abtretende Generation entsprechende Bewilligungen vorlegen kann. Für sämtliche Bauten und Anlagen ohne vorliegende Bewilligungen sollten bei der Hofübergabe Vorbehalte gemacht werden.
Welche Tipps geben Sie Bauherren, damit diese sorgloser planen und Bauen können?
Wir empfehlen den Betriebsleitern, sich zu einem frühen Zeitpunkt, das heisst mindestens drei Jahre vor Baubeginn, mit einem Bauprojekt auseinanderzusetzen und zu überprüfen, ob der Betrieb raumplanerisch korrekt erfasst ist. Für nicht bewilligte Bauten und Anlagen ist vorgängig eine Bewilligung einzuholen oder die Baute bestimmungsgemäss zu nutzen.
